Landrat Theo Melcher Im Gespräch mit dem WOLL-Magazin
Der Kreis Olpe ist der südwestlichste Teil des Sauerlandes mit zirka 135.000 Menschen auf 712 Quadratkilometern. An den Einwohnerzahlen gemessen ist der Kreis Olpe der kleinste Kreis in Nordrhein- Westfalen. „Aber fragen Sie nicht nach der Größe, sondern danach, was uns als Kreis auszeichnet“, sagt der Olper Landrat Theo Melcher.
Nach dem Jurastudium in Bonn trat Theo Melcher 1990 als Justitiar in den Dienst des Kreises Olpe. 1991 wurde er dort zum Leiter des Umweltamtes und 1997 zum Kreisdirektor befördert. Bei der Kommunalwahl 2020 trat der verheiratete Vater von drei Kindern erstmals als Landratskandidat an und wurde mit 65,5 Prozent der Wählerstimmen zum Landrat des Kreises Olpe gewählt. Das WOLL-Magazin hat mit dem Landrat über den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Kreis mit seinen sieben Städten und Gemeinden, die wirtschaftliche Entwicklung sowie die touristischen Möglichkeiten gesprochen.
Bodenständige Menschen
WOLL: Wie beschreiben Sie den Kreis Olpe?
Landrat Theo Melcher: Wir haben eine landschaftlich sehr reizvolle Heimat mit vielen schönen Bergen, Tälern und Gewässern. Hier leben bodenständige Menschen. Unser Reichtum sind die vielen mittelständischen Unternehmen mit hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an ihrer Seite, die eine hohe Bindung an zumeist familiengeführte Unternehmen pflegen. Bodenständig heißt, dass die Menschen hier im Kreis Olpe fest in ihrer Heimat verwurzelt sind. Sie sind durchaus kritisch, aber konstruktiv kritisch, und halten an den bewährten Traditionen fest, ohne sie anzubeten. Man sieht das Gute und möchte es für die kommenden Generationen bewahren.
WOLL: Die Kreise im Sauerland sind erst durch die kommunale Neugliederung entstanden. Wie war das im Kreis Olpe und wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Kommunen?
Landrat Theo Melcher: Sie sprechen die kommunale Neugliederung an. Der Kreis Olpe hat seit seiner Gründung keine kommunale Neugliederung dergestalt erfahren, dass er sich umbenennen musste. Er ist nicht aufgeteilt worden. Ich selbst bin im Kreis Meschede geboren und wohne jetzt im Kreis Olpe, bin aber nicht umgezogen: Ich lebe in Fretter. Dieser Ort gehörte 1960, als ich geboren wurde, zum Kreis Meschede. 1969 ist Fretter zum Kreis Olpe gekommen. Es stimmt: Wir haben nur sieben Städte und Gemeinden. Das liegt daran, dass wir mit 135.000 Einwohnern relativ klein sind. Die Größe der Städte und Gemeinden ist überschaubar. Bei uns ist Lennestadt mit mehr als 25.000 Einwohnern die größte Stadt. Die kleinste Kommune ist die Gemeinde Kirchhundem mit knapp 11.500 Einwohnern. Das heißt, sie sind ähnlich, ohne gleich zu sein. Wir kennen uns, wir schätzen uns und wir arbeiten gut zusammen.
WOLL: Der Kreis Olpe war in der vorindustriellen Zeit ein wirtschaftliches Zentrum Westfalens. Wie ist das jetzt?
Landrat Theo Melcher: Der Kreis Olpe ist noch immer industriell geprägt. Wir sind sogar der am stärksten industriell geprägte Kreis im Sauerland, in Südwestfalen und auch in NRW. Über 50 % unserer Beschäftigten sind in der Industrie tätig, mehr als das Doppelte des NRW-Durchschnitts. Sie arbeiten in mittelständischen, innovativen Unternehmen, die aus kleinsten Anfängen teilweise zu Weltkonzernen geworden und mit Tausenden Beschäftigten weltweit unterwegs sind. Diese Unternehmen haben eine Vielzahl an Arbeitskräften gebunden. Es ist ein hohes Maß an Innovationsfähigkeit gefordert, um diesen Ansprüchen im Zuge der Verkehrs- und Energiewende auch in Zukunft gerecht zu werden.
WOLL: Und schaffen diese Unternehmen das?
Landrat Theo Melcher: Ich bin da sehr zuversichtlich. Viele unserer Unternehmen haben eine mehr als 100-jährige Tradition. Sie haben bewiesen, dass sie sich allen Veränderungen zum Trotz am Markt bewährt haben. Ich rechne damit, dass diese eigentümergeführten mittelständischen Unternehmen diese Kraft, Innovationsfähigkeit und Kreativität auch in Zukunft haben werden.
WOLL: Welche Sektoren sind im Kreis Olpe besonders wichtig?
Landrat Theo Melcher: Neben dem industriell geprägten Arbeitsmarkt ist der gesamte Dienstleistungssektor sehr wichtig. Vor allem im pflegerischen und im sozialen Bereich gibt es viele Angebote. Wir haben natürlich auch Land- und Forstwirtschaft. Der Kreis Olpe ist insbesondere im Bereich des Rothaargebirges touristisch geprägt. Ich denke an Saalhausen in Lennestadt oder Oberhundem in der Gemeinde Kirchhundem. Aber auch in den anderen Kommunen dürfen wir viele Geschäftsreisende, Touristen und Tagesausflügler begrüßen.
