Jagd: Leidenschaftlicher Einsatz für Natur und Tier

400.000 Jägerinnen und Jäger sorgen in ganz Deutschland für das Wohlergehen unserer Natur. Jagdaufseherin Anna Fischer aus Wenden-Römershagen ist eine von ihnen und kümmert sich mit ihrer Familie um zwei Reviere. Dabei bedeutet „kümmern“ für Jägerinnen und Jäger weit mehr als das Erlegen von Tieren.

Wir treffen uns zum Interview im von ihrer Familie gepachteten 400 Hektar großen Revier Römershagen. Ein zweites bejagen sie im Odenwald. „Ich liebe Tiere und die Natur über alles“, erzählt uns Jagdaufseherin Anna Fischer. „Ich reite, ich halte Hühner, habe einen Hund, bin am liebsten draußen im Wald. Ein Leben ohne Tiere kann ich mir nicht vorstellen. Deshalb bin ich Jägerin geworden: Mir liegt das Wohl der Tiere und der Natur am Herzen.“ Einige wird ihre Aussage wohl verwundern. Die Annahme, dass Jägerinnen und Jäger nichts weiter tun, als die Tiere vom Hochsitz aus zu erlegen, ist weit verbreitet – sogar in unserem wald- und tierreichen Sauerland. Das bestätigt auch die 30-Jährige: „Was soll die Jagd mit Natur- und Tierschutz zu tun haben? Das fragen sich viele. Dabei sind die Aufgaben der Jägerinnen und Jäger äußerst vielfältig.“

Die Liebe zu Wald und Tier liegt in den Genen der Familie Fischer. Annas Opa Josef absolviert als erster seinen Jagdschein, gibt seine Leidenschaft an seinen Sohn Karl-Josef, Annas Vater, weiter. Auch zwei seiner Kinder führen die Familientradition fort. Anna erinnert sich: „Ich bin schon als junges Mädchen mit zu den Feldern gefahren und wir haben gemeinsam Kitze im hohen Gras gesucht und gerettet, bevor die Mähmaschinen sie verletzen konnten. Das ist bis heute eine meiner liebsten Aufgaben. Mittlerweile werden dabei moderne Wärmebildkameras und Drohnen eingesetzt.“

Rettung von gefährdeten und verletzten Tieren

Die Rettung von verletzten und gefährdeten Tieren stellt eine wichtige Aufgabe der Jäger dar. „Wenn bei einem Verkehrsunfall ein Tier zu Schaden kommt und dadurch ein Kitz seine Mutter verliert, kümmern wir uns um das Tier. Ich habe schon ein Jungtier in unserem Garten aufgezogen. Auch um andere gefährdete Wildtiere, wie beispielsweise verwaiste Feldhasen, kümmern wir uns, bringen sie, wenn nötig zum Tierarzt“, erzählt Anna, die hauptberuflich als Bauingenieurin arbeitet.

Auch einen Damhirsch konnte Anna gemeinsam mit ihrem Vater, ihrem Freund Michael, der ebenfalls den Jagdschein besitzt, und einem weiteren Jäger retten: „Er hatte sich mit seinem riesigen Geweih in einem Stacheldrahtzaun verfangen und konnte sich allein nicht mehr helfen. Nur mithilfe einer durch Vater Karl-Josef gesetzten Betäubung konnte er von den spitzen Stacheln befreit werden.“

Das natürliche Gleichgewicht bewahren

Anna betont die Wichtigkeit der Jagd für die heimische Flora und Fauna: „Natürlich sind wir Jägerinnen und Jäger oft auf den Hochsitzen zu finden: Meistens beobachten wir die Tiere nur. Es ist wichtig, dass wir wissen, in welchem Zustand unsere Natur ist und wie es den Tieren geht. Dabei geht es beispielsweise um Sichtungen von Schäden in Wald und Feld, diese können Hinweise auf zu viel Wild im Revier sein. Eine Überpopulation kann das natürliche Gleichgewicht ins Wanken bringen. Oder wenn von einer Tierart viel zu wenige zu finden sind, könnte das an dem Zustand oder der Anzahl der Pflanzen liegen, die nicht mehr genug Nahrung für diese Tiere bieten können. Alles hängt mit allem zusammen. Das weiß jeder, der jagt.“

