In luftigen Höhen

Jonas Ramspott aus Ostwig arbeitete vier Monate auf der Talbrücke Nuttlar

Text: Anne von Heydebrand

Fotos: privat

115 Meter. Für mich eine Höhe, die mir schwitzige Hände, einen rasenden Puls und furchtbare Übelkeit verursacht. Wenn ich bald zum ersten Mal über die Talbrücke Nuttlar fahre, halte ich vermutlich für einen Moment den Atem an und konzentriere mich voll auf die Fahrbahn vor mir. Bloß nicht nach unten schauen. – Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es gewesen sein muss, beim Bau dieses monumentalen Bauwerks dabei gewesen zu sein. Einer der es wissen muss ist Jonas Ramspott aus Ostwig. Der damals 22-Jährige hat während seines Studiums im Jahr 2013 den Bau der Brücke begleitet und erinnert sich noch genau an die Zeit in schwindelerregender Höhe.

„Für mich war die Höhe kein großes Problem“, erzählt Jonas Ramspott. Für mich nicht nachvollziehbar, aber der heute 28-Jährige wusste damals genau, worauf er sich da eingelassen hat. 2013, als der Bau der Talbrücke Nuttlar im vollen Gange war, studierte Ramspott Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule in Detmold. Er war auf der Suche nach einem Praktikumsplatz für sein Praxissemester und sein Wunscharbeitsplatz lag zum Greifen nah. „Ich komme aus Ostwig und hatte die Brücke quasi vor Augen. Für mich war schnell klar, dass ich dort mein Praktikum absolvieren will. Warum sollte ich mich irgendwo in Deutschland bewerben, wenn man so eine Baustelle direkt vor der Tür hat?“ Eine naheliegende Frage – Jonas Ramspott bewarb sich um einen Praktikumsplatz bei der Firmengruppe Max Bögl aus Bayern, die damals für den Bau der Brücke verantwortlich war. Er wurde tatsächlich genommen und in den folgenden Monaten war der Student live vor Ort, als der Brückenhohlkasten gefertigt und über das Tal hinausgeschoben wurde.

Mit Händen und Füßen kommuniziert

Er schwärmt noch heute von dem Arbeitsklima auf der Baustelle, wo er im Laufe der Zeit immer mehr Verantwortung übernehmen durfte. „Ich habe unseren Projektleiter, den Bauleiter und die Poliere so gut es geht vor Ort unterstützt und unter anderem bei der Baustellenkoordination mit den vielen unterschiedlichen Firmen mitgewirkt. Ich war Ansprechpartner für die unterschiedlichen Kolonnen und habe dafür gesorgt, dass Tätigkeiten termingerecht erledigt wurden“, beschreibt Jonas Ramspott seinen Aufgabenbereich, der auch seine Tücken hatte, denn die Verständigung war nicht immer ganz einfach. Auf so einer großen Baustelle, kommen die meisten Kolonnen aus dem Ausland. Deutsch sprechen dort die wenigsten, aber für den damals 22-Jährigen war das kein Problem. „Der Vorarbeiter der Arbeiter konnte Englisch und hat die Anweisungen an seine Kollegen weitergegeben. Und wenn wir doch nicht weiterkamen, haben wir uns halt mit Händen und Füßen verständigt“, erinnert sich Ramspott schmunzelnd.  

Trotz Wind und Wetter immer konzentriert

Obwohl für den damaligen Studenten die Höhe an sich kein Problem darstellte, bekam er doch hin und wieder weiche Knie. „Während der Bauphase waren die Pfeilerköpfe nur über freistehende Gerüsttreppentürme zu erreichen. Für die Vorbereitung und Durchführung des Brückenvorschubs mussten wir dort zu Fuß hoch und wieder runter. Das war bei starkem Wind natürlich schon sehr wackelig“, sagt Jonas Ramspott heute. Er zieht daher den Hut vor den Arbeitern, die so einen Verschub gesteuert haben: „Da saßen dann vier bis fünf Arbeiter auf dem Brückenpfeiler. Auch bei Wind und Regen. Sie mussten dann stundenlang dort ausharren und den Verschub überwachen.“ Umso ausgelassener wurde so ein harter Arbeitstag mit den Kollegen im Anschluss gefeiert. Es wurde zusammen auf der Baustelle gegrillt und angestoßen. Ein echter Zusammenhalt eben.   

Einen kleinen Teil zum Bauwerk beigetragen

Jonas Ramspott lebt heute in Düsseldorf und arbeitet auf Auftraggeberseite. Trotzdem profitiert er von der Arbeit an der Talbrücke Nuttlar, da er dort wertvolle Erkenntnisse zu Bauabläufen gewonnen hat. Mittlerweile ist er für einen Investor im Bereich Gewerbe- und Logistikimmobilien tätig. Dadurch hat er heute eine ganz andere Sicht auf das Bauwerk. „Bei mir dreht sich heute insbesondere bei einer Grundstücksprüfung vieles um Güter- und Verkehrsbewegungen und um die vorhandene Infrastruktur. Ich kann jetzt nachvollziehen, welchen Wert eine gute Infrastruktur aus kommunaler und regionaler Sicht hat“, sagt der 28-Jährige, der dem Sauerland nie ganz den Rücken gekehrt hat. Er freut sich, dass er einen kleinen Teil dazu beigetragen hat. „Das ist aber weniger Stolz, sondern mehr Freude, dass man bei einem bedeutsamen Bauwerk vor der Haustür mitwirken konnte und so einen direkten Bezug dazu hat.“

Randzitat:

Auf der Baustelle gab es einen echten Zusammenhalt

Sprechblase

„Es ist weniger Stolz, sondern mehr Freude, dass man bei einem bedeutsamen Bauwerk vor der Haustür mitwirken konnte.“

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115 Meter. Für mich eine Höhe, die mir schwitzige Hände, einen rasenden Puls und furchtbare Übelkeit verursacht. Wenn ich bald zum ersten Mal über die Talbrücke Nuttlar fahre, halte ich vermutlich für einen Moment den Atem an und konzentriere mich voll auf die Fahrbahn vor mir. Bloß nicht nach unten schauen. – Ich will mir gar nicht ausmalen, wie es gewesen sein muss, beim Bau dieses monumentalen Bauwerks dabei gewesen zu sein.
In luftigen Höhen Jonas Ramspott aus Ostwig arbeitete vier Monate auf der Talbrücke Nuttlar