WOLL: Wie wichtig ist der Tourismus im industriell geprägten Kreis Olpe?
Landrat Theo Melcher: Sehr wichtig. Der Kreis lebt von der Industrie, und man darf dabei nicht vergessen, dass wir zurzeit einen ganz starken Arbeitnehmermarkt erleben. Alle Unternehmen suchen nach Arbeitskräften. Es reicht heute nicht mehr aus, „nur“ einen attraktiven Arbeitsplatz zu haben, der gut bezahlt und sicher ist. Die Leute suchen auch nach Sinn und einem Umfeld, das ihren Ansprüchen genügt: Bauplatz, Wohnung, Kultur, Infrastruktur, gastronomisches und sonstiges Freizeitangebot. Wir haben in unserer Mittelgebirgslandschaft schöne Wander- und Radwege und im ganzen Sauerland eine attraktive Infrastruktur für den normalen Radverkehr. Jeden Euro, den wir im Sauerland in den Tourismus fließen lassen, investieren wir nicht ausschließlich für die Niederländer oder Dortmunder, die kommen. Das ist eine Investition für uns selbst. Im heutigen Arbeitnehmermarkt entscheiden Arbeitskräfte, wo sie arbeiten möchten. Mit unserer touristischen Infrastruktur können wir punkten und Leute in unsere Region locken. Wir bieten sichere Arbeitsplätze, ein intaktes Umfeld, eine niedrige Kriminalitätsrate, und wir haben ein schönes Brauchtum wie beispielsweise die vielen tollen Schützenfeste. Ich halte das für essentiell. Niemand geht in eine schlechte Umgebung, nur um zu arbeiten. Das ist vorbei. Heutzutage suchen sich die Leute ihre Umgebung aus, und damit müssen wir werben.
Aktuelle Themen
WOLL: Was sind aktuelle Themen, mit denen Sie sich als Landrat beschäftigen?
Landrat Theo Melcher: Es gibt viele Themen, z. B. die Verkehrswende. Das bedeutet weniger motorisierten Individualverkehr und mehr öffentlichen Personennahverkehr. Und das ist verbunden mit: weg vom dieselbetriebenen Bus hin zum elektro- oder wasserstoffbetriebenen Bus. Ich stelle mir schon die Frage, wie das alles geht, zudem zu Konditionen, die wirtschaftlich sind. Wir müssen weg von dem Denken, dass Busse zu bestimmten Zeiten an bestimmte Stellen fahren, so dass der Mensch sich an den Verkehrsmitteln orientieren muss. Es geht in Zukunft mehr darum, was man im Fachjargon „On-Demand- Verkehr“ (Mobilität auf Nachfrage) nennt. Eine andere Herausforderung ist, wie wir im Kreis Olpe und insgesamt in Deutschland aufgrund der finanziellen Ressourcen und der aktuell nicht vorhandenen Personen wichtige Leistungen der Daseinsfürsorge erbringen können. Das Stichwort ist Arbeitskräftemangel. Die Frage ist: Kommen wir an die Grenzen unserer Leistungsfähigkeit, was öffentliche Dienstleistung angeht? Digitalisierung und Künstliche Intelligenz können eine Lösung sein, um die geringere Anzahl an Arbeitskräften zu kompensieren. Das dritte Thema ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien im Kreis Olpe. Der Kreis will von fossilen Energieträgern unabhängig werden. Schon lange bekommen wir Strom, der außerhalb des Sauerlandes produziert wurde. Jetzt wollen wir den Anteil Erneuerbarer Energien im Kreisgebiet ausbauen. Und wir wollen das so, dass unsere Bürgerinnen und Bürger sich beteiligen können und die Wertschöpfung bei neuen Projekten vor Ort verbleibt, statt an auswärtige Investoren zu fließen. Dazu haben wir die „Erneuerbare Energien Beteiligungs- und Entwicklungsgesellschaft im Kreis Olpe mbH“ (EEBE) gegründet. Kernaufgabe der Gesellschaft ist es, den Bestand an Wind- und Wasserkraftanlagen, Photovoltaik und Speichertechnik in den Städten und Gemeinden auszubauen.
WOLL: Können Sie unseren Lesern fünf touristische Tipps geben, wo sie im Kreis Olpe unbedingt hinfahren müssen, und warum?
Landrat Theo Melcher:
• Gehen Sie mal an den Bigge- und/oder den Listersee. Die Aussichtsplattform Biggeblick ist dort sehr zu empfehlen, von der man eine herrliche Aussicht über den Biggesee und Attendorn genießen kann. Ohnehin gibt es im Umfeld der beiden Talsperren viele tolle Freizeitangebote für alle Generationen.
• Nicht zu vergessen: die Atta-Höhle in Attendorn, die einzigartig schön ist.
• Zu empfehlen ist auch das Elspe-Festival, das vor allem mit den Karl-May-Festspielen jährlich Zigtausende Menschen anlockt und begeistert.
• Ein außergewöhnliches Objekt sind die Sauerland-Pyramiden in Meggen. Der dortige Galileo-Park ist nicht nur architektonisch, sondern auch wegen seines Angebots interessant.
• Der Aussichtsturm Hohe Bracht ist eines der Wahrzeichen des Kreises Olpe und bietet neben einer herausragenden Fernsicht auf das Sauerland eine ausgezeichnete Gastronomie.
WOLL: Vielen Dank, Herr Melcher, für den Einblick in den kleinen, aber feinen Kreis Olpe.