„Ich habe mich für das entschieden, was mich am glücklichsten macht.“

Jacqueline Feldmann – Vom Finanzamt auf die Comedy-Bühne

„Wahrscheinlich würde Jacqueline Feldmann noch immer gemütlich auf einer Wiese liegen, mit einem Tetra Pak unterm Arm und einer Sonnenblume im Haar – wäre da nicht plötzlich die Schule zu Ende gewesen. Was nun anfangen mit der neugewonnenen Zukunft? Chemikerin, Polizistin oder doch Klärwerktaucherin werden? Eine Karriere als Hammerwerferin war Plan A, diese scheiterte aber an ihrer eher zierlichen Gestalt und ihrem quiekenden Wurfschrei.“ So beginnt die Vorstellung der 25-jährigen Sauerländerin Jacqueline Feldmann aus Plettenberg auf der Website der Kabarett-Bundesliga. Schon einige Male gastierte die Komikerin oder neudeutsch Comedian Jacqueline Feldmann im Schmallenberger Sauerland. Am Freitag, 6. März, präsentierte sie zusammen mit vier Kolleginnen und Kollegen aus der deutschen Comedy-Szene die 1. Schmallenberger Comedy-Night im HABBELS. Im Gespräch mit WOLL erzählt Jacqueline Feldmann, wie und warum sie Komikerin wurde und was das Sauerland damit zu tun hat.

WOLL: Jacqueline, schon früher bist du mit einem alten Mercedes zu den Auftritten gereist, heute kommt du wieder mit einem Mercedes zum Interview. Für eine junge, moderne Frau ziemlich altbacken, oder?
Jacqueline Feldmann:
Mein Mercedes SLK 230 war einfach ein Auto mit Charme und er war zeitlos schön, wie George Clooney. Daher hat es mich nie gestört, dass das für Außenstehende komisch aussah. Ich liebe es, Gas zu geben. Natürlich nur, wo man darf. Da bin ich immer dabei.

WOLL: Du liebst also den Rausch der Geschwindigkeit. Auch andere Formen des Rausches?
Jacqueline Feldmann:
Ja, Achterbahnfahren mag ich ganz gerne. Aber nicht über Kopf oder so. Das ist nicht mein Ding.

WOLL: Du möchtest nicht gern aus der Bahn geworfen werden?
Jacqueline Feldmann:
Nee, ich bin eigentlich eine Schissbuxe. Man sagt ja, mutig ist, wenn man Angst hat und es trotzdem macht. Das ist immer mein Motto gewesen, um den Schiss zu besiegen.

WOLL: Im Sauerland wird manchmal zwischen Märkischem und Kurkölnischem Sauerland unterschieden. Wie findest du das?
Jacqueline Feldmann:
Dass es gewisse Unterschiede gibt, ist wohl klar. Man muss einfach mal während der Karnevalszeit von der Bigge- zur Versetalsperre fahren. Da merkt man schon, dass die kurkölnischen Städte einen größeren Bezug zum Karneval haben als die Leute in Plettenberg oder Lüdenscheid. In den märkischen Städten laufen die Leute halt 365 Tage im Jahr lustig rum, da muss man sich nicht verkleiden, um zu trinken (lacht). Aber vielleicht sind die Olper und die anderen kurkölnischen Sauerländer ein bisschen offener und herzlicher als die märkischen Sauerländer. Man merkt, dass der Märkische Kreis schon näher am Ruhrpott liegt.

WOLL: Deswegen bist du auch nach Köln gezogen?
Jacqueline Feldmann:
Ich wollte nie nach Köln. Wenn, dann wollte ich eigentlich immer nach Berlin gehen. Aber da Berlin doch sehr weit weg ist vom Sauerland und meiner Familie (ich bin vor einem Jahr sogar schon Tante geworden), ist Köln ein sehr guter Kompromiss.

WOLL: Du hast eine Ausbildung beim Finanzamt gemacht. Gab es keine
anderen Berufswünsche?
Jacqueline Feldmann:
Ich wusste schon immer, dass ich mich mal selbständig machen möchte, darum habe ich die Gunst der Stunde genutzt, um mir später den Steuerberater zu sparen. Ganz ehrlich, ich habe mir mit 16 gar keine Gedanken über meinen Job gemacht. Ich wusste nur, dass man irgendetwas machen muss, wo man sicher ist. Ich habe mich beim Märkischen Kreis beworben und beim Finanzamt. Ich dachte wirklich, weil der Beruf Finanzwirt heißt, dass du ein Wirt bist und die Kasse machst. Das war natürlich blöd, ich habe mich da überhaupt nicht mit beschäftigt. Und dann haben die mich angenommen und ich habe gedacht: Cool, jetzt werde ich Finanzwirtin. In der Gastronomie arbeiten und die Kasse machen, cool. Dass es etwas komplett anderes war, nämlich mit Steuern zu arbeiten, habe ich erst gemerkt, als ich da war. Als ich die Finanzbücher gesehen habe.

