Haus Goldberg – heute ein Haus der Erinnerung und Begegnung

Quelle: Stadtarchiv Brilon

Das imposante Haus an der Gartenstraße, in dem heute das Stadtarchiv und die Stadtbibliothek beheimatet sind, feiert im Jahr 2021 einen runden Geburtstag.

Vor 100 Jahren erbaute die jüdische Familie Goldberg das Haus.

Sally Goldberg (*1871) , gebürtiger Madfelder und wie sein Vater Zementhändler, zog 1905 mit seiner Frau Fanny geb. Hecht(*1882) nach Brilon und gründete eine Zementgroßhandlung. Als erfolgreicher Geschäftsmann beherrschte er den Markt über Brilons Grenzen hinaus bis nach Paderborn.

Das Paar hatte fünf Kinder: Dagobert (1905), Leopold „Leo“ (1907), Alfred (1911), Josef (Geburtsdatum unbekannt) und Lore (1920). Josef starb als Kind und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Brilon beigesetzt. Die drei verbliebenen Söhne besuchten das Gymnasium Petrinum in Brilon. 

Im Jahr 1921 ließ der Bauherr Sally Goldberg zusammen mit seiner Frau Fanny in der Gartenstraße 13 eine bemerkenswerte Villa mit neuester Technik ausgestattet und aus hochwertigstem Material im Stil des „Klassizismus“ für seine Familie errichten.  Wie aus der Original-Bauakte aus dem Jahre 1921 hervorgeht,  wurde die Architektur des Hauses  in schlichter Form gehalten, lediglich durch die Behandlung des Putzes und vieler Details erzielte der Bauherr eine „vornehme“ Wirkung.  Die ideenreichen Besonderheiten zeigen sich durch die breite Freitreppe vor dem Haupteingang, den stuckverziertem Putz und feine Sprossenfenster. In der Brüstung zum Obergeschoss verlaufen zwei Gesimsbänder, die sich über dem Portikus mit dem Haupteingang in der Mitte der Hausfront verkröpfen und dort einen Balkon mit Balustrade bilden. Im Wohnbereich wurden Wände vertäfelt und die Heizung wurde nach modernstem technischem Stand eingebaut; massive Holzmöbel, wertvolle Gemälde und eine besondere Beleuchtung schmückten das Haus. 

Bereits 1927 stellte Sally Goldberg  einen weiteren Bauantrag zur Errichtung einer Garage und erweiterte seinen „Autoschuppen“, um auch hier mit der Zeit zu gehen. Sally Goldberg starb im September 1929 und wurde in Brilon auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt.

Auch die mittlerweile erwachsenen Kinder verließen das Haus, sodass Fanny Goldberg allein im Haus in der Gartenstraße, mittlerweile Adolf-Hitler-Straße genannt, wohnte. Bald schon konnte sie dem Terror des NS-Regimes nicht mehr standhalten und floh 1940 nach Köln. Von dort gelang ihr 1941 die Flucht zu ihrem Sohn Dagobert nach Argentinien. Den Kummer über den Verbleib und den Tod ihrer Kinder konnte sie nicht verwinden, sie starb 1943 in Buenos Aires.

Alfred zog nach Berlin und wurde dort 1940 festgenommen und nach Auschwitz deportiert, er verstarb im Dezember 1942.

Lore zog mit ihrem Mann Kurt Wolff nach Köln, bevor sie in  die Schweiz auswanderte. Sie kam aber 1940 zurück nach Brilon um ihre Mutter vor dem Holocaust zu retten, doch sie und ihr Mann wurden von der Gestapo ergriffen und nach Minsk deportiert, die beiden verstarben ebenfalls 1942 in Auschwitz.

