„Industrie und Handel eine hörbare Stimme verleihen“

Andreas Knappstein ist erster IHK-Präsident aus Schmallenberg

Seit November 2023 ist Andreas Knappstein der neue Präsident der Industrie- und Handelskammer Arnsberg, Hellweg-Sauerland. Er ist der erste IHK-Präsident aus Schmallenberg. Knappstein führt mit weiteren Familienmitgliedern in dritter Generation das Unternehmen Möbel Knappstein in Schmallenberg, Meschede und an drei weiteren Standorten.

WOLL: Die IHK Arnsberg, Hellweg-Sauerland ist für den Hochsauerlandkreis sowie den Kreis Soest mit insgesamt 26 Städten und Gemeinden und einer Fläche von 3.289 Quadratmetern aktiv. Wie ist die IHK entstanden und was ist ihre Aufgabe?
Andreas Knappstein:
Die IHK Arnsberg wurde 1851 gegründet. Die heutige Konstellation ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. In der Region Hellweg-Sauerland ergänzen sich die beiden Kreise sehr gut: Was der eine Kreis mehr an Bergen und Tourismus bietet, hat der andere mehr an fruchtbarem Boden. Beide verfügen über eine gute und ausgeglichene Wirtschaftsstruktur, in der die Industrie einen hohen Stellenwert einnimmt. Sie stellt die meisten Arbeitsplätze und ist damit eine wichtige Säule für Wirtschaftskraft und Wohlstand. Und das Schöne ist: Am Hellweg und im Sauerland wird gearbeitet, wo andere Urlaub machen. Das heißt: Kommt ins Grüne, in eine relativ ländliche Struktur, um gemeinsam eine prosperierende Wirtschaft zu gestalten! Mit Blick auf Südwestfalen darf nicht vergessen werden, dass die IHK Arnsberg gemeinsam mit den IHKs in Hagen und Siegen an einem Strang zieht: Für ein Südwestfalen mit attraktiven und starken Unternehmen.

WOLL: Welche Bedeutung hat der Handel bei der IHK Arnsberg?
Andreas Knappstein:
Wenn die Vollversammlung der IHK Arnsberg einen Einzelhändler zum Präsidenten wählt, zeigt das nicht nur, dass der Handel eine wichtige Rolle in der Region spielt. Es zeigt vielmehr, dass der Handel in der Gemeinschaft mit Unternehmen aus dem Dienstleistungs bereich, wie zum Beispiel Betriebe aus dem Gastgewerbe, dafür sorgt, dass die Region attraktiv für Menschen ist, die hier leben und arbeiten: Dazu gehören lebendige Innenstädte ebenso wie abwechslungsreiche Freizeitangebote. Davon profitieren am Ende alle. Bei der Gründung der IHK 1851 waren Handel und Handwerk wohl die wichtigsten Gewerbe des Sauerlandes. In der Schmallenberger Region mit ihrer durchweg ländlichen Struktur entstand durch die Heimarbeit einer Sophie Stecker zum Beispiel eine ganze Industrie. Wir kennen die Firma Falke. Früher gab es die Firma Stern, eine Familie, die eine prosperierende Industrie aufgebaut hat. Schmallenberg war eine Wiege der Textilindustrie, die dann zum Beispiel ins Bergische Land gezogen ist. In der Nachkriegszeit war Schmallenberg eine goldene Stadt. In Schmallenberg arbeiteten mehr Menschen als in der Kernstadt wohnten.

WOLL: Sie wurden am 24. November letzten Jahres zum ehrenamtlichen IHK-Präsidenten gewählt und sind damit der erste Präsident aus Schmallenberg. Warum machen Sie das?
Andreas Knappstein:
Ich bin tatsächlich der erste IHK-Präsident aus Schmallenberg. Ich bin seit vielen Jahre Mitglied im IHK-Handelsausschuss und hatte seit 2018 den Vorsitz inne. Seit acht Jahren bin ich Mitglied der Vollversammlung und war sechs Jahre lang IHK-Vizepräsident. Daher bin ich schon ein wenig an die Aufgaben, die das Präsidenten-Amt mit sich bringt, gewöhnt. Der Grund für mein ehrenamtliches Engagement liegt in der Überzeugung, sich für etwas Wichtiges einzusetzen.

WOLL: Welche wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen bestimmen derzeit Industrie und Handel?
Andreas Knappstein:
Die Wirtschaft – und zwar alle Branchen – muss aktuell mit sehr vielen Herausforderungen fertig werden. Eines der größten Probleme ist sicherlich der Fachkräftemangel. Um freie Stellen besetzen zu können, werden wir auch auf Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen sein. Dabei müssen wir es schaffen, diese Menschen möglichst schnell in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse zu bringen. Das ist auch ein wichtiger Baustein zur Integration in die Gesellschaft insgesamt. Eine weitere immense Herausforderung ist die stabile Versorgung mit bezahlbarer Energie. Zu hohe Kosten bedrohen nicht zuletzt unzählige Arbeitsplätze und damit den Wohlstand aller. Außerdem müssen Unternehmen von den überbordenden Dokumentationspflichten entlastet werden. Zum Beispiel sorgen das deutsche und voraussichtlich auch das europäische Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) für einen enormen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Dabei möchte ich betonen, dass ein verantwortungsvolles und nachhaltiges Denken und Handeln quasi in der DNA, insbesondere unserer Familienunternehmen, verankert sind. Damit sind aus meiner Sicht die LkSG-Dokumentationspflichten völlig unverhältnismäßig.