WOLL: Also warst du, wie man so sagt, ein naives Sauerländer Mädchen?
Jacqueline Feldmann:
Ja, ein bisschen schon. Konnte ja keiner wissen, dass das was ganz anderes ist. Dann war ich da halt und habe sofort gespürt, das ist auf Dauer nicht meins. Aber ich mache das jetzt, weil ich dann eine Ausbildung habe. Und ganz so schlecht verdient hat man in der Ausbildung auch nicht. Irgendwann habe ich gemerkt, dass das der perfekte Beruf ist, um sich ein Hobby aufzubauen. Da wir im Finanzamt Gleitzeit hatten, war das von den Arbeitszeiten her sehr angenehm.

WOLL: Du hast während der Ausbildung angefangen, als Komikerin aufzutreten?
Jacqueline Feldmann:
Genau. Mit 17 Jahren hat es mich auf die Comedy-Bühne getrieben. Ich hatte mich damals sogar für das Nightwash-Talent-Finale qualifiziert und hatte gute Chancen zu gewinnen. Doch dann konnte ich nicht teilnehmen, weil ich an dem Tag meine Prüfung für das Finanzamt geschrieben habe. Das war sehr ärgerlich.

WOLL: Warum hast du dich dann doch entschieden, den sicheren Job einer Finanzbeamtin ganz aufzugeben und so etwas Unsicheres wie Komikerin oder Comedian zu werden?
Jacqueline Feldmann:
Ich bin einfach meiner Intuition gefolgt und habe mich für das entschieden, was mich am glücklichsten macht. Tatsächlich war diese Liebe zur Comedy größer als die zum entspannten Leben als Finanzbeamtin. Es hat mich irgendwann dann auch sehr angestrengt. Das ist echt kein schlechter Beruf beim Finanzamt. Es gibt Leute, für die ist das perfekt. Ich hatte aber immer „Hummeln im Arsch“, wie man so sagt. Ich konnte das nicht, ständig so sitzenbleiben. Ich habe meine Arbeit immer gut gemacht und dabei meinen Gerechtigkeitssadismus ausgelebt. Einem jungen Mann bin ich mal auf die Schliche gekommen, der jede Menge Tage und Stunden für Lerngemeinschaften abgesetzt hat. Im Internet konnte ich dann herausfinden, dass er an manchen Tagen überhaupt nicht gelernt haben konnte, da er für dieselbe Zeit lustige Urlaubsfotos und Fotos von einem gewonnenen Fußballspiel gepostet hatte.

WOLL: Also ist Gerechtigkeit für dich sehr wichtig?
Jacqueline Feldmann:
Total. Wenn ich unfair behandelt werde, dann drehe ich durch. Das ist für mich das Schlimmste.

WOLL: Was ist nun so reizvoll daran, Comedy zu machen?
Jacqueline Feldmann:
An der Comedy ist so reizvoll, dass man viel unterwegs ist und viele Leute kennenlernt. Man wächst in seiner Persönlichkeit und es bleibt auch immer spannend, weil man nie weiß, wo man als nächstes schläft, ob in einem Fünf-Sterne-Hotel mit Pool oder in einem Pappkarton vor dem Theater. Ohne jetzt eingebildet klingen zu wollen: Ich bin schon sehr kreativ. Alleine das Ausleben dieser Kreativität ist für mich ein ganz großer Reiz. Meine Ideen, die ich habe, umzusetzen und etwas zu schaffen, das ist für mich mit das schönste Gefühl. Mit Humor kann man auf so vielen Ebenen mit Menschen kommunizieren. Das finde ich super. Auf der Bühne bekommt man dann das Gefühl, dass man Leuten vielleicht aus der Seele spricht oder sie vielleicht berührt mit dem, was man sagt. Ich merke das ganz oft, dann stehe ich da auf der Bühne und sage meine Sprüche, trotzdem immer mit einer Haltung und einem Gedanken dahinter, den ich habe. Wenn dann jemand nach der Show kommt und sagt: „Hey, ich war in einer ähnlichen Situation. Das hat mich voll berührt und zum Lachen gebracht. Voll cool.“ Oder: „Ich habe schon lange nicht mehr so gelacht wie bei dir.“ Das sind für mich die schönsten Momente.

WOLL: Hast du eine Botschaft, die du der Welt mitteilen möchtest?
Jacqueline Feldmann:
Ja, ich habe verschiedene Botschaften. Zum Beispiel, dass man nicht perfekt sein muss, auch nicht bei den Themen „Klimawandel“ und „Veganismus“. Dass man, wenn man sich vegan ernährt, trotzdem auch mal nach Mallorca fliegen kann. Mein Gott, man muss ja nicht alles perfekt machen. Dann macht es auch keinen Spaß mehr. Es bringt der Welt auch nichts, wenn die eine Seite alles perfekt macht und die andere Seite dann total genervt davon ist, weil sie es nicht perfekt machen will oder kann. Diese Extreme mag ich nicht. Das merke ich auch bei meinen Auftritten, dass Extreme gar nichts bringen. Aber da ist auch die andere Seite, auf der etwa Fleischfanatiker sagen: „Veganer, die essen unserem Essen das Essen weg.“ Solche Witze sind natürlich auch nicht schön. Oder zum Beispiel, als ich meinen Job als Finanzbeamtin gekündigt und dann den neuen Job angefangen habe. Hier ist meine Botschaft, dass man mutig sein soll. Es ist wichtig, dass man keine Angst vor Veränderungen hat. Die größten Veränderungen, die zunächst am meisten schmerzen, sind die besten. Das ist für mich eine Message, die ich auch mit meiner eigenen Geschichte verbinde. Ich kann keine Message rüberbringen, wenn ich es nicht selber irgendwie spüre.

