Quelle: Disput/ Berlin!GmbH
Kennen Sie das? Herrlichstes Wetter, ein langes Wochenende und nichts wie raus aus dem Alltag? Für all jene, die nicht fliegen, Zug fahren oder aufs Radl steigen, bleibt das Auto das bewährte Fortbewegungsmittel. Meistens kommt man hier im Sauerland ungestört von Meschede bis Eslohe, von Schmallenberg bis Lennestadt. Es sei denn, eine Großbaustelle, oder eine, die es werden soll, legt eine ganze Region völlig lahm. So wie bei der unsäglichen, jetzt wenigstens gesprengten Talbrücke bei Lüdenscheid – eine Tragödie ganz eigener Art, die auch noch nicht zu Ende ist.
Marode Infrastrukturen gibt es im ganzen Land. Die zu reparieren und auf den neuesten Stand zu bringen, dauert – und kostet viel Geld. Umso erstaunlicher, dass in der Region Geld übrig war: für ein Naturzerstörungsprojekt erster Güte bei Bad Fredeburg. Da wurde eine neue Umgehungsstraße so brutal in die Natur gestanzt, dass kein Klumpen Erde, kein Büschel Gras mehr auf dem anderen blieb. Das alles nur, damit der Ortskern von Fredeburg noch toter wird, als er ohnehin schon ist.
Straßen bauen ist rund um Berlin ganz out. Genug öffentliche Ärgernisse gibt es auch so. Nicht nur bei dem zwölf Jahre zu spät abgeschlossenen Flughafenbau oder bei der Durchführung von Wahlen. Als ob die Stadt nicht schon genug Probleme hätte, wird sie nun seit einigen Wochen durch die Klimakleber lahmgelegt. Diese terrorisieren die Hauptstadt durch immer neue Aktionen. Die Feuerwehr musste mit Kränen anrücken, um die Straßen wieder frei zu bekommen. Seit April sind außerdem 74 Mal Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr blockiert worden. Erst in der Silvesternacht, auch das Berlin-typisch, waren sie noch von Randalierern und Chaoten attackiert worden. Ein Ende der Klima-Blockaden ist nicht absehbar, zumal die milden Reaktionen der Berliner Justiz, Razzia hin, Razzia her, vielen eher noch Ansporn sein dürften.
Auch wenn jetzt zwischendurch manch Autofahrer lieber zuhause bleibt, als Gefahr zu laufen, auf der Berliner Stadtautobahn Avus steckenzubleiben – bringen diese Störmanöver wirklich ein Umdenken? Kommt es nicht vielmehr auf gute Politik an, die die Klimaziele in alltagstaugliche Rezepte umsetzt, die haltbarer sind als Pattex unterm Hosenboden? Immer geht’s dabei ums Geld, wie bei den Gesetzesvorhaben in Berlin. Wer muss welche Heizungs-Umrüstung wann bezahlen? Privatleute, Kommunen, Länder oder Bund: Wer trägt welche Lasten?
Auch im Sauerland erhitzen sich die Gemüter nicht nur am Straßenbau, sondern auch an der Energie- und Klimapolitik. Beispiel Windkraft. Auch dabei geht es um Zerstörung von Natur und Lebensraum, aber auch um Energieversorgung und Wirtschaftlichkeit. Die vom Borkenkäfer zerfressenen einstigen Waldgebiete bieten sich an: 24.000 ha Schadfläche. Was macht man damit? Waldumwandlung oder Walderhalt? Wie lässt sich das Gemeinwohl definieren, wenn sich das Gebot des Umstiegs auf Erneuerbare Energien mit Natur und Heimatpflege beißt? Naturschutzvereine haben neulich zur Diskussion geladen: „Wind! Wald? MegaWatt?“ lautete der griffige Titel der Veranstaltung, bei der Befürworter und Gegner der Windkraft zu Wort kamen.
Das ganze übrigens kurz, nachdem die Sauerländer Botschaft in Berlin mit einem anderen Infrastruktur-Thema auf sich aufmerksam gemacht hatte: „K(ein) Bit im Kornfeld.“ Auch hier gibt es erheblichen Diskussionsbedarf, denn statt auf der Datenautobahn Gas zu geben, zockelt das Sauerland auf der Umgehungsstraße hinterher.
Neulich hatte ich einen Traum: Klimakleber hatten sich auf die neue Straße bei Fredeburg geklebt. Nichts ging mehr: Kein Bagger, kein Auto kam mehr durch. Und man beschloss die Umwandlung der geteerten Schadfläche in das, was sie einst war: Wald und Wiese …