Hümmeken und Schnöggel

Charmante Sauerland-Frauen-Power

Vor dem Beginn der Olympiade in Tokio haben wir Helena und Alexandra an einem wunderschönen Sommertag am Hennesee getroffen und über den Sport und das Sauerland gesprochen.

WOLL: Ihr zählt zu den erfolgreichsten Athleten aus dem Hochsauerlandkreis in einer Sommer- bzw. Hallensportart. Wie seid ihr überhaupt zu der Sportart gekommen?
Helena:
Mein damaliger Kindergartenfreund Thomas Born trainierte bereits die Sportart Taekwondo. Allerdings in Sundern. Als sein Vater, Roland Schültke, dann in Oeventrop eine Sportschule eröffnet hat, habe ich gleich angefangen.
Alexandra: Mein Trainer ist auch mein Nachbar. Er hat mich beim Straßenfest dazu überredet, das Rudern einmal auszuprobieren. Das hat mir direkt Spaß gemacht und ich bin dabeigeblieben.

WOLL: Wer unterstützt euch, beziehungsweise, wer hat euch unterstützt, damit ihr so erfolgreich seid oder sein konntet?
Helena:
In erster Linie war das natürlich meine Familie, die mir von Anfang an die Möglichkeiten gegeben hat, Sport in meiner Freizeit zu betreiben. Als das Training intensiver wurde und ich zusätzlich einige Einheiten pro Woche in Iserlohn trainiert habe, hat mich mein Vater teilweise täglich zum Training gefahren. Er ist direkt aus dem Büro ins Auto und wir sind gemeinsam nach Iserlohn gefahren. Sein „Arbeitstag“ endete somit oft erst um 21:00 Uhr. Ohne diese Unterstützung hätte ich den Sprung ins Nationalteam der Senioren schwer geschafft, da ich in Oeventrop phasenweise die einzige Wettkämpferin war. Ab einem gewissen Leistungsstand benötigt man aber eine gute funktionierende Trainingsgruppe und die habe ich dann in Iserlohn gefunden. Die Arbeit dort mit meinem Trainer Carlos Esteves und meinen Trainingspartnerinnen Melanie Hartung (heute Kordel) und Tabea Wenken war natürlich sportlich gesehen die größte Unterstützung, ohne die der Erfolg nicht möglich gewesen wäre. Die Sportfördergruppe der Bundeswehr sorgte für die notwendige finanzielle Unterstützung, ohne die ein sorgenfreier Sportalltag auch nur bedingt möglich gewesen wäre.
Alexandra: Meine Familie und mein Trainer Sebastian unterstützen mich, wo sie nur können und die ganze Familie meines Trainers, die häufig auf ihn verzichten muss. Natürlich bekomme ich auch die volle Unterstützung vom Ruderclub Meschede.

WOLL: Was bedeutet euch der Erfolg im Sport?
Helena:
Sportlicher Erfolg bedeutet für mich, Grenzen austesten.
Alexandra: Der Erfolg ist der Grund, warum ich so gerne Sport mache. Erfolg motiviert. Man will mehr davon und setzt sich immer größere Ziele, die es gilt zu erreichen. So geht das immer weiter.

WOLL: Hat der Erfolg etwas mit euch gemacht? Gab es auf einmal mehr Freunde/Freundinnen? Wurdet ihr öfter von Unbekannten angesprochen? Hat man über euch geredet?
Helena:
Während meiner Schulzeit hat der Erfolg sogar ein paar Freundinnen gekostet. Nicht direkt der Erfolg, aber das Leben um den Erfolg herum. Es war einfach ein völlig anderes Leben, als das meiner Schulkameradinnen und darum schwer nachvollziehbar für sie. Nach der Bronzemedaille in London wurde ich sehr viel von Unbekannten angesprochen und das wirkt auch heute, neun Jahre danach, immer noch. Viele erinnern sich an den Kampf zurück, durch den sie das erste Mal überhaupt Taekwondo im TV gesehen haben. Mir persönlich hat der Erfolg auch immer eine gewisse Bestätigung gegeben. Das es das richtige ist, was ich tue.
Alexandra: Ich werde öfter von Menschen angesprochen, die ich gar nicht oder nicht sehr gut kenne. Mehr Freunde habe ich durch den Sport nicht. Im Gegenteil. Durch das viele Training habe ich nicht so viel Zeit, ich gehe auch nicht gerne auf Partys, was andere in meinem Alter halt gerne in ihrer Freizeit machen.