WOLL: Du bist auf den Kleinkunstbühnen in Deutschland zu Hause, du trittst in TV-Comedy-Sendungen auf. Am 6. März veranstaltest du die 1. Schmallenberger Comedy-Night. Was hat dich bewogen, mit Comedy ins Schmallenberger Sauerland zu kommen?
Jacqueline Feldmann:
Es gibt eben noch nicht so viele Comedy-Veranstaltungen in Schmallenberg und Rolf Kaspari vom HABBELS hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, mit ihm zusammen Comedy auch nach Schmallenberg zu bringen. Außerdem liegt es auf dem Weg nach Köln (lacht). Rolf Kaspari meinte, dass wir das Schmallenberger Publikum wahrscheinlich am Anfang erstmal überzeugen müssen. Aber dass es, wenn es überzeugt ist, ein Ding wird, das auf Dauer etabliert werden könnte. Es wäre schön, wenn die Schmallenberger dann sagen: Wir haben hier eigene Comedy, wir brauchen nicht nach Köln oder woandershin zu fahren, um gute Komikerinnen und Komiker zu hören und zu erleben.

WOLL: Wenn du unser Sauerland deinen Comedy-Kollegen erklärst, was sagst du da?
Jacqueline Feldmann:
Achtung, die saufen euch untern Tisch (lacht). Ernsthaft! Ich sage immer, ich habe hier eine Show, zum Beispiel in Schmallenberg, das ist tief im Sauerland, also sucht euch schon mal keine Bahnverbindung raus. Das wird ewig dauern. Versucht, mit dem Auto zu kommen. Dafür kriegt ihr hier aber ein geiles Publikum, Leute, die Bock
haben, die wirklich Spaß haben, die wirklich dankbar sind, dass was mit Comedy stattfindet. Und natürlich die Gegend. Wenn ihr dort übernachtet, dann bekommt ihr eine superschöne Natur zu sehen und schöne Orte. Das ist das, was ich eigentlich immer sage. Und dass die Leute herzlich sind. Und dass sie sehr viel Bier trinken, das sage ich auch immer.

WOLL: Was magst du persönlich am Sauerland besonders?
Jacqueline Feldmann:
Das Immecke-Rock-Festival ist für mich persönlich jedes Jahr ein Highlight. Ich kenne die Leute dort alle und es ist jedes Jahr eine sehr herzliche und familiäre Stimmung. Außerdem hoffe ich, wieder mit einem Schlauchboot über die Leute „stagediven“ zu können (lacht).

WOLL: Vielen Dank für das unterhaltsame Gespräch!

Jacqueline Feldmann
begann 2010 nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung beim Finanzamt Lüdenscheid. Parallel zur Ausbildung besuchte sie im Oktober 2011 einen Improvisations- und Comedyworkshop in Köln und hatte kurz darauf ihre ersten Stand-up-Comedy-Auftritte.
Ihren ersten Fernsehauftritt hatte sie Anfang 2013 beim RTL Comedy Grand Prix unter anderem mit Chris Tall und Luke Mockridge. Es folgten Auftritte zum Beispiel beim Quatsch Comedy Club, NightWash und bei der 1 Live Generation Gag. Darüber hinaus belegte Jacqueline Feldmann den ersten Platz beim NDR Comedy Contest.
Von Dezember 2016 bis Dezember 2017 spielte sie in der für das öffentlich-rechtliche Online-Medienangebot funk produzierten Sketschsendung OMG neben Youtubern wie Phil Laude von Y-Titty mit. Seit Oktober 2017 ist sie mit ihrem Stand-up-Comedy-Programm „Plötzlich Zukunft! Konnt‘ ja keiner
wissen…“ in ganz Deutschland auf Tour. Zudem ist sie seit 2019 Moderatorin des Immecke Open Air Festivals in Plettenberg.
Von September 2018 bis Juni 2019 sprach sie eine Rolle in der 1-Live-Radio-Comedy „2Girls1Chat“. Im Sauerland ist Jacqueline Feldmann seit 2014 mehrmals bei WOLL-Abenden in Heumes Scheune in Schmallenberg-Arpe
aufgetreten und zuletzt bei der WOLL-Präsentation im Herbst 2019 im HABBELS. Jacqueline Feldmann ist die Nichte des bekannten Fußballtrainers Roger Schmidt (früher Bayer Leverkusen).

Fotos von Christopher Reuter