Hoinkhausen mit „Ö“

Zu Gast in einem kleinen Ort mit großer Historie 

Den Kirchturm sieht man, wenn man Hoinkhausen besucht, bereits aus der Ferne, dazu ein paar Gebäude drumherum. Groß ist er nicht, der Rüthener Ortsteil. Die ländliche Umgebung lässt auf ein gemächliches Dorfleben für die rund 175 Einwohner schließen. Und doch werden wir uns wundern über die Bedeutung von Hoinkhausen, das bereits seit dem 10. Jahrhundert urkundlich erwähnt wurde. 

Wir sind direkt an der Kirche mit einer Abordnung Hoinkhauser verabredet, die ihren Ort aus dem Effeff kennen. Timo Zimmermann ist als Ortsvorsteher natürlich dabei. Ihr geschichtliches Wissen wird Wilma Mollerus mit uns teilen. Bernd Lukas und Pascal Rückert wurden sogar hier geboren; sind also echte Insider!  

Historischer Ortskern wie im Freilichtmuseum 

Der Kirchplatz liegt ein bisschen erhaben innerhalb einer gut erhaltenen Mauer. Die besondere Stimmung, die einen direkt überkommt, wenn man die Stufen hinaufgestiegen ist, wird mit der parkähnlichen Rasenlandschaft mit einigen alten Gräbern und hohen Bäumen zu tun haben. Zusätzlich gibt es aber auch einen sensationellen Rundumblick auf diverse Gebäude aus der frühen Neuzeit, beispielsweise das Pastorat, das hier mit dem Baujahr 1680 als ältestes erhaltenes Haus gilt. „Wir stehen hier in einem Ortskern, den es so in ganz Westfalen nicht noch einmal gibt“, weiß Pascal Rückert. „Die Vikarie, die Küsterei, der Zehntspeicher, die Schule und natürlich die Kirche – alles ist noch als intaktes Ensemble erhalten.“ Tatsächlich wähnt man sich fast im Freilichtmuseum. 

Pascal Rückert, Wilma Mollerus, Bernd Lukas und Ortsvorsteher Timo Zimmermann (v.l.)

12 alte Apostel – aber marode Orgel 

Zunächst geht’s in die alte Kirche, deren Bau seinerzeit von benachbarten Adelshäusern ermöglicht wurde. „Das gibt’s nicht so oft“, macht uns Wilma Mollerus aufmerksam, „alle 12 Apostel sind noch im Original an den Seitenwänden erhalten.“ 

Ein weiteres Highlight liegt Timo Zimmermann sehr am Herzen: „Unsere alte Orgel aus dem Jahr 1747. Dringend müsste sie renoviert werden, doch die dafür erforderlichen Gelder stehen nicht zur Verfügung. Wir freuen uns aber über jede Spende.“  

Geschichten mit Gänsehaut und Fußballfieber 

Irgendwann wurde die alte Glocke aus der Kirche ausgebaut. Jetzt hängt sie in direkter Umgebung außerhalb der Mauer. Bernd Lukas grinst und verrät: „Auch heute noch tut sie ihren Job, und zwar zweckentfremdet für besondere Fußballsiege. Je nachdem, ob der BVB oder Schalke gewinnt, sorgen mein Nachbar oder ich dafür, dass die Hoinkhauser das große Ereignis mitbekommen.“ Das sind sie, die Storys, die wohl nur in Dörfern entstehen. Eine andere, viel ältere Geschichte, kennt wohl jedes Kind hier. Wilma Mollerus erzählt sie uns: „Als seinerzeit die Gebeine der hier beigesetzten Adeligen aus den Katakomben umgebettet werden sollten, prahlte ein Arbeiter damit, einen der Schädel mit in die Kneipe zu bringen. Achtung Grusel: Er ging als junger Mann hinunter und kam mit weißen Haaren wieder heraus.“  

Melchior Ludolf Herold – seiner Zeit voraus 

Die größte Geschichte, die es zu erzählen gibt, ist jedoch die über Melchior Ludolf Herold, den wohl berühmtesten Einwohner. 1780 kam er als Pfarrer nach Hoinkhausen und brachte fortschrittliche Gedanken mit. „Heute würde man wohl sagen, dass er gut vernetzt war“, meint Pascal Rückert. „Sein Denken jedenfalls war seiner Zeit weit voraus.“ 

Neben seinen klerikalen Aufgaben kümmerte sich Herold um das Schulwesen. Er setzte die aus Böhmen kommende Idee der Industrieschule erstmalig in ganz Westfalen um, die Schulbildung mit handwerklicher, landwirtschaftlicher oder hauswirtschaftlicher Ausbildung zu kombinieren, um Kinder auf ihr Berufsleben vorzubereiten. Auch die Erwachsenenbildung, beispielsweise in der Kräuterkunde, war ihm wichtig. In der Folge erlebte man in Hoinkhausen einen wirtschaftlichen Aufschwung, der bis ins 20. Jahrhundert hinein spürbar war. „Den Samen dafür hat Herold gelegt“, ist sich Wilma Mollerus sicher, und sie fügt hinzu: „Man erzählt, dass früher die Mädchen aus Hoinkhausen überall begehrte Heiratskandidatinnen waren, so gut ausgebildet wie sie waren.“  

Hoinkhausen heute 

Die Zeiten ändern sich. Inzwischen gibt’s vor Ort keine produzierenden Unternehmen mehr, dafür macht ein Reiterhof in Fachkreisen von sich reden, und neues Leben ist z. B. durch Jugendhilfeeinrichtungen eingekehrt.  

„Uns ist wichtig, dass die gute Dorfgemeinschaft erhalten bleibt“, so Timo Zimmermann. „So ein dorfeigener Weihnachtsmarkt innerhalb der Kirchplatzmauer, ist etwas ganz Besonderes. Auch unsere Grillfeste sind legendär. Wenn Geld vom Getränkeverkauf übrigbleibt, dann fließt dieses wieder zurück in Ortsprojekte. 2019 haben wir so, aber auch mit viel Eigenleistung, einen Kinderspielplatz realisiert. Und unser nächstes Projekt ist der Umbau eines alten Trafohäuschens zu einem multifunktionalen Gebäude: Mit Büchertauschstelle, Insektenhotel, Nistkästen für Vögel etc. soll das Objekt mit dem schönen Gemäuer künftig weiter sinnvoll genutzt werden.  

Ganz wichtig: Das „Ö“ 

Sie sehen. liebe Leser, ein Besuch in Hoinkhausen lohnt sich. Eine wichtige Information jedoch sollten Sie noch haben, bevor Sie richtig Ärger bekommen. Es geht um die korrekte Aussprache. Hoinkhausen spricht man mit „ö“ und nicht mit „eu“. „Eunk“ macht das Schwein, so sagt man hier! Wieder was gelernt, woll?