Ich gehe mit meiner Laterne – zum Nikolaus

Quelle: Klemens Kordt sen.

Olsberger Tradition erfreut seit mehr als 70 Jahren 

Spätnachmittag Anfang Dezember – es wird früh dunkel. Logisch, dass die Kinder auf dem Olsberger Bürgersteig mit ihren leuchtenden Laternen sofort auffallen. Dort auf der anderen Straßenseite sind auch welche – und es werden immer mehr. Alle bewegen sich in Richtung Pfarrkirche St. Nikolaus. Man spürt eine mit Vorfreude und Ehrfurcht gepaarte Aufregung. Und man ahnt, dass man da heute etwas miterleben wird, das im Sauerland wohl einmalig ist. 

Quelle: Klemens Kordt sen.
Vor der Pfarrkirche St. Nikolaus

Für einen Martinsumzug ist es eindeutig zu spät, oder? Richtig! In Olsberg gibt es den von der Kolpingfamilie organisierten Laternenumzug traditionell um den 6. Dezember herum. Als Patron der Pfarrkirche besucht St. Nikolaus jährlich die Kinder der Stadt mit großem Tamtam. Bereits seit 1948 „landet“ sein rund fünf Meter langes Boot im örtlichen Stausee, von wo es auf einen geschmückten Wagen umgeladen und zur Kirche gefahren wird. Nach der feierlichen Begrüßung durch den Pastor und den Bürgermeister geht es spektakulär weiter. Auf seinem Boot stehend wird Nikolaus, begleitet von fackeltragenden Herolden aus der Riege der Messdiener und der Feuerwehr in Richtung Kur- und Konzerthalle transportiert. Dazu spielt das Olsberger Blasorchester und hunderte Kinder mit ihren Laternen laufen singend hinterher.   

Alles steht im dicken Buch 

Je näher man dem Ziel kommt, desto größer wird die Spannung, denn sobald alle in der Halle eingetroffen sind, schaut St. Nikolaus auf der Bühne in sein dickes Buch. Sophia (6) und Ben (4) haben heute gut lachen. „Wir waren immer brav“, sind sie sich sicher. Der Nikolaus wird es wissen, wenn er durch die Seiten blättert, um nach Verfehlungen der Kids zu schauen. Ob er das eine oder andere vielleicht übersehen hat? Zumindest Leon (5) muss darauf hoffen, denn er gibt leicht verlegen zu, dass er es mit dem ‚richtig lieb sein‘ immer erst ab Mitte November schafft. Zum Glück ist sein Papa zu seiner Unterstützung mitgekommen. 

Freche Kinder kamen in den Kartoffelsack 

Nun, im Zweifel muss Strafe aber sein. Dafür hat St. Nikolaus bekanntlich Personal – Knecht Ruprecht erfüllt seine Aufgabe von jeher voller Fleiß und Hingabe. Der Olsberger Dieter Menke erinnert sich: „Der furchteinflößende, schwarze Mann steckte in meiner Kindheit in den 60er Jahren noch besonders freche Kinder in seinem Kartoffelsack und nahm sie einfach mit, was jeder an den herausbaumelnden Beinchen erkennen konnte.“  Auch die Rute kam oft zum Einsatz. „Wir Jungs waren ja nie Musterknaben und haben uns dann oft sprichwörtlich vor Angst fast in die Hose gemacht.“  

Wer früher dabei war, kommt mit den eigenen Kindern wieder her 

Und die kleinen Mädchen? Petra Böddicker-Schramm war als Kind mehr als beeindruckt. „Das Ganze war für uns immer ein außergewöhnliches Spektakel. Einmal wagte ich mich todesmutig zum Nikolaus hinauf auf die Bühne. Als ich dann aber dort vor ihm stand, hab ich nicht einen einzigen Ton herausgekriegt“, erinnert sie sich lächelnd. Auch Claudia Lobmeyer denkt gern an die alten Zeiten. „Ich lebe zwar inzwischen in Elpe, bin aber mit unseren Kindern immer gern hierhergekommen, weil es stets ein ganz besonderes Erlebnis ist.“  

Lieder, Laternen und Stutenkerle 

Und so wird die Tradition seit gut 70 Jahren von Generation zu Generation weitergegeben. Entwarnend sei berichtet, dass in den letzten Jahren keine Olsberger Kinder mehr nach dem Nikolaus-Besuch vermisst wurden. Liegt es daran, dass die Kids heutzutage lieber sind als früher? Oder an den engelsgleichen Stimmen des Kinderchores, die mit Nikolaus- und Weihnachtsliedern für eine friedvolle Stimmung im Saal sorgen?  

Was jedoch seit Beginn der Tradition unverändert blieb, ist die Freude der Kinder über die leckeren Stutenkerle, die zum Abschluss der Veranstaltung verschenkt werden. Am liebsten würden die Kinder bereits auf dem Heimweg daran knabbern – unterwegs im Dunkeln mit der leuchtenden Laterne in der Hand.