Goldener Boden und vielversprechende Zukunft

Im Gespräch mit den Verantwortlichen der Handwerkskammer (HwK Südwestfalen)

Sauerländer Handwerksunternehmen genießen weit über die eigenen Grenzen hinaus einen hervorragenden Ruf. Das gilt für die Auszubildenden und Meister der verschiedenen Handwerkerzünfte ebenso. Nicht selten zählen sie landes- und bundesweit zu den Besten ihres Fachs. Mit dem Hauptgeschäftsführer Hendrik Schmitt, dem Stellvertretenden Hauptgeschäftsführer Fabian Bräutigam und der Geschäftsführerin Sabine Blume haben wir über die aktuelle Lage des Handwerks und über das Thema „Ausbildung und Karriere im Handwerk“ gesprochen.

WOLL: Handwerk hat goldenen Boden. Stimmt das aktuell noch für das Handwerk im Sauerland?
Hendrik Schmitt:
Ja, absolut. Das sehen wir an unseren Betriebszahlen: Innerhalb von etwa zehn Jahren wurden aus 12.000 Handwerksbetrieben nunmehr 13.000. Immer mehr Menschen gründen einen Handwerksbetrieb und die Insolvenzquote ist seit vielen Jahren sehr niedrig. Das Handwerk steht bei uns auf sicheren Füßen. Das große Problem der Betriebe ist allerdings, dass sie händeringend nach Personal suchen, am liebsten natürlich ausgebildete Handwerker, Fachpersonal. Wenn wir es schaffen, unsere Handwerker gut auszubilden, dann wird das Handwerk bei uns auch in Zukunft goldenen Boden haben.

WOLL: Die große Herausforderung im Handwerk sind also das Personal und Fachkräfte. Gibt es noch andere Sorgen im Sauerländer Handwerk?
Fabian Bräutigam:
Natürlich waren und sind auch die Pandemie, der Ukraine-Krieg, Inflation und die Preissteigerung im Baubereich eine große Herausforderung. Die Auftragsbücher sind derzeit noch voll, an einigen Stellen sinkt die Nachfrage jedoch wieder. Aber das fehlende Personal ist in der Tat das größte Problem. Heute ist der 31. Juli, morgen ist der 1. August, Ausbildungsbeginn. Wir haben für morgen noch 700 freie Lehrstellen in Südwestfalen. Bis November kann man noch in eine Ausbildung einsteigen. Der Fachkräftemangel ist tatsächlich etwas, was die wirtschaftliche Zukunft der Betriebe bedroht.

WOLL: Unser Thema lautet ja: Karriere und Ausbildung im Sauerland – Arbeiten, wo andere Urlaub machen. Hört man dieses Argument bei der Suche nach Auszubildenden und Fachkräften im Handwerk im Sauerland manchmal?
Hendrik Schmitt:
Da muss man zwischen jemandem, der eine Ausbildung gemacht hat, und jemandem, der eine Ausbildungsstelle sucht, unterscheiden. Wenn ich bereits ausgelernter Facharbeiter bin, dann ist das ein überregionales Argument dafür, in die Region zu kommen. Vielleicht dort zu leben, wo ich einmal im Urlaub war und vielleicht Freunde habe. Jemand, der eine Ausbildung beginnt, ist aber in einer ganz anderen Lebensphase. Was aus den Köpfen verschwinden muss, ist das Vorurteil, dass man im ländlichen Raum keine innovativen Berufsfelder findet, etwa in der IT. Denn das wird unserer Region einfach nicht gerecht. Das Sauerland ist mehr als eine Urlaubsregion. Es ist sogar eine ganz hervorragende Region, um eine Ausbildung zu machen, weil es hier Betriebe gibt, die auf allen Ebenen technisch hochqualifizierte Berufe anbieten.

WOLL: Welche Ausbildungsberufe werden im Sauerland besonders nachgefragt und welche Berufe werden überproportional angeboten? Gibt es jeweils eine Hitliste?
Hendrik Schmitt:
Die Top 3 sind immer KFZ, Elektrotechniker und Anlagenmechaniker SHK. Weil das eben die Berufe der Zukunft sind, gerade die letzten beiden. Da haben wir einen unglaublich großen Bedarf. Das Handwerk ist viel spannender geworden: über die Heizungssteuerung bis hin zu Photovoltaik, Solarsystemen oder zum Anschluss eines Smart Home Systems. Das sind alles technisch höchst anspruchsvolle Aufgabenfelder.
Fabian Bräutigam: Gerade im Hochsauerland ist der Tischler immer noch sehr weit vorne. Das ist tatsächlich eine Besonderheit der Region.

