„Hör auf die Frau mit dem Fagott“

Quelle: privat

Die 26-jährige Meggenerin Jule Friebel hat ihr Leben der Musik verschrieben: Sie spielt im Gebirgsmusikkorps der Bundeswehr das Fagott, schreibt Fagottliteratur und gibt als Dirigentin im Musikcorps Elspe 1880 e.V. den Ton an.

Als Sergej Prokofjew 1936 sein bekanntes Kindermärchen „Peter und der Wolf“ komponierte, hatte er das Ziel, Kinder mit den Instrumenten eines Sinfonieorchesters bekannt zu machen. Jede Figur der Geschichte wird durch ein charakteristisches Instrument dargestellt. Dabei beschreibt das tiefste Holzblasinstrument, das 1,35 Meter große Fagott mit seinen tiefen knarzigen Tönen, den alten knöchernen Großvater. Jule Friebel ist professionelle Fagottistin beim Gebirgsmusikkorps der Bundeswehr in Garmisch-Partenkirchen und vielseitig begabt. Hätte Prokofjew ihr wohl auch dieses Instrument zugeordnet?

Die Musikerin aus Lennestadt-Meggen begegnet schon im zarten Alter von fünf Jahren aktiv der Musik: Sie nimmt Blockflötenunterricht an der Musikschule Lennestadt-Kirchhundem, bevor sie die Querflöte für sich entdeckt. „Musik begleitet mich schon, seit ich denken kann. Gerade hier im Sauerland, wo es in vielen Orten Musikvereine gibt und wo auf den Festen live Musik gespielt wird, kommt man überall mit Liedern in Berührung. Der Unterricht der Musikschule war daher eine logische Konsequenz meines Interesses. Meine Eltern haben meine musikalische Bildung immer sehr gefördert und so konnte ich nach und nach in verschiedenen Orchestern mitspielen. Besonders gern erinnere ich mich an mein erstes Solostück mit dem Musikzug Brachthausen der freiwilligen Feuerwehr Kirchhundem im Jahr 2012“, berichtet die Flötistin von ihren musikalischen Wurzeln.

Das Fagott – das unbekannte Instrument

Jule suchte weitere Herausforderungen und wollte ein unbekannteres Instrument ausprobieren. Aufgrund eines Tipps ihres damaligen Musiklehrers wurde sie auf das Fagott aufmerksam und probierte es aus. Das Fagott und sie sollten nicht nur ein kurzes Intermezzo haben, sondern eine bis heute andauernde Liebe daraus werden. Sie schwärmt: „Das Fagott ist durch seinen großen Tonumfang besonders vielseitig einsetzbar. So ist es nicht nur das tiefste Holzblasinstrument, sondern bildet auch die Verbindung zwischen den Blech- und Holzblasinstrumenten im Orchester.“ So kann dieses im Sauerland eher wenig beachtete Instrument mehr als nur einen gebrechlichen Großvater verkörpern. Vielmehr sind es seine Vielfältigkeit und die Art mit seiner Klangfarbe Melodien zum Leben zu erwecken. Schon Udo Jürgens wusste, dass sich das Lauschen dieses Instrumentes lohnt: „Hör auf den Mann mit dem Fagott, öffne die Seele für jeden Ton“, heißt es in seinem gleichnamigen Stück.

Quelle: privat
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Von Lennestadt über Düsseldorf nach Bayern

Die Musik sollte nicht mehr nur Jules Hobby bleiben. „Nach meinem Abitur im Jahr 2014 bin ich zur Bundeswehr gegangen. Nach der allgemeinen dreimonatigen Grundausbildung in Weißenfels bin ich dann ins Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr nach Düsseldorf, später Hilden gekommen. Dort habe ich zunächst ein Jahr Querflöte gespielt, wechselte dann aber auf ‚mein‘ Instrument, das Fagott. In Kooperation mit der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf beendete ich dort erfolgreich meinen Bachelor of Music im Studiengang Orchesterinstrument und studierte parallel schon den Studiengang Musikpädagogik zivil, den ich im letzten Jahr erfolgreich absolviert habe. Seit mittlerweile drei Jahren bin ich als Fagottistin im Gebirgsmusikkorps der Bundeswehr in Garmisch-Partenkirchen tätig“, erzählt die sympathische Musikerin von ihrer bisherigen beruflichen Karriere. „Wenn ich nicht gerade als Fagottistin im Orchester spiele, unterrichte ich Musikerinnen und Musiker im Fach Fagott und Querflöte.“