Leo zog nach Dortmund und flüchtete noch vor Kriegsausbrauch nach Amerika, nach Kriegsende lebte er in London.  Dagobert, von Beruf Kaufmann wie sein Vater und zunächst in der Zementgroßhandlung tätig, heiratete Anna-Irene geb. von Ulm-Erbach. Sie zogen nach Bochum , 1933  wurde Dagobert wegen eines Devisenvergehens verhaftet und zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach seiner Freilassung  verließ er

Deutschland und lebte in Buenos Aires. Die deutsche Staatsangehörigkeit wurde ihm wegen „Reichssteuerflucht“ 1939 aberkannt, das gesamte Familienvermögen beschlagnahmt. In Argentinien schaffte er einen Neuanfang und gründete  eine große Kristallfabrik. 1956 kam er noch einmal nach Brilon zurück um den seiner Familie entwendeten Besitz wieder zu übernehmen. Er wohnte im Jagdhaus Bilstein, welches ihm 1939 ebenfalls genommen wurde, und verkaufte sein Elternhaus an die Stadt Brilon, die das Haus auch in den Kriegsjahren schon übernommen hatte. Auf dem Grabstein seines Vaters auf dem Briloner Judenfriedhof ließ er eine Erinnerung an seine Mutter Fanny und seine ermordeten Geschwister hinzufügen. 1967 verstarb Dagobert Goldberg an der Cote d’Azur.

Das Haus Goldberg wurde daraufhin ein Ort der Begegnung: Im Jahr 1957 fand das Goethe-Institut seinen Platz in diesem Haus. Da so viele Studierende nach Brilon kamen, wurden weitere Räumlichkeiten benötigt, sodass von der Stadt Brilon 1959 ein umfangreicher Anbau an das Haus angeschlossen wurde, der sich von der Niederen Straße bis in die  Niedere Mauer zog.

Letztendlich fand 1979 die Stadtbibliothek ihren festen Platz in dem Anbau, 1981 wurde aus dem Goethe-Institut im Hauptgebäude das „Haus des Gastes“. Um den vielen Besuchern der Stadtbibliothek noch mehr Räumlichkeiten zu bieten, war im Jahr 1989 ein weiterer Umbau vonnöten: Als Verbindungsgang wurde zwischen der Bücherei und dem Haus des Gastes eine Holzfachwerkkonstruktion mit einem verzinkten Dach errichtet. Die Stadtbibliothek konnte nun das vorhandene Dachgeschoß und das Obergeschoß nutzen. So können die Besucher bis heute bequem durch einen Gang vom Anbau in den Altbau gehen und in beiden Gebäuden nach Medien stöbern.

Das Haus des Gastes verblieb noch einige Zeit  im Erdgeschoß des Hauses Goldberg;  weitere Einrichtungen wie beispielsweise der Kneipp-Verein fanden hier in den folgenden Jahren ihren Platz bis schließlich im Jahr 2016 das Stadtarchiv einzog. Seit dem 15. November 1985 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

Das Stadtarchiv, das im Haus Goldberg einen würdigen Platz gefunden hat, ist das „Gedächtnis der Stadt“.   Es bewahrt Originaldokumente in Form von Urkunden, Akten, Amtsbüchern, Schriftstücken, aber auch Bild-, Film- und Tondokumenten, Karten, Fotos und vieles mehr auf. Das älteste Dokument ist eine Urkunde von 1196, das jüngste die Tageszeitung von heute. Als eines der wenigen Archive im Hochsauerlandkreis verfügt das Stadtarchiv Brilon über einen Bestand an Zeitungen seit 1842. Das Stadtarchiv übernimmt fortlaufend aktuelle Unterlagen aus der Stadtverwaltung Brilon.

Die mit über 2.400 Büchern ausgestattete Archivbibliothek enthält eine große Sammlung an Literatur über die Stadt und ihre Dörfer sowie Einrichtungen und Vereine. Diese Bücher können jederzeit ausgeliehen werden.

Wer sich für die Tätigkeiten im Archiv interessiert, der ist eingeladen auf Facebook und Instagram die Seiten des Stadtarchivs Brilon (Stadtarchiv Brilon@) zu besuchen.  Dort findet man auch einen Film über das Stadtarchiv im Haus Goldberg, der hinter die Kulissen führt.

Alle Bürgerinnen und Bürgern haben die Möglichkeit bei unterschiedlichen Fragen zu Stadtgeschichte, Familienforschung, Heimatgeschichtsforschung, Informationen zur Vergangenheit des ei­genen Hauses oder des Wohnumfeldes und Klärung in Erbschaftsfällen das Archiv zu nutzen. Die Mitarbeiterinnen des Stadtarchivs stehen für Anfragen sowie Terminvereinbarungen gerne zur Verfügung.

Kontakt: Tel. 02961 / 794 244

Mail: stadtarchiv@brilon.de