Jochen Renfordt, Präsident der Handwerkskammer, im Gespräch mit WOLL
Handwerker fehlen an allen Ecken und Enden, Kunden müssen lange auf Termine warten. Doch der Nachwuchs fehlt, Betriebe schließen, weil sich kein Nachfolger findet. Probleme, an denen gearbeitet werden muss. Die Handwerkskammer möchte jungen Menschen zeigen, wie attraktiv das Handwerk ist. Allen voran der Präsident der Handwerkskammer, Jochen Renfordt, selbst Maler- und Lackierermeister und Handwerker aus Leidenschaft.
Mit Jochen Renfordt war es schon die dritte Generation in der Familie, die einen Meister vorweisen konnte, inzwischen hat auch die vierte die Meisterprüfung bestanden. Sein Großvater hatte den Malerbetrieb 1927 gegründet, der Vater übernahm später und so stieg auch Jochen Renfordt 1991 ein und kaufte die GmbH 1996. Ganz geradlinig war sein Weg ins Handwerk jedoch nicht: „Ich habe ein paar Schleifen gedreht: Nach der Mittleren Reife bin ich in die Malerlehre gegangen, habe drei Jahre gelernt und schloss als Innungsbester ab. Dann machte ich das Abitur nach und studierte Farb- und Lackchemie in Krefeld. Nach zwei Semestern merkte ich jedoch, dass das besser ohne mich geht.“
„Ohne Nachwuchs klappert bald gar nichts mehr.“
Ehrenamtlich tätig war Jochen Renfordt schon lange. „Der ehemalige Ehrenkreishandwerksmeister im Märkischen Kreis sagte mir, ich könne mich nicht nur beschweren, sondern müsse mich auch selbst engagieren. Wenn ich will, dass es gut gemacht wird, dann mache ich es lieber selbst“, erklärt er. „Das soll nicht heißen, dass ich besonders gut bin, aber ich kann meine Vorstellungen durchbringen.“ Angefangen hat er im Vorstand der Malerinnung, danach wurde er Vorsitzender des Berufsbildungszentrums. So ging es immer weiter, bis schließlich 2019 die Neubesetzung des Handwerkskammerpräsidenten anstand. Man fragte ihn, ob er sich das Amt vorstellen könne und er sagte: „Jawoll, das kann ich mir vorstellen! Ich wusste zwar nicht genau, was auf mich zukam, aber es macht mir sehr viel Spaß.“
Herausforderungen
Doch er weiß: Auch das Handwerk muss sich einigen Herausforderungen stellen. „Viele Berufsgruppen hatten natürlich sehr unter der Pandemie zu leiden und mit Materialverknappungen, Lieferengpässen und Preissteigerungen trifft es nun natürlich das Baugewerbe sehr hart. Aufträge werden storniert und andere verschieben ihre Investitionen und fragen daher erst gar nicht an. Die warten lieber erst einmal auf die Nebenkostenabrechnung. Und das ist natürlich auch verständlich“, so Renfordt. Vor allem steht die Branche aber vor dem Problem, Nachwuchs zu generieren: „Die größten Schwierigkeiten gibt es im Lebensmittelhandwerk, obwohl es hochmoderne und vor allem sehr wichtige und zukunftssichere Berufe sind.“
Eigentlich ist der Beruf des Handwerkers immer noch sehr begehrt: „Es ist vor allem ein gesellschaftliches Problem in der Wahrnehmung. Das Unternehmertum an sich ist in Deutschland verrufen. Dabei bietet es so viele Freiheiten. So habe ich die Möglichkeit, mich auf genau den Teilbereich meines Gewerks zu fokussieren, für den ich wirklich brenne. Ich kann mich verwirklichen, junge Menschen ausbilden, mir überlegen, für welche Kunden ich arbeiten möchte – und dann entsprechend meine Schwerpunkte legen“, erklärt Renfordt. „Leider verbinden viele diese Freiheit jedoch eher mit Unsicherheit. Alle wollen einen regelmäßig bezahlten Beruf ohne Aufregung und Risiko. Das liegt auch an der Bildungspolitik. Junge Menschen haben gar keine Chance mehr, zu entdecken, dass es Freude macht, etwas mit den Händen zu schaffen, wie befriedigend es ist, am Ende des Tages anfassen zu können, was man geschafft hat. Jeden Tag wird ein Kunde glücklich gemacht und man bekommt direkt eine Rückmeldung.“
Klagen über die Jugend gibt es wohl in jeder Generation. Der Handwerkskammerpräsident findet das jedoch nicht richtig: „Es ist meine Aufgabe als Ausbilder, junge Menschen für das Handwerk zu begeistern. Die heutige Elterngeneration ist anders, sie macht andere Dinge mit ihren Kindern. Auf dem Land ist es immer noch etwas leichter, weil die jungen Leute Berührung mit dem Handwerk und Unternehmertum haben. Hier kennt man den Maler, den Schlosser und den Schreiner, den trifft man auf dem Schützenfest, in der Kneipe oder bei der Feuerwehr – in der Dortmunder Innenstadt etwa sieht das ganz anders aus.“
Zukunftschancen
Um junge Menschen zu erreichen, greifen die Handwerksbetriebe auch auf das Internet zurück. Das Marketing für das Handwerk wurde viel zu lange vernachlässigt, was sich jetzt schmerzlich bemerkbar macht. Renfordt sagt: „Es gibt zwei Sprichwörter über das Handwerk. ‚Klappern gehört zum Handwerk‘ und ‚Handwerk hat goldenen Boden‘. Aber eigentlich ist nur die Kombination richtig, denn: Nur Handwerk, das klappert, hat auch goldenen Boden. Und daher ist das Marketing heute auch so wichtig.“ Denn: „Ohne Nachwuchs klappert bald gar nichts mehr.“
„Die Zukunftschancen sind ausgezeichnet.“
Renfordt plädiert an alle Schülerinnen und Schüler, die sich unsicher sind, wohin ihre Reise gehen soll, Praktika in mehreren Berufen und Gewerken zu machen. „So können sie das Gefühl kennenlernen, wie es ist, Kunden zufriedenzustellen und ihren eigene Hände Arbeit anzusehen und anzufassen. Die Zukunftschancen sind ausgezeichnet.“ Er hat den Eindruck, dass sich die Wahrnehmung langsam verschiebt. Immer mehr Menschen müssen auf Handwerker warten, können nicht mehr so schnell bedient werden, wie das vor zwanzig Jahren der Fall war. Die Menschen merken, dass sie auf das Handwerk angewiesen sind. „Aber es geht einfach nicht schneller. Weil immer weniger Nachwuchs da ist. Weil es immer weniger Betriebe gibt. Weil sie keine Nachfolger finden.“ Gerade sind es 200.000 Betriebe, für die in den nächsten Jahren ein Nachfolger gesucht wird. „Das sind funktionierende Betriebe mit Gesellen und Mitarbeitern, der Kundenstamm ist da, die Werkstatt mit Geräten und Maschinen. Niemand muss ein Start-up gründen, niemand muss bei null anfangen, wenn er das nicht möchte.“