„Ich habe mich siebenmal neu erfunden“

„Self-Made-Man“ und IHK-Präsident Andreas Rother verkörpert Aufbruch ins digitale Zeitalter und sieht die Berufsausbildung als „Herzensangelegenheit“

Er bezeichnet sich selbst als „unführbar“, machte sich mit 23 Jahren im Bürofachhandel selbstständig, gründete vor 33 Jahren das IT-Unternehmen ahd, entwickelte es zu einer Marke und ist seit Januar 2018 Präsident der IHK Arnsberg Hellweg-Sauerland. Andreas Rother gilt als „Self-Made-Man“ mit einer einzigartigen Karriere. Sein Erfolgsrezept: „Die Unternehmen müssen sich ständig hinterfragen. Ich habe mich siebenmal neu erfunden. Die IT ist dynamisch und schnelllebig.“ Als IHK-Chef will er die Digitalisierung weiter forcieren. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Berufsausbildung: „Sie ist für mich eine echte Herzensangelegenheit. Nicht nur Abitur und Studium: Es gibt auch andere Wege, um beruflich Erfolg zu haben.“

Rother selbst ist ein Musterbeispiel für diesen Weg. Der 1960 in Meschede geborene Unternehmer legte an der Realschule in Werl die Mittlere Reife ab, absolvierte in Soest eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und wurde nach dem Wehrdienst Baumarktleiter in einem Baumarkt in Werl. 1984 machte er sich mit einem Partner selbstständig und gründete einen Bürofachhandel. Schon damals beschäftigte sich Rother mit Innovationen und der Weiterentwicklung des Betriebs. 1987 wagte er den Sprung in ein neues Geschäftsfeld. Er gründete die Hellweg Data Ingenieurgesellschaft für Datenverarbeitung mbH, 2001 firmierte das Unternehmen in ARGE hellweg data GmbH & Co. KG um; seit 2010 heißt das Unternehmen ahd GmbH & Co. KG. Der Firmensitz war zunächst in Werl, jetzt ist der Hauptsitz ein kernsaniertes und stilvolles Mühlengebäude in Ense-Bremen.

„Die IT unterliegt einem ständigen Wandel“ (Andreas Rother)

Vor gut 30 Jahren galt ein Computer noch als exotisch. Rother begleitete die atemberaubende Evolution, die eigentlich eine Revolution ist, mit und baute die ahd schrittweise aus. Er entwickelte das Unternehmen gemeinsam mit seiner heutigen Geschäftspartnerin Elisabeth Treier sowie dem Management der ahd – Tochter Mirjam leitet die Unternehmenskommunikation – zu einem bundesweit operierenden Technologie-Unternehmen, zu einer Marke. „In der IT habe ich mich siebenmal neu erfunden, die IT unterliegt einem ständigen Wandel.“ Das Unternehmen sei immer auf die Zukunft ausgerichtet. Das Kerngebiet der ahd ist die infrastrukturelle Entwicklung sowie der Betrieb von Rechenzentren mittelständischer Unternehmen und deren Datenmanagement. Das Unternehmen bietet Lösungen für Kunden in einem Umkreis von rund 150 Kilometern, die eigene Rechenzentren vor Ort unterhalten, bundesweit für Kunden Cloud-Services oder Lösungen im eigenen Rechenzentrum in Frankfurt/Main, das wie die Bank von England gesichert ist, oder in Public Clouds wie Microsoft Azure oder Amazon Web Services. Daneben ist es das Ziel, einzelne Bereiche wie die eigenen Managed Services ebenso wie individuelle Software-

Lösungen als eine Antwort auf die Digitalisierung am Markt zu platzieren. Die eigene Automatisierung sowie Digitalisierung werden ständig vorangetrieben, so die Philosophie des Unternehmens, das neben dem Hauptsitz einen weiteren, wichtigen Standort am Dortmunder U (Zentrum für Kunst und Kreativität) unterhält. Es geht hier insbesondere um die Nähe zur Universität. Rund 100 Mitarbeiter arbeiten für die ahd, weitere 35 sind es in den Beteiligungen.

IHK-Präsidentschaft „ein Geschenk“

Vor diesem Hintergrund und der ahd-Erfolgsgeschichte war es nicht verwunderlich, dass IHK-Hauptgeschäftsführerin Dr. Ilona Lange nach dem Ausscheiden von Ralf Kersting im Vorfeld der IHK-Vollversammlung im November 2017 bei Rother anklopfte und fragte, ob er sich das Amt des Präsidenten vorstellen könne. Ja, Rother konnte sich das vorstellen: „Präsident der IHK mit immerhin 39.000 Mitglieds-Betrieben zu werden, wäre für mich ein Geschenk, meine Persönlichkeit weiter zu entwickeln, mit ihr zu wachsen.“ Nach dem Familienrat („Meine Frau Silke stimmte zu“) und dem OK des eigenen Firmenmanagements wurde Rother auf der Vollversammlung zum neuen IHK-Chef und Nachfolger von Ralf Kersting („Er hat es sehr gut gemacht“) gewählt und trat sein Amt am 1. Januar 2018 an. Der Zeitpunkt war mehr als günstig. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) mit seinen bundesweit 79 Kammern hatte die Digitalisierung („We go digital“) als ein zentrales Themenfeld ausgerufen. „Das kann ich mittragen“, so Rother. „In der Corona-Krise haben wir bei der Arnsberger IHK das Fruchtbare der Digitalisierung erfahren können, Videokonferenzen usw. waren wichtige Hilfen. Die eigene Digitalisierung werden wir weiter ausbauen.“

Berufsausbildung als „Herzensangelegenheit“

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Berufsausbildung im Kammerbezirk: „Sie ist eine Herzensangelegenheit. Wir dürfen nicht müde werden, für die Berufsausbildung zu werben. Uns zwar für eine Ausbildung, die jungen Menschen auch Spaß macht. Es gibt auch andere Wege, als Abitur und Studium, um beruflichen Erfolg zu haben.“ Rother nennt in diesem Zusammenhang auch Zahlen: Rund 50 Prozent der Jugendlichen machen Abitur und studieren. In der Wirtschaft brauchen wir im Verhältnis einen Akademiker und zehn Facharbeiter. „Die Eltern wollen, dass ihre Kinder studieren. Sie sollen es einmal besser haben.“ Rother plädiert mit Nachdruck für das duale System mit „Arbeiten und Berufsschule“. In Industrie und Wirtschaft seien auch Studienabbrecher herzlich willkommen.

Beim Blick auf die Zukunft der Wirtschaft in Südwestfalen, einer „Herzkammer der Industrie“, spricht der IHK-Chef von großen Herausforderungen. „Wir werden lernen müssen, uns ständig zu verändern und disruptiv zu denken. Externe Einflüsse auf das eigene Geschäftsmodell werden zunehmen.“ Es werde Gewinner und Verlierer geben. „Diejenigen, die ihren Job machen, werden es schaffen.“ Was die aktuelle Corona-Krise und die teilweise dramatischen Auswirkungen auf die Wirtschaft betrifft, so zeigt sich Rother optimistisch: „Ich bin stolz auf unsere Wirtschaft. Aus der Krise 2008/2009 ist die südwestfälische Wirtschaft gestärkt hervorgegangen. Das wird auch bei Corona der Fall sein. Die Wirtschaft wird sich 2021 erholen – und zwar mit Wucht.“