WOLL: Helena, du hast mit Taekwondo eine Sportart gewählt, die nur selten im Licht der Öffentlichkeit steht. Hast du die Öffentlichkeit vermisst?
Helena:
Das ein oder andere Mal habe ich mir schon gewünscht, das mehr über unsere Erfolge berichtet wird. Gerade im TV ist aus meiner Sicht der Fußball in den Sommersportarten zu dominant. Im Wintersport funktioniert es ja auch, dass während der Wintersaison Freitag, Samstag und Sonntag nahezu den ganzen Tag Sport gezeigt wird. Warum geht das nicht in den Sommersportarten? Für die wäre es enorm wichtig, wenn die Öffentlich-Rechtlichen Fernsehsender ähnlich wie bei Olympia die ganze Vielfalt des Sportes zeigen.

WOLL: Alexandra, warum bist Du nicht in einem Mannschaftsboot, zum Beispiel in einem Vierer oder Achter?
Alexandra:
Zum einen gefällt mir der Einer am besten, außerdem ist man nicht von so vielen Leuten abhängig. Der Einer ist zudem eine der Bootsklassen mit dem größten Prestige. Im Achter wird ja geriemt (Anmerkung: mit einem Ruder pro Ruderer), das ist eine andere Disziplin.

WOLL: Durch den Sport habt ihr schon in jungen Jahren viele andere Länder kennengelernt. Was hat da besonders beeindruckt?
Helena:
Da Taekwondo aus Korea kommt, bin ich viel in Asien gewesen. Das war immer beeindruckend, da hier natürlich eine ganz andere Mentalität und auch ein anderer Drill herrscht. Manchmal war dies auch erschreckend, wenn man z.B. im Sportzentrum in Peking sieht, wie hier schon die kleinsten im Turnen Leistung bringen müssen, da der Wohlstand der ganzen Familie an dieser Karriere hängt. Schöne Trainingslager hatte ich auch stets in Venezuela, was ein Land ist, wo ich vermutlich ohne den Sport nie hingereist wäre.
Alexandra: Man lernt die meisten Länder gar nicht so gut kennen, weil man nicht lange genug bleibt. Durch Corona ist das noch viel extremer. Als ich 2019 in Tokio war, war das trotzdem etwas sehr Besonderes. Man merkt direkt, auch ohne viel Zeit dort zu verbringen, wie unterschiedlich die Kultur im Gegensatz zu unserer ist. Die Menschen sind ganz anders geprägt. Ich habe auch gelernt, wie gut ich es zu Hause hier im Sauerland habe.

WOLL: Werdet oder wurdet ihr als Sportlerinnen aus dem Sauerland wahrgenommen?
Helena:
Durch die Olympiamedaille auf jeden Fall. Dies bleibt für die ganze Region sicher für immer eine Erinnerung, die dann natürlich auch an mich als Sportlerin gekoppelt ist.
Alexandra: Ich denke schon, dass „Meschede im Sauerland“ in Ruderdeutschland an Bekanntheit gewonnen hat. Auf internationaler Ebene ist dieser Effekt natürlich nicht mehr da, da ich dort ja für Deutschland starte.

WOLL: Was müsste aus eurer Sicht geschehen, damit Spitzensportlerinnen und Spitzensportler aus dem Sauerland noch besser gefördert und unterstützt werden?
Helena:
Wenn man nicht wie ich bei der Sportfördergruppe der Bundeswehr angestellt ist, benötigt man natürlich Sponsoren. Das Sauerland bietet viele große Firmen, die sicher auch im Sport aktiv sind. Aber es geht hier dann auch mal um ein Einzelsponsoring, was den Athleteninnen und Athleten finanzielle Sicherheit und auch große Anerkennung bringt. Was auch wichtig ist, dass sich jemand um die Sportlerinnen und Sportler in Sachen Medien- und Marketingarbeit kümmert. Als Sportlerin oder Sportler sollte und muss man sich auf das Training und den Wettkampf konzentrieren. Ein „Manager“ der sich um das Drumherum kümmert, ist Gold wert. Nur so funktioniert das ganze Konzept: Sportlicher und wirtschaftlicher Erfolg. Da sind wir, lieber Hermann, sicher ein gutes Beispiel, wie es gut funktionieren kann.
Alexandra: Da gibt es unterschiedliche Dinge. Eine bessere Infrastruktur würde zum Beispiel ermöglichen, dass man leichter seinen Sport ausüben kann, auch wenn man auf einem Dorf wohnt. Etwas ganz anderes wären zum Beispiel Sportphysios, die meisten Physiotherapeuten sind hier halt eher auf Krankengymnastik spezialisiert. Aber auch Kooperation mit den Schulen wären gut, damit mehr Kinder anfangen Sportarten zu machen, die vielleicht nicht Fußball heißen.

