Industriebrache Schwarzenstein

Quelle: Ulrich Biroth

Das riesige Areal bewegt sich zwischen Schandfleck und Zukunftsstandort.

Tropfende Katakomben, verlassene Werkshallen. Zwischen Stahlpfeilern und Steinmauern sprießt Grün hervor. Die Zeit scheint stillzustehen. Unbeeindruckt plätschert die Lenne um die verrottenden Gebäude. Hier liegen über 100 Jahre Industriegeschichte begraben. Lange ein hoffnungsloser Schandfleck. Doch seit letztem Jahr keimt Hoffnung.

Aufschwung der Münzproduktion

Die Geschichte des Areals reicht weit zurück. 1868 kauft die Gießerei-Fima Basse & Selve (B&S) das bestehende Eisenwerk am Schwarzenstein. Der folgende Aufschwung des Unternehmens hat auch politische Gründe. Im Jahr 1871 wird das Deutsche Kaiserreich gegründet. Das Münzwesen verändert sich grundlegend. Viele Münzen müssen her. B&S produziert Münzrohlinge aus Nichteisenmetallen, wie Nickel. Weiter wird Neusilberblech produziert, welches im Ersten Weltkrieg zur Herstellung von Munition verwendet wird.

Zu besten Zeiten arbeiten bis zu 3.500 Mitarbeiter in den Werkshallen. Das Unternehmen trifft über Jahrzehnte den wirtschaftlichen Zeitgeist.

Vom Monopol zur Bedeutungslosigkeit

Nach dem Ersten Weltkrieg wird B&S zur GmbH. Dann zur Aktiengesellschaft. Im Zuge der Inflation nach dem Zweiten Weltkrieg geht die Münzproduktion stark zurück. In den folgenden Jahren fusioniert das Unternehmen mit anderen Firmen. 1930 werden aus B&S die Vereinigten Deutschen Metallwerke (VDM) – über Jahrzehnte das größte Unternehmen der Nichteisenmetall-Verarbeitung. Der Schwarzenstein wird zur Zweigniederlassung. Mit den Jahren verliert er an Bedeutung. 1980 wird das Werk endgültig geschlossen.

Quelle: Kreisarchiv des Märkischen Kreises

Mord und Brandstiftung

In den folgenden 44 Jahren vermeldet die zeitgeschichtliche Ruine kaum positive Nachrichten. 2011 verbrennt ein 25-jähriger Mann seinen Vater Chafic Itani (65) in einer Werkshalle. In einem Ofen wird ein verkohlter Leichnam entdeckt. Zuvor hatte er ihm bereits das Leben genommen. Ein tragischer Familienstreit.

Im März 2022 kommt es zum Großbrand auf Teilen des Geländes. Eine junge Frau und zwei jugendliche Mädchen müssen sich vor Gericht wegen fahrlässiger Brandstiftung verantworten. Knapp 1.000 Quadratmeter stehen in Flammen – ein undefinierbarer Schaden. In den folgenden Wochen flammt das Feuer immer wieder auf. Bürger berichten von einem beißenden Gestank. Die Frage nach Altlasten im Boden der Ruinen kommt auf.

Lebensgefährlicher Lost-Place

Mit den Jahren versinkt der Schwarzenstein immer mehr in negativen Schlagzeilen. Die Hemmschwelle für mögliche Investoren wird immer größer. Gleichzeitig verrottet das Areal immer weiter. Lost-Place-Besucher streifen über das Gelände. Hallen und Gebäude sind akut einsturzgefährdet. Die Stadt Altena investiert viel Geld in Absperrungen. Das Betreten des gesamten Areals steht unter Strafe. Es besteht Lebensgefahr.

2018 kauft die Stadt das gesamte Gelände für einen Euro. Die Zukunft des Schwarzensteins liegt in ihren Händen. Das größte Problem ist die fehlende wirtschaftliche Perspektive.

Suche nach Perspektive

2021 gibt es einen Lichtblick. Im Zuge des „Summer of Pioneers“ beschäftigen sich 15 Kreativ- und Digitalarbeiter aus ganz Deutschland mit der Stadt Altena und ihrer Industriebrache. Einen Sommer lang suchen sie unter anderem nach Ideen zur Wiederbelebung des Schwarzensteins.

Im selben Jahr werden Ideenworkshops mit Studierenden aus Siegen und Köln organisiert. Auch Bürger der Stadt bringen sich ein. Die Bedingungen sind einfach: Es muss zu Altena passen. Es soll in Richtung Freizeitgestaltung gehen.

Gastronomie und Industrieromantik

Die Projekte bringen kreative Ideen: Naherholungsfläche an der Lenne. Ein „echter Lennestrand“. Radwege, Gastronomie. Ein Ort der Begegnung und Kultur. Fest steht: Der Ort soll pulsieren und leben. Auf der anderen Seite bieten die 3,5 Hektar genügend Wohn- und Gewerbefläche, Platz für Verwaltungsgebäude.

Die alte Werksbrücke soll bestehen bleiben. Diese könnte unter Denkmalschutz gestellt, mit Licht- und Toneffekten ausgestattet werden. Eine würdige Erinnerung an das ehemalige Industrie-Herz von Südwestfalen.

Grundlagenarbeit im Verborgenen

Im Januar 2023 schloss die Stadt Altena mit der städtebaulichen Entwicklungsgesellschaft NRW.Urban einen Rahmenvertrag über zwei Jahre: Im Rahmen des Programms „Bau.Land.Partner+“ sollen konkrete Pläne zur Wiederbelebung des Schwarzensteins erarbeitet werden. Klaus-Dieter Büttner, Vertreter des Programms, nennt das Projekt ein „Rundum-Sorglos-Paket“ für die Stadt. 90 Prozent der anfallenden Kosten würden übernommen.

Anderthalb Jahre sind vergangen. Andreas Kisker, Bauabteilungsleiter der Stadt Altena, spricht von „Grundlagenarbeit, Aktivitäten im nicht sichtbaren Bereich.“ Es laufen Gutachten im Verborgenen: Artenschutzrechtliche Vorprüfungen. Die Ruinen sind zur Brutstation für Vögel geworden. Weiter geht es um Altlasten, die die Böden und das Grundwasser verunreinigen. Alle Aspekte müssen präzise und getrennt voneinander betrachtet werden. Deren Auswertung und Umsetzung in konkrete Pläne nehme viel Zeit in Anspruch.

Hoffnung für den Schwarzenstein

Fest steht: Bei der Flächenentwicklung muss etwas Nutzbares herauskommen: Dienstleistung, Wohnen, Gastronomie. Doch bis es tatsächlich zu Baumaßnahmen kommt, kann noch viel Zeit vergehen. Die Politik appelliert an die Geduld der Bürger.

Doch es gibt Hoffnung. Eine romantische Vision für die historisch anmutenden Gebäude: „Wer wollte da nicht wohnen? So etwas Schönes wie hier habe ich lange nicht gesehen. Ehrlich“, bringt es Klaus-Dieter Büttner auf den Punkt. Der Schwarzenstein bewegt sich zwischen Schandfleck und Zukunftsstandort. Seine Geschichte bleibt so spannend, wie unvorhersehbar.