Jüngste Dirigentin im Kreis Olpe

Bayern ist natürlich nicht um die Ecke. Dennoch verliert Jule ihre Heimat nicht aus den Augen. Wöchentlich pendelt sie zwischen ihrer Arbeitsstelle und ihrer Heimatstadt Lennestadt, in der sie sich im letzten Jahr einer weiteren besondere Herausforderung stellt. „Seit November letzten Jahres dirigiere ich das Musikcorps Elspe 1880 e.V. Diese neue Aufgabe macht mir unglaublich viel Spaß und fordert mich noch einmal ganz anderes heraus, als es bei meinem Arbeitsalltag mit Proben, Musikreisen und Unterrichten der Fall ist“, freut sich die gebürtige Kirchhundemerin über ihr neues Engagement. Nun hört ein ganzes Orchester auf das, was die junge Frau mit dem Fagott sagt. „Als Dirigentin habe ich nicht nur ein einziges Instrument und seine Stimme vor Augen. Ich muss Verantwortung für das ganze Orchester übernehmen, mich mit jeder einzelnen Stimme auseinandersetzen, seine Einsätze im Stück kennen, schwierige Rhythmen und Spannungsbögen mit dem Orchester erarbeiten, damit am Ende das Stück als ‚großes Ganzes‘ mit all seinen Besonderheiten entsteht.“

„Musik bedeutet Gemeinschaft“

„Die wunderschönen Stücke, die die Zuschauer dann auf Konzerten, Dorf- und Schützenfesten hören, sind nur in der Gemeinschaft möglich. Jedes Instrument muss seine Stimme kennen und können und natürlich auf all die anderen hören. Und das ist es, was Musik für mich bedeutet: Gemeinschaft. Ich denke, dass Musik immer ein Gemeinschaftsgefühl vermittelt, sowohl als aktiver Musiker als auch als Zuhörer. Musik verbindet alle Generationen, Religionen, Sprachen und Kulturen. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist besonders in der aktuellen Zeit wichtiger denn je.“

Jule hat nicht von heute auf morgen ihr Dirigat übernommen. In den Orchestern, in welchen sie als Musikerin tätig war, durfte sie immer mal wieder einzelne Stücke während kleinerer Auftritte dirigieren und bekam so ein Gefühl dafür, dass ihr die Rolle als Dirigentin liegen könnte. „Das Orchester hat mir viele Fehler verziehen und mir ein gutes Gefühl gegeben. Dadurch wurde ich mutiger, fühlte mich bestärkt in meinem Handeln und habe mich nach und nach an schwierigere Stücke gewagt“, erinnert sich die Dirigentin.

Vielseitig begabtes Multitalent

Dass sie nicht nur mit dem Taktstock und Instrumenten in der Hand, sondern auch mit dem Stift gut umgehen kann, beweist sie im letzten Jahr mit der Veröffentlichung  ihrer selbstgeschriebenen Fagottliteratur: „Yes – Die Fagottschule für Erwachsene“.

Jule ist eine Wanderin zwischen den unterschiedlichsten Welten: Sie pendelt zwischen Bayern und dem Sauerland, verbindet mit ihrem Fagott die Holz- und Blechblasinstrumente, spielt mit Mozart und Mosch klassische und populäre Musik, kennt das Orchester sowohl als Musikerin als auch als Dirigentin, spielt die Noten und schreibt sie auch.

Also: Hätte Prokofjew ihr wohl auch das Fagott zugeordnet? Das lässt sich wohl nur spekulieren. Ich finde, dass dieses außergewöhnliche Instrument mit seinen 27 Klappen (so viele wie kaum ein anderes), seinem drei Oktaven umfassenden Tonumfang vom konta b bis zum zweigestrichenen es und seiner unverwechselbaren und vielseitigen Klangfarbe sehr gut zu der charismatischen Musikerin passt.

Ob das Instrument auch eine Stimme in Jule Lieblingsmarsch „Glück auf!“ hat? Dieses Stück bedeutet „Nachhause Kommen“ für die Meggenerin. Nein? Dann muss Jule wohl selbst laut und kräftig mitsingen, wenn es heißt „Glück Auf! Glück Auf! Der Steiger kommt!“ Aber das dürfte für das Multitalent wohl kein Problem sein.