WOLL: Was erzählt ihr anderen Menschen, wenn ihr auf das Sauerland angesprochen werdet?
Helena:
Eine Region, wo in den meisten Ortschaften jeder jeden kennt und genau das den Reiz ausmacht, hier zu wohnen.
Alexandra: Dass der Hennesee eines der schönsten Ruderreviere Deutschlands ist!

WOLL: Helena, du warst gerade für deinen Arbeitgeber, die DTU – Deutsche Taekwondo-Union in Tokio und hast die beiden Sportler aus Deutschland begleitet. Was hat dich an Olympia besonders beeindruckt und was auch verwundert?
Helena:
Beeindruckt hat mich bei den Taekwondo-Wettbewerben, dass Youngstars im Alter von 17 oder 18 Jahren Goldbzw. Silbermedaillen gewonnen haben. Das zeigt, dass eine Medaille nicht vom Alter abhängt, sondern von der Einstellung und der mentalen Stärke. Verwundert hat mich, dass viele Sportler gesagt haben, dass die fehlenden Zuschauer sie kaum oder gar nicht beeinflusst haben. Mich hingegen hat das erschreckt und in der Halle war aus meiner Sicht keinerlei Olympiastimmung.

WOLL: Alexandra, leider hat es in diesem Jahr noch nicht mit der Olympia-Qualifikation geklappt. Hast du die Ruderwettkämpfe am Fernsehen verfolgt und hast du gedacht, mit etwas Glück hätte ich dort auch eine Medaille gewinnen können?
Alexandra:
Die Rennen waren alle mitten in der Nacht, deshalb habe ich nur die wichtigsten Rennen live verfolgt. Ich habe aber viele Rennen dann morgens im Relive angeschaut. Selbst wenn ich allerdings die Qualifikation geschafft hätte, wäre ich mit absoluter Sicherheit nicht um eine Medaille mitgefahren. So realistisch muss ich doch sein.

WOLL: Helena, du wohnst und lebst jetzt mit deiner Familie in Polen. Was ist dein Lieblingsplatz im Sauerland? Und hast du auch ein Lieblingswort?
Helena:
Früher hatte ich einen Ort der Ruhe in Oeventrop. Das war eine simple Bank oben im Wald. Hier kann man Oeventrop gut überblicken und sie hat mir stets eine kurze Auszeit während meiner Joggingrunde gegeben. In stressigen Situationen auf Wettkämpfen habe ich mir diese Bild in den Kopf geholt, um zu entspannen. Heute verbringe ich die meiste Zeit auf dem Spielplatz oder im Garten meiner Eltern. Mein Lieblingswort ist Hümmecken.

WOLL: Alexandra, gibt es für dich auch einen Lieblingsplatz, wo Du dich besonders gerne aufhältst? Was ist dein Sauerländer Lieblingswort?
Alexandra:
Ein Lieblingsort fällt mir gerade partout nicht ein. Zu meinem Sauerländer Lieblingswort erkläre ich jetzt mal Schnöggel/schnöggelig.

WOLL: Was würdet ihr gerne unbedingt noch loswerden? Was haben wir nicht gefragt?
Helena:
Lieber Hermann, ich danke dir für dein von Anfang an großes Interesse an mir, meiner Person und meiner Sportart. Durch solche Personen wie dich können Sauerländer Sportlerinnen und Sportler aus Randsportarten ein wenig herausstechen und an die Hand genommen werden. Genau das ist es, was dann aus einem sportlichen auch einen kleinen wirtschaftlichen Erfolg macht.