Jäger, Gejagter und Michael Stappert

Quelle: Thomas Jostes

Drei Männer im Sauerland des 17. Jahrhunderts  

Drei Männer trafen sich im Juni 1617 in Warstein-Allagen. Drei Männer, wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten: ein Hexenkommissar, ein Bierbrauer und ein Pfarrer. Eine schicksalhafte Begegnung.

Der junge Michael Stappert hatte schon einigen Prozessen beigewohnt, bei denen Menschen der Hexerei angeklagt und zum Tode verurteilt worden war. Als Pfarrer kam er hinzu, um geistlichen Trost zuzusprechen. Bei diesen Gesprächen hörte er immer wieder, wie die Verurteilten zu ihren Geständnissen gebracht worden waren: durch suggestive Fragen und durch Folter.  

Noch gar nicht lange her war es, dass der aus Rüthen-Meiste stammende Stappert – auch Michael Stapirius genannt – sich als Pfarrer der Kirchengemeinde St. Christophorus Hirschberg für die Ausrottung der Hexen aussprach. Aber waren diese Menschen, die da vor ihm saßen, wirklich Hexen…? Es gab einige unter ihnen, die ausdrücklich darum baten, das, was sie ihm anvertrauten, nicht den Richtern mitzuteilen. Zu groß war die Angst vor weiteren Folterungen. Lieber wollten sie sterben…  

Quelle: Hexenhammer

Dieser neue Richter aus Köln, Dr. Heinrich Schultheiß, hatte in den letzten beiden Jahren schon so einige Prozesse geführt. Nun stand sein 13. Fall an: Steffen von Niederbergheim. Stappert kannte ihn. Die Niederbergheimer war ungefähr in seinem Alter. Eigentlich kannte ihn jeder in der Umgebung, denn mit dem Wasser aus der Wäster braute Steffen besonders gutes Bier. Aber dieser Bierbrauer, der da auf der Anklagebank saß, hatte doch mit Hexerei nun wirklich nichts im Sinn. Natürlich vernebelte zu viel seines Bieres einem schon mal den Kopf, aber das tat anderes Bier ebenso. 

Als Michael dem jungen Brauer die letzte Beichte abnahm, hört er fast das Gleiche, das er zuvor auch von den anderen Verurteilten erfahren hatte. Von denen in Kallenhardt, Hirschberg, Hellefeld und jetzt hier in Allagen. Die schon zuvor aufgekommenen Zweifel des Pfarrers verstärkten sich. Für Steffen konnte er nichts mehr tun, aber er wollte seinen Blick mal genauer auf das richten, was bei diesen Prozessen wirklich vor sich ging.  

Michael Stappert war bis 1821 in Hirschberg tätig, dann zog er nach Grevenstein. In den Jahren 1628/1629 war er bei Hexenprozessen in Anröchte, Balve, Calle und Hirschberg dabei. Dieses Mal führte er aber nicht nur Gespräche mit den Verurteilten und ihren Verwandten, sondern auch mit anderen Geistlichen, mit den Gefängniswärtern. Jetzt wollte er genau wissen, was wirklich bei den Hexenprozessen und den Folterungen geschah. Dazu nahm er auch den Hexenkommissar genauer unter die Lupe: 

Heinrich Schultheiß stammte aus ein reichen Großbauernfamilie aus Scharmede bei Salzkotten. Was hat ihn zu dem werden lassen, der er war? Seine Lehrer an der Jesuitenschule in Paderborn oder später die an den Universitäten in Köln und Würzburg, die keinen Zweifel an der Notwendigkeit der Hexenverfolgung ließen. Hatte ihn der Verfolgungseifer der Brüder Dietrich und Kaspar von Fürstenberg angesteckt? Der eine Bischof im Hochstift, der andere Landdrost im Herzogtum Westfalen. Oder war es die Tatsache, dass sein Vater, als Schöffe an einem Hexenprozess beteiligt – damals wurden zwölf Frauen verurteilt und hingerichtet – vom Sohn einer Verurteilten wegen Rechtsbeugung verklagt wurde? Was hatte Schultheiß zum unbarmherzigen Hexenkommissar werden lassen? Mischte sich da der Kampf gegen den Protestantismus und mit der Bekämpfung des „Hexenunwesens“?  

Um 1614 war Schultheiß nach Arnsberg gekommen, zunächst als kurfürstlicher Rat, dann als Vertreter des Fiskus bei Prozessen. Der Stormeder Bauernsohn kam bei seinen Vorgesetzten gut an und wurde später sogar in den Adelsstand erhoben. 1633, während des 30-jährigen Krieges musste er vor den protestantischen Truppen nach Köln fliehen, kehrte aber wieder nach Arnsberg zurück, war 1643 an den „Zaubereiprozessen“ in Werl beteiligt. Dr. Heinrich von Schultheiß starb 1646 in Arnsberg. 

Den Angeklagten Geständnisse abzuverlangen, gelang Schulte fast immer. Entweder durch Suggestivfragen – oder eben durch Folter. Da machte er auch vor dem damaligen Bürgermeister der Stadt Arnsberg – Henneke von Essen –  nicht halt. 

Quelle: Thomas Jostes
Das Pfarrheim in Grevenstein wurde Michael Stappert gewidmet

Die Erkenntnisse, die Michael Stappert erlangt hatte, führten zu einem vollständigen Sinneswandel. Er schrieb diese nieder und wandte sich fortan gegen das Unrecht, gegen gnadenlose Folterung und die Verurteilung Unschuldiger als Hexen, gegen deren Tod auf dem Scheiterhaufen. Seine Schrift wurde allerdings erst 1676 in dem Buch des Amsterdamer Kaufmanns Hermann Löher veröffentlicht.  

Michael Stappert, der von  1621 bis zu seinem Tod im Jahre 1663 in Grevenstein wirkte, hat sich neben seiner pastoralen Tätigkeit für die Verbesserung des Schulwesens engagiert.