Gravelbiken als Lebensgefühl

Das Gravelbiken erlebt seit einigen Jahren einen Hype. Doch hat es auch im Sauerland die Chance vom Trend zum Massensport zu werden?

Der Schotter staubt, die Scheibenbremsen quietschen und das Sauerland fliegt vorbei. Wenn Rennradfahren im Straßenverkehr zu gefährlich wird. Wenn die Wälder schrumpfen und das Mountainbike zuhause bleibt. Dann geht es aufs Gravelbike. Die Region bietet optimale wie anspruchsvolle Bedingungen. Doch wie steht es um die Gravel-Szene im Sauerland?

Teilnehmer aus ganz Deutschland, Touren in allen Schwierigkeitsgraden. Lagerfeuer und BBQ am Abend. Pures Sauerländer Lebensgefühl. Das Gravel Syndicate in Olpe Apollmicke verstand sich als Pionier-Event. Als Jürgen Baumhoff im Jahr 2019 auf die Idee kam, ein Gravel-Camp zu veranstalten, ahnte er nicht, welchen Anklang das Event finden würde. Gemeinsam mit seinem Freund und beruflichen Partner Björn Utecht vom Online-Fahrradhändler bike-components organiserte er die Veranstaltung in seiner Bikepension. „Wir wollten gewisse Dinge als Standard bieten. Unser Anspruch war maximales Angebot zu minimalem Preis“, berichtet der Olper.

Belgien als Vorbild

Inspiriert wurde Baumhoff von großen Gravel-Events in Belgien und den Niederlanden. „Dort ist alles sehr professionell organisiert, und es gibt eine riesige Begeisterung.“ Ein Vorbild für den Olper und sein kleines Team war der Smugglers‘ Path Gravel Ride in der Provinz Limburg in Belgien. „Wir wollten ein bestimmtes Lebensgefühl rüberbringen. Wild zusammengewürfelte Menschen, die sich auf gemeinsamen Touren und abends am Lagerfeuer kennenlernen. Das war schon etwas Besonderes“, erinnert sich Baumhoff.

Nach dem zweiten Gravel Syndicate 2022 ließ er das Event jedoch einschlafen. „Mittlerweile gibt es so viele Events in unserer Nische. Außerdem hat das Mountainbike hier eine feste Wurzel“, spielt er auf die noch zu geringe Zahl der Gravelbiker im Sauerland an.

Standortbestimmung im Sauerland

Und trotzdem erlebt das Graveln einen riesigen Hype. „Wir arbeiten intensiv an einer nachhaltigen Produktentwicklung“, sagt Jannik Müller, stellvertretender Geschäftsführer des Sauerland Tourismus. Momentan läuft eine deutschlandweite Vermessung des Gravelbikens vom Mountainbike Tourismusforum. Auf Basis dieses sogenannten Gravel-Monitors soll eine Potenzialanalyse für das Sauerland durchgeführt werden. „Wir wollen Kriterien für erfolgreiche Produkte herausfiltern und den Kommunen an die Hand geben“, berichtet Müller. Die Vision ist da, doch die Bedürfnisse der Gravelbiker sind in der Masse noch nicht messbar.

Im Detail geht es um die Ausarbeitung von Touren, Events und Übernachtungsmöglichkeiten, die die Ansprüche und Wünsche der Gravelbiker erfüllen. „Das Sauerland ist prädestiniert für den Sport“, findet Müller.

Optimale Bedingungen

Schon jetzt existieren einige Angebote in der Region. Die Bike Arena Sauerland hat im Hochsauerlandkreis bereits einige Gravelrouten ausgeschildert, die auch online abrufbar sind. Dieses Konzept soll in weiteren Kreisen des Sauerlands ausgebaut werden. „Vor allem im Kreis Olpe und im Märkischen Kreis gibt es zurzeit positive Entwicklungen“, berichtet Müller.

Das Sauerland bietet als Mittelgebirgslandschaft hervorragende Bedingungen. Es gibt gute Schotter- und Forstwege in den Waldgebieten. Viele Wege werden nach Stürmen und dem Holzabtransport repariert, und bieten dadurch ideale Untergründe. Gravelbiker können sich problemlos selbst orientieren. Ein möglicher Nachteil besteht in der Topografie. „Es ist für viele ein Alltagsfahrrad. Die hügelige Region mit seinen steilen Wegen ist eine Herausforderung für die meisten Gravelbiker“, vermutet Baumhoff.

Massensport oder Einzeldisziplin?

Dies ist vielleicht einer der Gründe, wieso für 2024 noch keine Events im Sauerland geplant sind. 2023 gastierte das Gravel Fest Mitte Juni in Winterberg. Rund um das DAV-Haus in Astenberg fanden über drei Tage hinweg geführte Touren, Workshops und Infoveranstaltungen zum Thema „Gravelbike“ statt. Die Veranstaltung pendelt jährlich zwischen verschiedenen Orten. Eine Rückkehr ins Sauerland ist nicht ausgeschlossen.

Daneben sind die Gravel Games auf der Zeche Ewald in Herten ein nationales Highlight – unweit vom Sauerland. Doch in diesem Jahr haben die Veranstalter das Event aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten abgesagt. Stellt sich also die Frage, ob das Gravelbiken überhaupt etwas für große Events ist. „Bei uns in der Bikepension kommen die meisten allein oder in Kleinstgruppen durch. Viele brauchen keine Tourenplanung oder Massenveranstaltungen“, schätzt Baumhoff.

Potenzial im Sauerland

Fest steht, dass sich der Trend allmählich zu einer festen Größe im Radsport entwickelt. „Laut der aktuellen ADFC-Radreiseanalyse nimmt das Gravelbike dem Rennrad zusehends einiges an Beliebtheit ab. Es scheint mehr etwas für Tourenfahrer und Landschaftsgenießer“, vermutet Müller. Und doch scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die Gravelbiker das Sauerland nachhaltig für sich entdecken – in ihrem eigenen Tempo. Eine erste Antwort wird der Gravel-Monitor in den nächsten Monaten geben.