Ein Kloster als Sühnestiftung
Mitten im liebenswerten Städtchen Drolshagen, direkt neben der Romanischen Basilika, deren Schutzpatron der Heilige Clemens ist, steht ein mächtiges barockes Gebäude. Es wird von der Stadtverwaltung zum größten Teil für verschiedene Ämter als Bürogebäude genutzt. Im oberen Geschoss befindet sich der Musiksaal, in dem kulturelle Veranstaltungen stattfinden, der aber auch dem Rat der Stadt Drolshagen als Sitzungssaal dient. Der Gewölbekeller des Bauwerks präsentiert sich als historischer Ausstellungsraum, und zum Abschluss der jährlichen Sitzungsperiode des Rates findet hier das versöhnliche Abendessen aller Fraktionen statt.
Dieses Gebäude verkörpert den letzten noch verbliebenen Bestand des ehemaligen Zisterzienser-Frauenklosters Drolshagen aus dem Jahre 1235, das vom Grafen Heinrich III. von Sayn und seiner Frau Mechthild von Landsberg gestiftet worden ist. Durch die Jahrhunderte zeigte sich die Klostergeschichte mit verschiedenen Facetten, geprägt von unterschiedlichen regionalen oder klimatischen Bedingungen. Es gab Blütezeiten mit großem Besitztum, wie im 13. und 14. Jahrhundert. Das Kloster besaß Ländereien von ungefähr 93 Hektar in der Umgebung und weiteren Streubesitz im Sauer- und Siegerland, im Bergischen Land und sogar am Rhein. Diese wechselten sich mit wirtschaftlichem und moralischem Auf- und Niedergang ab.
Im 18. Jahrhundert kam es schließlich zum ökonomischen Beinahe-Bankrott. Klöster waren Wirtschaftsbetriebe, deren Wohl und Wehe von verschiedenen Faktoren wie Witterung oder Kriegswirren abhingen – und natürlich vom Talent der Schwester Kellnerin, der Wirtschaftsmanagerin. Allerdings konnten die Nonnen ihre wirtschaftlichen Ambitionen nicht allein bestimmen, sie wurden meist von einem Vogt, aus der Abtei Marienstatt im Westerwald, vertreten. Obwohl schon im Spätmittelalter zwei Mahlmühlen und mehrere Eisenhämmer bezeugt sind, trieb der Prior Hartung das Kloster mit seinen Fehlinvestitionen im 18. Jahrhundert fast in den Ruin. Viele Ländereien mussten verkauft werden und hohe Schulden wurden gemacht. Nur wenige Jahre später war auch die fast 600-jährige Zeit der milden Herrschaft der Nonnen abgelaufen. Das Kloster in Drolshagen, wie alle Klöster des Sauerlandes, wurden von der neuen hessischen Regierung aufgelöst und die Gebäude und alle Besitzungen wie auch buchstäblich das Kirchensilber verkauft. Die wertvollsten Kunstwerke, wie etwa der weltberühmte Hitda-Codex, ein Hauptwerk der ottonischen Buchkunst aus dem Walburga-Stift in Meschede, fanden beim neuen Großherzog Ludwig von Hessen-Darmstadt an seinem Regierungssitz in Darmstadt allerdings gastliche Aufnahme.
Ein kurzer Rückblick auf die extrem interessante Gründungsgeschichte des Sühne-Klosters Drolshagen, die im mittelalterlichen Deutschen Kaiserreich hohe Wellen schlug: Stiftsgründungen als Sühne für Verbrechen gab es im Hochmittelalter im Sauerland mehrmals. So das Kloster Wedinghausen bei Arnsberg. Hier hatte ein Graf seinen Bruder im Kerker verhungern lassen. Oder das Kloster bei Gevelsberg, wo Erzbischof Engelbert v. Köln von seinem Verwandten, dem Grafen von Isenburg, 1225 erschlagen wurde. Die Drolshagener Gründung stand in ursächlichem Zusammenhang mit dem Mord am päpstlichen Inquisitor Konrad von Marburg, dem Beichtvater der jung verstorbenen Heiligen Elisabeth. Es kam zu einem Aufsehen erregenden Prozess. Konrad hatte den Grafen als Ketzer verklagt. Unter dem Vorsitz des Erzbischofs von Mainz, Erzkanzler des Deutschen Reichs, wurde Gericht gehalten. Graf Heinrich III. von Sayn konnte einen Freispruch erreichen – nach heutigem Verständnis aus Mangel an Beweisen. Konrad von Marburg lehnte jede militärische Begleitung ab und wurde nach dem Prozess auf dem Rückweg in seine hessische Heimat von Rittern erschlagen. Den Grafen von Sayn zitierte man erneut vor Gericht, jetzt unter Vorsitz des Deutschen Königs Heinrich VII., diesmal trug man ihm eine milde Strafe auf. Das endgültige Urteil war eine Sühnestrafe, die die Gründung des Klosters in Drolshagen bewirkte, nicht zum Nachteil für die hier lebende Bevölkerung.
Die Clemens-Kirche
Die St. Clemens-Kirche liegt direkt neben dem Kloster, gehörte aber früher zum Stadtgebiet und nicht den Nonnen. Das Gotteshaus war Jahrhunderte lang ein rechter Zankapfel zwischen dem Kloster und der Pfarrgemeinde. Die Nonnen bauten schließlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts direkt neben dem Kloster ihre eigene Kirche. Im Rahmen der Zwangs-Säkularisation nach 1803 wurde diese Kirche wieder abgerissen.
Sichtbare Erinnerungen oder Baupläne an diese Kirche existieren nicht mehr, der Kirchenbau wurde zum Abriss verkauft. Nur die barocke Klosterorgel kam als Geschenk des neuen Landesherrn – man verschenkt ja leicht, was einem nicht gehört – an die Kirche ins nahe Neuenkleusheim bei Olpe. Dort kann man sie heute noch bewundern, genau wie das moderne Altarbild in der Drolshagener Clemens-Kirche (im WOLL-Magazin erschien 2022 ein Bericht dazu). Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich einige Legenden und Sagen um das Kloster und seine Bewohner. In Erinnerung geblieben ist die Sage von der Äbtissin Eva von Plettenberg, die ins nahe Ausland floh, das war damals die Grafschaft Mark, und dort den evangelischen Glauben annahm. Ihre Geschichte kann auf einer Tafel, die zum Drolshagener Sagenpfad gehört, nachgelesen werden. Als örtliche Erinnerung an das Kloster blickt das mächtige barocke Bauwerk mit der St. Clemens-Kirche als historisches Ensemble im Herzen des Städtchens hoffentlich noch lange wohlwollend auf seine Bürger.
Besondere Verdienste um den Erhalt des Klosters erwarb sich übrigens der kürzlich verstorbene frühere Drolshagener Stadtdirektor Hermann Schmelzer aus Finnentrop.