WOLL: Wieviel Prozent der ausgebildeten Handwerker entscheiden sich später für eine Qualifizierung als Meister?
Fabian Bräutigam:
Eine genaue Quote haben wir leider nicht vorliegen. Das bbz wird von Teilnehmern aus dem gesamten Bundesgebiet besucht, genauso entscheiden sich „unsere“ Azubis für Meisterschulen in anderen Regionen. Im Bezirk der Handwerkskammer Südwestfalen bleibt die Entwicklung der Meisterzahlen erfreulicherweise relativ konstant: 2001 haben 448 Handwerkerinnen und Handwerker die Prüfung bestanden, 2010 haben wir 469 Meisterabschlüsse registriert und 2021 waren es 439. Derzeit erleben wir einen Run bei den klimatechnischen Handwerken wie zum Beispiel Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie Elektro. 17,4 Prozent der Azubis, die anfangen, haben die Hochschulreife. Die Zahl steigt seit Jahren. Das sind natürlich viele Kinder von Betriebsinhabern, aber auch Menschen, die sagen, ich will vielleicht später noch Architektur studieren und mache jetzt erst einmal eine Ausbildung als Tischler oder im Maurerbereich, um die Grundfertigkeiten des Handwerks zu verstehen.
Sabine Blume: Wenn man über eine Meisterausbildung nachdenkt, hat man – abhängig vom Gewerk – heute durchaus Wartezeiten bis 2026. Das klingt aus Sicht der Handwerkskammer auf der einen Seite zwar schön, auf der anderen Seite ist das für potentielle Meisterschüler unter Umständen sehr unglücklich. Es gibt nun eine Meisterprämie, aber für die Meisterausbildung eine lange Warteliste. Das liegt zum einen daran, dass die Räumlichkeiten fehlen, vor allem aber fehlen Ausbilder. In manchen Bereichen mehr, in anderen weniger. Wir arbeiten daran, dass wir zusätzliche Ausbilder gewinnen und die nötigen Räumlichkeiten schaffen können.

WOLL: Wie informieren die Handwerksbetriebe heute die potenziellen jungen Menschen über die Ausbildungsmöglichkeiten in den verschiedenen Berufen?
Fabian Bräutigam:
Früher war es so, dass man einfach darauf gewartet hat, dass jemand kommt. Heute geht man zum Beispiel auch über Ausbildungsmessen. Wir stellen aber immer wieder fest, dass eigentlich alle erfolgreichen Betriebe Kooperationen mit Schulen haben. Oft gehen Auszubildende oder junge Gesellen aus diesen Betrieben in die Schulen, um den Schülerinnen und Schülern dort auf Augenhöhe das Handwerk näher zu bringen und von ihrem Arbeitsalltag zu erzählen.
Sabine Blume: Ich glaube, dass sich die Kommunikation der Betriebe gerade rasant verändert. Es wird moderner und digitaler. Social Media spielen natürlich eine wichtige Rolle. Aber auch die bundesweite Imagekampagne des Handwerks macht auf vielen Kanälen auf die Bedeutung des Handwerks aufmerksam. Den Betrieben werden auf handwerk.de viele Instrumente an die Hand gegeben, die sie individuell für ihre Werbung nutzen können.
Fabian Bräutigam: Heute wird man eben nicht unbedingt immer das, was der Vater oder die Mutter sind, sondern das, was man kennt. Und da gibt es heutzutage viel mehr Informationsquellen als damals. Praktikumsangebote sind aus meiner Sicht sehr wichtig. Da gibt es schon einiges, es ist aber immer noch ausbaufähig. Gerade die kleinen Betriebe oder solche, die einen langen Arbeitstag haben, haben natürlich Schwierigkeiten bei der Umsetzung. Fragt man Handwerker oder Auszubildende, warum sie sich fürs Handwerk entschieden haben, dann ist die häufigste Antwort, dass sie mit ihren Händen arbeiten und am Ende des Tages sehen wollen, was sie geschafft haben. Man hat etwas geschaffen, was Wert hat und auch bleibt. Zudem muss man auch überlegen, dass man erst deutlich später Geld verdient, wenn man sich direkt für ein Studium entscheidet. Verdient man danach nicht deutlich mehr, holt man das kaum wieder rein. Es gibt auch eine Studie von der IKK. Dort wurde herausgefunden, dass Menschen im Handwerk oft glücklicher und gesünder sind als Menschen in anderen Berufen.

WOLL: Wie sieht ein typischer Karriereweg im Handwerk aus?
Hendrik Schmitt:
Karriere mit Lehre. Das mag sich abgedroschen anhören, aber ich glaube, es gibt keinen anderen Bereich in Deutschland, in dem man es mit einer Ausbildung noch so gut schaffen kann, nach oben zu kommen und ein mittelständisches Unternehmen zu führen.
Fabian Bräutigam: Und dann ist da ja auch noch die Übernahmesituation: Man kann in einen intakten Betrieb mit Mitarbeiter- und Kundenstamm einsteigen, der immer seinen Meister ernährt hat. Einfacher geht es ja gar nicht. Bei diesem Prozess steht die Handwerkskammer beiden Seiten beratend zur Seite.

WOLL: Was würden Sie einem jungen Menschen spontan sagen, wenn er Sie fragt: „Warum sollte ich gerade im Handwerk eine Ausbildung machen?“
Hendrik Schmitt:
Weil du alle Chancen hast, dein Leben selbst zu gestalten und dich zu verwirklichen.
Sabine Blume: Es ist unheimlich vielfältig. Das Wissen, das man insgesamt haben muss, ist so übergreifend, dass es nie langweilig werden wird.
Fabian Bräutigam: Du bist in der Lage, dir selbst zu helfen. Handwerker haben eine unglaublich große Problemlösungskompetenz – auch über das Handwerk hinaus. Du kannst auch im privaten Bereich handwerkliche Dinge selbst erledigen. Handwerker schaffen vieles, sie kommen gut im Leben klar. Das ist das, was ich bei den Handwerkern in meinem näheren Umfeld wahrnehme.