Jedes Tier ist es wert, gerettet zu werden

Quelle: Esther Rossa

Wildvogelpäpplerin Esther Rossa aus Neheim

Lautes Zwitschern dringt aus dem Nebenzimmer, während Esther Rossa dem WOLL-Magazin von ihrer ehrenamtlichen Arbeit erzählt. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Wildvögeln eine zweite Chance zu geben. Und es ist viel mehr als nur eine Herzensangelegenheit. Die Tierschützerin weiß, wie wichtig Vögel für unsere Umwelt sind. Nur hat das leider kaum jemand auf dem Schirm.

„Vögel haben keine Lobby“, erklärt sie. „Sie sind eben nicht so schön flauschig, wie ein Hund oder eine Katze – und vor allem nicht so präsent.“ Bald fünf Jahre ist es her, dass Esther Rossa den ersten Vogel bei sich aufnahm. Eine Schwalbe, die ihr Bruder zu ihr brachte. Sie nahm sich ein Herz und versuchte es. Im Internet fand sie Hilfe und auf die erste Schwalbe folgten zwei weitere. Zwei davon konnte sie wenige Wochen später in die Freiheit entlassen. Und dann gab es kein Halten mehr. „Ich habe mich über die verschiedenen Wildvogelarten belesen, mit anderen Päpplern gesprochen und mich mit Tierärzten ausgetauscht, Techniken gelernt und mir alles besorgt, was ich für den Start brauchte.“ Als examinierte Altenpflegerin sind ihr medizinische Themen nicht fremd. Einen winzig kleinen, fragilen Vogel zu behandeln, ist aber natürlich eine ganz besondere Aufgabe. „Im ersten Jahr habe ich etwa 250 Vögel gepäppelt, im vergangenen Jahr waren es über 600, und hätte ich nicht aus privaten Gründen einen Aufnahmestopp verhängen müssen, wären es wohl noch mehr geworden.“

Natürlich schaffen es nicht alle der Vögel, die zu Esther Rossa kommen. Aber sie gibt alles. Sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag ist sie für ihre ganz kleinen und größeren Patienten da. „Bei Sonnenaufgang stehe ich auf, trinke einen Kaffee, bereite das Futter zu.“ Obst und Gemüse müssen geschnitten werden, Wildsamen gesammelt, Vitamine und Mineralstoffe ergänzt, für die Vegetarier Futterbrei angerührt, für die Fleisch- und Aasfresser Fleisch und Insekten zerlegt werden. Dann wird gefüttert, die Nester gereinigt, Medikamente gegeben, Wäsche gewaschen – und dann weitergefüttert. „Teilweise müssen die ganz kleinen alle zwanzig Minuten gefüttert werden. Das variiert von Art zu Art und ändert sich, wenn sie älter werden.“

Hilfe für groß und ganz klein

Vor allem Nestlinge werden zu ihr gebracht. Teilweise sind sie noch nackt. Der kleinste Spatz, der zu ihr gebracht wurde, wog gerade einmal ein Gramm. Aber auch Vögel, die einen Katzenangriff überlebt haben, gegen ein Auto oder eine Fensterscheibe geflogen sind oder von anderen Vögeln aus dem Nest geraubt wurden, kommen zu ihr. Vor allem aber die vielen geschwächten und abgemagerten Vögel machen Esther Rossa Sorgen. „Elstern, Rabenkrähen oder Eichelhäher, die eigentlich schon alt genug wären, um selbst zu überleben, werden fast verhungert bei mir abgegeben.“

Nicht selten passiert es aber auch, dass ihr Vögel übergeben werden, die aus Nestern stammen, die von Privatleuten entfernt wurden – und dass, obwohl so etwas nur mit Ausnahmegenehmigung der unteren Naturschutzbehörde erlaubt ist. Manchmal sind es sogar Vögel, die auf der roten Liste stehen und vom Aussterben bedroht sind.

Es gibt aber auch die anderen, die sich für Vögel einsetzen wollen – leider aber manchmal ohne ausreichendes Wissen. „Privatleute können einiges tun, um den Vögeln in ihrer Umgebung etwas Gutes zu tun. Einen streifen Rasen stehen lassen, Wildblumen säen und darauf achten, dass im Sommer kein Winterfutter gefüttert wird, sondern Wildsamen, vielleicht auch Frostinsekten, wenn man sich ein wenig eingehender damit beschäftigen möchte.“ Und vor allem ist der Vogelpäpplerin eines wichtig: „Wenn ein Vogel gefunden wird, darf er kein Wasser oder Futter bekommen. Dafür sind die Stationen zuständig. Das Einzige, was unbedingt, vor allem bei noch nackten Vögeln getan werden muss, ist, sie zu wärmen. Der Vogel hat nur diese eine zweite Chance und die muss er richtig nutzen dürfen.“

Unterstützer gesucht

Esther Rossa fehlen derzeit die Mittel, um sich weiterhin um so eine große Zahl an Vögeln zu kümmern. Es gab Zeiten, da hatte sie bis zu 90 Vögeln in ihrem Esszimmer. Aber für die Auswilderung braucht sie wieder einen Ort, an dem sie ihre Volieren aufbauen kann. Und auch die Kosten müssen gedeckt werden. „Einen Vogel aufzupäppeln kostet mich etwa  50 bis 65 Euro“ , erklärt sie. Das bezahlt sie aus ihrer eigenen Tasche. Fördergelder zu bekommen, ist nicht leicht. Gerade, wenn es um Wildtiere geht, nicht nur Vögel, auch Eichhörnchen oder Igel haben es schwer. Aber die Tierschützerin bemüht sich und überlegt, einen Verein zu gründen, damit sie in Zukunft auch Spenden sammeln kann und vielleicht ehrenamtliche Helfer findet, die sie in ihrer Arbeit unterstützen. Derzeit gibt es nur eine weitere Vogelpäpplerin im gesamten Hochsauerlandkreis – definitiv zu wenig. „Wir haben europaweit einen Singvogel-Rückgang von etwa 70 Prozent. Das kommt beispielsweise durch das Insektensterben durch Pestizide, hochintensive Landwirtschaft und den Wegfall der Habitate. Die Vögel finden einfach nicht mehr genügend Nahrung. Mit unserer Arbeit können wir wenigstens einen kleinen Teil dazu beitragen, das aufzuhalten. Denn Wildvögel sind wichtig als als Schädlingsvertilger, Samenverbreiter und Blütenbestäuber.“