„Das grüne Abitur“

Aus diesem Grund ist die Ausbildung zum Jäger, das Absolvieren des Jagdscheines, so aufwändig und umfangreich. Nicht ohne Grund wird der Jagdschein als „grünes Abitur“ bezeichnet. Auch Anna, die die angehenden Jägerinnen und Jäger im Schießen schult, kann das bestätigen. „Für den Jagdschein habe ich mehr gelernt als für mein schulisches Abitur“, erzählt sie augenzwinkernd. Die Ausbildung dauert etwa ein gutes halbes Jahr und beginnt im Kreis Olpe im September. Sie beinhaltet zwei wöchentliche Schulungsabende zu Theorie in verschiedenen Fächern, beispielsweise Wildtierkunde, Jagdhunde oder Tierkrankheiten. Ab Dezember kommen mehrere Schießtrainings und gegen Ende der Ausbildung Exkursionen in verschiedene Reviere hinzu. Wenige Wochen später erfolgen eine schriftliche und eine mündliche Abschlussprüfung zur Theorie. Außerdem gehört eine Schießprüfung mit drei Disziplinen zum Jagdschein. Nach erfolgreichem Bestehen ist man für drei Jahre Jungjäger, begleitet einen erfahrenen Jäger bei der Jagd und unterstützt ihn. Erst dann darf man eigene Reviere pachten und bejagen.

„Der letzte Bissen“ als Zeichen des Respekts

Anna erinnert sich noch gut an die Zeit als Jungjägerin. Sie war 18 Jahre alt, als sie die Ausbildung abschloss und kurz danach ihren ersten Rehbock im Römershagener Revier erlegte. „Ich war unzählige Male auf dem Hochsitz und habe das Tier beobachtet. Der Rehbock hatte nur noch eine Stange, er war durch ein Auto verletzt worden. Ich habe darauf gewartet, dass alles passt, zum Beispiel Entfernung und Ausrichtung des Tieres. Ich muss mit einem Schuss das Schulterblatt treffen, sodass das Tier nicht leidet. Anfang Mai war es so weit. Die Umstände waren perfekt und mit klopfendem Herzen erlegte ich ihn. Das ist mir nicht leichtgefallen. Ich habe großen Respekt vor den Tieren. Es ist wichtig, dass einem der Tod nicht egal ist. Um dem erlegten Tier Ehre zu erweisen, legen wir ihm einen Zweig, den ‚letzten Bissen‘ in den Äser (Maul vom Rehwild).“

Ohne Jagdhund geht es nicht

Unentbehrlich bei der Jagd sind die Jagdhunde. „Ohne meine 4-jährige Jagdhündin Jara, eine Olper Bracke, könnte ich kranke oder verletzte Tiere kaum finden. Da hat sie einfach ein weitaus besseres Näschen“, freut sich die Wendenerin über ihre Begleiterin. So kann es beispielsweise zu einem nächtlichen Einsatz kommen, bei dem die beiden nach einem Verkehrsunfall in kürzester Zeit das verletzte Tier finden und erlösen müssen. Doch damit die Jagdhunde so ein feines Näschen und vielseitige Jagdfähigkeiten entwickeln, brauchen die vierbeinigen Kameraden – wie ihre Frauchen und Herrchen auch – eine lange und aufwändige Ausbildung. Jagdhunde werden häufig nur an Jagdscheinbesitzerinnen und -besitzer verkauft. Diese sind dann auch für die Ausbildung zuständig, sodass aus den Vierbeinern kompetente Jagdbegleiter werden: Sie bringen ihnen beispielsweise bei, Tiere zu finden, Fährten zu lesen, oder bei der Jagd zu stöbern, ohne die Tiere zu vertreiben.

Mittlerweile wächst die Zahl junger Menschen, darunter immer mehr Frauen, die sich aus Gründen der Nachhaltigkeit oder Naturschutz für das Jagen interessieren und den Jagdschein machen. Anna Fischer ist nicht nur Jägerin und Jagdaufseherin, sondern auch Obfrau der Jungen Jäger im Kreis Olpe. In dieser Funktion kümmert sie sich um die Vermittlung von Jungjägern und erfahrenen Jägern, organisiert Schießveranstaltungen, Stammtische in den Hegeringen (Ortsverbände), gemeinsame Pflanzaktionen oder die Feier des „Jägersilvesters“ am 1. April (Ende des Jagdjahres).

Richtiges Verhalten in den Wäldern

Um den Tier- und Naturschutz durch die Jägerinnen und Jäger brauchen wir uns also keine (Nachwuchs-)Sorgen machen. Doch auch wir können und sollten etwas zum Erhalt von Flora und Fauna beitragen: Wenn wir als Waldbesucher auf den Wegen bleiben, nicht querfeldein fahren oder laufen und auch unsere Hunde auf den Pfaden lassen, können die Waldtiere sich zurückziehen und ungestört leben. In diesen schwierigen Zeiten, die geprägt sind von intensiver Landwirtschaft, Borkenkäferbefall und Trockenheit, braucht die Natur die Möglichkeit, wieder ungestört wachsen zu können, um den Tieren natürliche Versteckmöglichkeiten zu bieten.

Unser Sauerland benötigt für seine saftigen Wiesen, grünen Wälder und vielfältige Tierwelt das unermüdliche Engagement unserer Jägerinnen und Jäger – und eben unseren umsichtigen Umgang mit ihr.