Grafschaft  

Grafschaft

Grafschaft liegt drei Kilometer südöstlich von Schmallenberg im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen) am Fuße des Wilzenbergs auf ca. 410 Metern über Meereshöhe. Seit der kommunalen Neugliederung am 1. Januar 1975 gehört Grafschaft zur Stadt Schmallenberg. Grafschaft hat ca. 1.185 Einwohner (Stand 31.12. 2024) und wurde 1974   staatlich anerkannter Luftkurort und 2002 heilklimatischer Kurort.

Der Name Grafschaft leitet sich vom Flurnamen „Graskap“ her, d. h. „Graskuppe“. Damit sollte wohl der Ort, an dem die im Jahr 1072 gegründete Benediktinerabtei erbaut wurde, oder eine der umliegenden grasbewachsenen Anhöhen bezeichnet werden. Der Ort wird erstmals im Jahr 1072 im Zusammenhang mit der Klostergründung erwähnt. Ob zu damaliger Zeit bereits ein Dorf namens Grafschaft existierte, lässt sich anhand der schriftlichen Überlieferung nicht nachweisen.

Im Zuge der Säkularisation im Jahr 1803 wurde das Kloster Grafschaft aufgehoben und vom neuen Landesherrn, dem Landgrafen, später Großherzog von Hessen-Darmstadt, übernommen. Im Jahr 1816 fiel Grafschaft wie das gesamte Sauerland an das Königreich Preußen.

Erwerbsstruktur

Grafschaft ist geprägt durch sein gepflegtes Ortsbild, die Lage in einer schönen Landschaft und durch ein attraktives Angebot an Sehenswürdigkeiten, Wanderwegen und Sportmöglichkeiten, das zahlreiche Gäste aus nah und fern anzieht. Schon 1965 wurde dem Ort die Goldmedaille im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ verliehen. Als Folge davon ist der Tourismus ein wichtiges Standbein im Erwerbsleben des Ortes geworden. Die Region ist ein wahres Paradies für Wanderfreunde und Naturliebhaber. Grafschaft bietet eine Vielzahl von Wanderwegen für jeden Geschmack und jedes Wanderniveau. Von gemütlichen Spaziergängen bis hin zu anspruchsvollen Bergtouren, hier findet jeder Wanderer seine perfekte Route.

Ebenso der Dienstleistungssektor, der gerade durch die beiden großen Arbeitgeber in Grafschaft (Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft und das Fraunhofer-Institut) vielen Menschen die Möglichkeit zur Existenzsicherung bietet. Daneben spielt in Grafschaft die Landwirtschaft noch eine bedeutende Rolle. Anders die handwerklichen Betriebe. Es gibt nur noch wenige Handwerksbetriebe im Ort. Grafschafter Bürger haben ihre Betriebe – nicht zuletzt durch geringe Entfaltungsmöglichkeit – in die Gewerbegebiete in Schmallenberg und Bad Fredeburg verlagert.

Infrastruktur

Ein eher ungünstiger Trend betrifft die Infrastruktur in Grafschaft. Zwei Beispiele: Lebensmittelgeschäfte waren früher ein selbstverständlicher fester Bestandteil im Ortsleben. Heute sind sie gänzlich aus dem Ortsbild von Grafschaft verschwunden. Im Jahr 2006 erlag auch das letzte Lebensmittelgeschäft in Grafschaft dem übermächtigen Konkurrenzdruck der großen Lebensmittelketten. Auch bei den Gaststätten und Cafés war in den zurückliegenden 50 Jahren ein spürbarer Rückgang festzustellen. Die Gründe für diesen Trend, von dem im Übrigen viele kleine Orte betroffen sind, sind vielschichtig und nur schwer wieder rückgängig zu machen.

Ortsjubiläen in Grafschaft seit 1975

Dank der Gründungsurkunde des Klosters Grafschaft ist dessen Gründung für das Jahr 1072 gesichert. Daher wurde in den Jahren 1972, 1997 und 2022 das Jubiläum der Ersterwähnung bez. Klostergründung gefeiert. In den Jubiläumsjahren wurden im alten Wirtschaftsgebäude des Klosters mit einem Historienspiel die Gründung des Klosters und des Ortes bis in die Gegenwart szenisch dargestellt. Ein großer Markt in den Grafschafter Straßen rundete das Festprogramm ab.

Kloster Grafschaft

1948 kamen die Schwestern aus dem Orden der schlesischen Borromäerinnen nach Grafschaft und richteten das alte Klostergebäude als neue Heimstätte her. Heute ist das Kloster Generalmutterhaus, Mittelpunkt einer international, in drei Kontinenten tätigen Ordensgemeinschaft. 

Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft

Das heutige Krankenhaus entstand 1950 als Einrichtung zur Bekämpfung von Lungen- und Atemwegserkrankungen. Schwerpunkt war die Behandlung von Bergleuten, die an Silikose erkrankt waren. Zu den Schwerpunkten zählen heute Pneumologie, Beatmungsmedizin, Beatmungsentwöhnung, Schlafmedizin mit eigenem Schlaflabor, Allergologie und seit 2017 der Fachbereich Geriatrie. Zu den internistischen Bereichen gehören Gastroenterologie, Kardiologie, Onkologie, Nephrologie und Endokrinologie. Parallel dazu stieg der Bedarf an medizinischem und Pflegepersonal. Heute ist das Krankenhaus der größte Arbeitgeber im Ort. Das Haus verfügt über einen Hubschrauberlandeplatz. Aktuell besitzt das Haus nach mehreren Erweiterungen über 200 Betten und über 720 Mitarbeiter. Insgesamt werden über 7.000 Patienten stationär und 16.000 Patienten ambulant pro Jahr betreut. Im Bereich der Pneumologie werden jährlich über 4.000 Patienten betreut. Jedes Jahr werden etwa 180 langzeitbeatmete Patienten von Intensivstationen anderer Akutkrankenhäuser aus ganz Deutschland nach Grafschaft verlegt. Das Fachkrankenhaus ist eines der größten Beatmungs- und Entwöhnungszentren in Deutschland.

Fraunhofer-Institut in Grafschaft 

Das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und angewandte Ökologie IME wurde im Jahre 1955 gegründet und umfasst seit Beginn des Jahres 2021 die Bereiche »Molekulare Biotechnologie«, »Angewandte Ökologie« und »Bioressourcen«. Das Fraunhofer IME ist ein starker Partner für Vertragsforschung in den Bereichen Landwirtschaft, Bioökonomie, Chemie, Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Pharma und Medizin. Es ist eng verzahnt mit der Grundlagenforschung und ist international vernetzt. Die Labore mit modernster Ausstattung und komplexen Umweltsimulationsanlagen ermöglichen ein breites Forschungs- und Dienstleistungsangebot sowie Studien nach guter Laborpraxis.

Das Institut beschäftigt 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Standorten Aachen, Münster, Schmallenberg und Gießen. Allein in Grafschaft arbeiten etwa 200 Mitarbeiter.

Schanze

Schanze liegt auf einer Höhe von 680 bis 732 Metern über Meereshöhe und hat ca. 46 Einwohner (Stand 31.12.2024). Der Ort entstand um das Jahr 1775 als Köhlersiedlung. Später verdienten die Bewohner des Ortes ihren Lebensunterhalt als Waldarbeiter und in der Landwirtschaft. Im späten 20. Jahrhundert vollzog sich ein tiefgreifender Strukturwandel vom Waldarbeiterdorf zum Tourismusort.

Schanze profitiert von zwei prominenten Wanderwegen, die um die Jahrhundertwende angelegt wurden – dem Rothaarsteig (1991) und dem Waldskulpturenweg (2000). Eine der Skulpturen des Waldskulpturenweges, der so betitelte Krummstab, befindet sich in unmittelbarer Nähe des Ortes. Er ist zu einem Wahrzeichen des Ortes geworden.

Der Orkan Kyrill hatte für Schanze tiefgreifende Folgen. Der Ort war durch umgestürzte Bäume für kurze Zeit von der Außenwelt abgeschnitten. Auf einer größeren Fläche im Staatsforst hatte der Sturm alle Bäume umgeworfen. Es entstand die Idee, diese Fläche unverändert zu lassen, damit sich Besucher ein Bild vom katastrophalen Ausmaß des Schadens machen konnten. Dafür wurde ein Pfad durch die Windwurffläche angelegt. Dieser Kyrillpfad ist heute eine Attraktion in Schanze.

Auch durch den Borkenkäferbefall entstand großer Schaden. Die dadurch notwendigen Maßnahmen führten zur Entwaldung großer Flächen in Ortsnähe und haben zu einer erheblichen Veränderung des Landschaftsbildes geführt.Innerhalb von 50 Jahren haben Grafschaft und Schanze trotz ihrer räumlichen Nähe eine sehr unterschiedliche Entwicklungen durchlaufen. Grafschaft wandelte sich vom Luftkurort mit ländlichem Kern zu einem Ort mit eigenem Gewerbe, verstärktem Tourismus und umfassender Sozial- und Freizeitstruktur.

Schanze bewahrte seinen Charakter als kleines Höhendorf, baute jedoch gezielt sein Freizeitangebot mit Wander- und Wintersportangeboten aus.

Beide Ortsteile profitieren heute von engagiertem Ehrenamt und Naturschutzprojekten. Sie zeigen so exemplarisch, wie dörfliche Identität, Bürgerengagement und moderne Infrastruktur in Schmallenberg Hand in Hand gehen.