WOLL: Wie zu lesen war, wollen Sie als IHK-Präsident den Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistung eine hörbare Stimme geben. Wie sind Ihre ersten Erfahrungen? Finden Sie, dass etwas verbessert werden muss? Wie denken Sie zum Beispiel über die Bauernproteste, bei denen in verschiedenen Regionen auch Handwerks- und Transportunternehmen teilgenommen haben?
Andreas Knappstein:
Meine ersten Monate als IHK-Präsident sind geprägt von wertvollen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Politik, aus Verwaltungen und mit Unternehmerinnen und Unternehmern. Dieser Austausch ist wichtig, um den Belangen der Wirtschaft eine Stimme geben zu können. Darauf werde ich weiterhin setzen. Wenn Sie mich nach den Protesten der Bauern fragen, so zeugen diese meiner Meinung nach von einer großen Unzufriedenheit. Es ist völlig legitim, seine Meinung zu äußern und zu protestieren. Wichtig sollte aber immer sein – und das meine ich grundsätzlich und nicht nur mit Blick auf die Bauernproteste –, dass Wert auf den Dialog gelegt wird. Das setzt Verständnis und Empathie auf allen Seiten voraus und die Bereitschaft, sich gegenseitig zuzuhören und gemeinsam Lösungen zu finden. Ich sage immer: Man kann miteinander diskutieren, auch mal hart in der Sache, aber immer konstruktiv. Und gerne auch mit ein bisschen Humor.

WOLL: Wie betrachten Sie die Energieversorgung im Kreis Soest und im HSK? Welche Rolle spielen Windindustrieanlagen auf den Bergen und in den Wäldern des Sauerlandes?
Andreas Knappstein:
Zunächst einmal möchte ich unterstreichen, dass Deutschland eine Industrienation mit hoher Exportquote ist. An dieser Stelle betone ich gerne noch einmal: Wir brauchen bezahlbare Energie, damit Unternehmen wettbewerbsfähig und der Standort sicher bleiben. Die Politik hat den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen, also muss es jetzt darum gehen, die Energiewende so zu gestalten, dass die Energieversorgung gesichert ist. In der Tourismusregion Sauerland ist das Thema Windenergie verständlicherweise ein hochemotionales, weil Veränderungen des Landschaftsbildes befürchtet werden. Aber fest steht auch: Ohne Windenergie wird es nicht gehen.

WOLL: Wird es diese Vereinbarkeit geben?
Andreas Knappstein:
Ich hoffe auf Augenmaß und denke, dass eine Vereinbarkeit von Energiegewinnung und touristischen Belangen möglich ist. Eine sogenannte „Verspargelung“ der Landschaft, in der hier und dort einzelne Windenergieanlagen errichtet werden, darf es nicht geben. Die Bezirksregierung Arnsberg hat das Windenergiekonzept für Südwestfalen erarbeitet und eine erste Kulisse der Windenergiebereiche veröffentlicht. Das ist ein richtiger Weg.

WOLL: Wie werden die Gäste auf die Windenergieanlagen im Sauerland reagieren?
Andreas Knappstein:
Das Leben besteht eben aus Kompromissen. Ich habe kein Patentrezept. Aber ich finde, wir müssen für neue, zukunftsweisende Instrumente offen sein, mit denen der Energieverbrauch zum Teil selbst herzustellen ist. Wir reden nicht nur über Windkraft, sondern auch über Photovoltaik. Ein Beispiel: Wenn ich oberhalb von Oberkirchen spazieren gehe, schaue ich auf den Ort mit seinen schönen, schwarz-weißen Fachwerkhäusern. Komme ich näher, erkenne ich dort sehr viele Photovoltaik-Anlagen. Das finde ich, ist ein zukunftweisendes Signal. Dort wird Energie selbst hergestellt. Fossile Energie allein wird dauerhaft nicht die Lösung sein.

WOLL: Wir haben über Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland gesprochen. Haben Sie den Eindruck, dass die deutsche Industrie und der Handel auch im Kreis Soest und im HSK mit der Konkurrenz aus Drittländern und EU-Ländern mithalten können?
Andreas Knappstein:
Ich bin ein Fan der Innovationskraft der heimischen Unternehmen. Die Anzahl der in Südwestfalen ansässigen Hidden Champions, also Weltmarktführer, zeigt deutlich, dass unsere Wirtschaft, häufig sind es Familienunternehmen, nicht nur wettbewerbsfähig ist, sondern oft auch Vorreiter. Das Potenzial in unserer Region ist also hervorragend. Allerdings werden die Rahmenbedingungen für Unternehmen immer schwieriger – wir haben einige davon ja bereits angesprochen. Wenn Deutschland als Standort unattraktiv wird, sehe ich die Gefahr, dass Standorte und Produktionsstätten ins Ausland verlagert werden. Schlimmstenfalls erleben wir eine Deindustrialisierung. Es ist Aufgabe der Politik, das zu verhindern. Unternehmen sollten nicht immer mehr in ihrem Handeln eingeschränkt werden. Wirtschaft braucht Freiraum, um innovativ und erfolgreich zu sein. Unternehmerinnen und Unternehmer brauchen eine verlässliche Perspektive. Als exportstarke Industrienation brauchen wir entsprechende Rahmenbedingungen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Nase vorn zu haben.

WOLL: Herr Knappstein, wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen immer eine glückliche Hand und die passenden Worte für Ihre Arbeit als Präsident der Industrie- und Handelskammer Arnsberg – Hellweg- Sauerland.