„Im Sauerland ist nichts unmöglich!“

„So viele nette Menschen habe ich hier getroffen und viele Freunde gefunden. Wenn man an sich selbst glaubt, ist hier nichts unmöglich. Führt der eine Weg nicht zum Ziel, dann muss man einen anderen nehmen“, sagt Dr. Balamurugan Nagalingam und lächelt freundlich.

Der 56-Jährige arbeitet als Hausarzt im MVZ in Marsberg-Westheim. Er ist ein Arzt, zu dem man Vertrauen aufbaut, dessen menschliche Art und dessen Einfühlungsvermögen die Patienten schätzen. Für deutsche Zungen ist sein Name nicht ganz einfach, aber Freunde dürfen ihn Bala nennen.

Gebürtig stammt er aus Sri Lanka und lebte dort mit seinen Eltern und vier Geschwistern in einem kleinen Dorf am Indischen Ozean. Dann brach der Bürgerkrieg aus und die politische Verfolgung der Tamilen, denen auch Bala angehört, begann. Ein normales Leben war für ihn nicht mehr möglich. Er konnte vor Angst nicht mehr in Ruhe schlafen. Entweder schloss man sich dem Widerstand an oder wurde Teil der großen Fluchtwelle. Ohne Geld war das jedoch jahrelang unmöglich für Bala. Auch wollte er sich von seinen Freunden und seiner Familie nicht trennen. Seine Mutter schaffte es aber schließlich, Geld für die Flucht aufzutreiben.

Der schmächtige, kleine Junge, der gerade 18 Jahre alt war, wagte im Mai 1985 den großen Schritt. Plötzlich saß er im Flieger und es ging von Sri Lanka nach Ost-Berlin. An der innerdeutschen Grenze wurden alle durchsucht und die Polizei begleitete den Zug.

„Ich konnte es gar nicht fassen, in Deutschland zu sein und hatte große Angst davor, zurückgeschickt zu werden.“

Untergekommen war er zunächst bei netten Menschen in Marsberg-Essentho. Damals sprach er kein Wort Deutsch, war aber sehr talentiert und wissbegierig. Dank hilfsbereiter Menschen, die ihn immer wieder unterstützten, Kursen bei der VHS und selbst mit dem Duden lernend, machte er schnell Fortschritte.

Die Angst, wieder abgeschoben zu werden, blieb groß. (Tatsächlich dauerte es acht Jahre, bis er anerkannt wurde und freudestrahlend seinen blauen Flüchtlingspass in Empfang nehmen konnte, für den er nach erster Ablehnung sogar anwaltlich kämpfte.) Zwei Jahre war es verboten zu arbeiten oder ein Studium aufzunehmen. Damit wollte er sich nicht abfinden und bemühte sich um eine berufliche Perspektive: 

„Ich will jetzt zur Schule, ich will lernen!“

Schließlich hatte man ein Einsehen und er durfte Gastschüler im Berufsgrundschuljahr „Holz“ werden. Sogar eine Lehre konnte er im Anschluss machen und seine Prüfung zum Tischler erfolgreich ablegen.

Nebenher meldete er sich als ehrenamtlicher Helfer zum Roten Kreuz, wie schon in Sri Lanka. „Ich hatte die Hoffnung, vielleicht Krankenwagenfahrer oder Rettungssanitäter werden zu können“, sagt Bala, dessen Gedanken an einen Beruf in Richtung Medizin schon in früher Jugend verwurzelt waren. Er beschloss, weiter zu lernen und arbeitete dazu in der Industrie, um nach Feierabend in der Abendschule sein Abitur nachholen zu können.

Quelle: privat

„Kann man denn auch Medizin studieren?“

Es wurde eine harte Zeit, aber nach drei Jahren hatte er sein Abitur in der Tasche und konnte dank Bafög sein Medizinstudium in Gießen beginnen. „Ob in der Klinik, im Labor oder im Pflegeheim“, so Bala,“ich habe immer nebenher gearbeitet. Die erste Zeit war knallhart und ich musste wirklich viel pauken. Dank geringster Ansprüche konnte ich sehr bescheiden leben.“ Energie, Zuversicht, eisernen Willen, Durchhaltevermögen, gute Disziplin und kaum Partys nennt er mir als Gründe, dass er es schaffen konnte.

„Als ich meine ersten Prüfungen bestanden hatte, war ich voller Zuversicht und habe mir erstmal selbst auf die Schulter geklopft“, gesteht er. „Nebenher habe ich dann als OP-Assistent gearbeitet und traf wieder auf tolle Menschen, wie so oft! Der Professor hat mich sogar als seinen Musterstudenten bezeichnet. 2010 habe ich mein Studium mit meiner Doktorarbeit erfolgreich abgeschlossen.“

Nach Stationen, die ihn unter anderem an die Uni-Herzchirurgie in Düsseldorf führten, entschied er sich für eine Hausarztstelle in Westheim. „Ich bin hier auf ein tolles Praxisteam gestoßen, das mich tagtäglich bei der Arbeit unterstützt“, schwärmt er. „Man ist hier sehr flexibel, erlebt viel und hat direkten Kontakt zu den Menschen. Es macht Freude, so zu arbeiten und auch die Dankbarkeit der Patienten zu erfahren. Das Menschliche ist so wichtig!“

Dass ihm auch die Menschen in Sri Lanka eine echte Herzensangelegenheit sind, erklärt der zweifache Familienvater gern: „In meinem Heimatdorf sah ich bei einem Besuch eine ziemlich heruntergekommene Schule. Ich beschloss zu helfen, kaufte für einen kleinen Betrag ein angrenzendes Grundstück und ließ ein einfaches Haus darauf bauen. Rund 20 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren werden dort vormittags kostenlos betreut, erhalten Kleidung und Essen.“

„Nachmittags kommen rund 60 Kinder der Grundschule, die bei uns Förderunterricht erhalten. So wurde der Verein „Hilfe für Sri Lanka eV“ gegründet (IBAN DE54 4006 9266 6010 6860 00)“, berichtet Dr. Nagalingam. „Ich kümmere mich persönlich darum, dass jeder gespendete Cent dort ankommt und jungen Menschen die Chance auf ein besseres Leben gibt.“