„In Meschede fühle ich mich gut aufgenommen.“

Foto: S. Droste

Ein Interview mit der Syrerin Huda Adawan 

2015/2016 kamen über eine Million Flüchtlinge, Migranten und andere Schutzsuchende nach Deutschland. Für die sogenannte „Flüchtlingskrise“ wurde maßgeblich der Bürgerkrieg in Syrien verantwortlich gemacht: Von den ca. 21 Millionen Einwohnern (Stand 2010) sind insgesamt ca. 50 % geflohen, fünf Millionen ganz aus dem Land und schätzungsweise über sechs Millionen innerhalb Syriens. Die nackten Zahlen können das Leid, das Elend und die vielen zerstörten Lebensvorstellungen nur ansatzweise andeuten. 

In Meschede leben neben türkisch- und portugiesischstämmigen Einwohnern als drittgrößte Gruppe Syrer (315, Stand 2018). Eine von ihnen ist Huda Adawan, die als 16-Jährige 2015 mit ihren Eltern und Geschwistern nach Deutschland kam. Die Vorgeschichte berichtet Huda sachlich, emotionsfrei und gefasst. Die Hintergründe sind nur mit Mühe vorstellbar: 

„Meine Familie kommt aus Darʿā, einer größeren Stadt im Südwesten Syriens. Als unser Stadtviertel bombardiert wurde, zogen wir zunächst in einen anderen Stadtteil. Dort lebten wir zwei Jahre, teilweise ohne Strom und Wasserversorgung, bis wir uns auf die Flucht machten: über den Libanon in die Türkei nach Griechenland und schließlich nach Deutschland. Unsere Transportmittel waren das Auto, das Schlauchboot, das Flugzeug, Bahn und Busse sowie unsere Füße. 2015 kamen wir in München an und wurden über Dortmund nach Meschede geleitet, in eine eigene kleine Wohnung. Von da ab beginnt unser neues Leben.“ 

Unser neues Leben 

Zum Beweis wechselt Huda Adawans ernster Gesichtsausdruck in ein fröhliches Lächeln, und sie spricht gestenreich, engagiert und lebendig: 

„Ich wurde direkt in einen Sprachkurs der Diakonie vermittelt und lernte meine ersten deutschen Wörter von liebevollen, zugewandten und motovierenden Lehrerinnen. Von da aus ging es weiter in einen Integrationskurs am Städtischen Gymnasium Meschede. Dort traf ich auf die Schulsozialarbeiterin Maria Kitsaki, die mich bis heute begleitet und für mein Leben unverzichtbar geworden ist. Ich erinnere mich genau, wie wir in der Mensa saßen und Frau Kitsaki den Teilnehmern des Integrationskurses das Tagesgericht vorstellte: Niemand kannte das deutsche Gericht, Frau Kitsaki versuchte es in allen ihr zur Verfügung stehenden Sprachen. Kein Erfolg. Plötzlich flatterte sie mit ihren Armen und stieß dabei ein sehr lautes „Kikeriki“ aus. Offensichtlich ist dieser Laut global und universal verständlich. Den dazugehörigen Reis konnten wir alle visuell identifizieren.  

Vom Gymnasium habe ich dann zum Sauerland-Kolleg gewechselt und hoffe, noch in diesem Jahr, mein Abitur dort abzulegen. Anschließend möchte ich irgendetwas mit Chemie oder vielleicht auch Architektur machen.“ 

Wichtig sind die Menschen 

WOLL: Können Sie uns Unterschiede im Alltagsleben zwischen Syrien und Deutschland benennen? 

„Natürlich gibt es Unterschiede, zum Beispiel, dass es in Syrien nicht üblich ist, zur Begrüßung allen die Hand zu geben; aber daran gewöhnt man sich schnell. Wichtig sind für mich die Menschen, die mir hier in Meschede freundlich, herzlich und unvoreingenommen entgegengekommen sind. Das Frauencafè der Malteser unter der Leitung von Elke Milosevic, ist sicherlich auch eine Einrichtung, die es so in meiner alten Heimat nicht gibt, die aber für mich außerordentlich wichtig geworden ist. Ich fühle mich in Meschede ausgesprochen wohl. Unter Gleichaltrigen bemerke ich hier überwiegend Akzeptanz, Toleranz und Interesse. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die älteren Mitbürger uns gegenüber zurückhaltender sind, aber ein freundliches Lächeln oder ein höfliches Hilfsangebot, z. B. eine schwere Einkaufstasche zu tragen, führt schnell zum Abbau eventueller Vorbehalte. Ich denke, dass es oft nur Unsicherheit ist, wenn Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund sich meiden. Da hilft nur eins: Aufeinander zugehen und feststellen, dass wir eigentlich alle dasselbe wollen: Ein friedliches und harmonisches Miteinander. Genau das funktioniert in Meschede, und dafür bin ich sehr dankbar.“ 

Huda Adawan, geb. 1999 in Darʿā (Syrien), lebt mit ihren Eltern und Geschwistern seit 2015 in Meschede. Sie ist Abiturientin am Sauerland-Kolleg und fühlt sich wohl und angenommen in Meschede