Quelle: Stadt Attendorn
800 Jahre Stadtentwicklung
800 Jahre sind eine lange Zeit, auch für eine Stadt. Unzählige Generationen gingen durch ihre Tore ein und aus, viel Wasser floss von 1222 an die Bigge hinunter und all ihre Läufe, Schleifen und Entwicklungen sind schwer auf wenigen Seiten zusammenzufassen.
Umso wichtiger ist, dass das Attendorner Jubiläumsjahr keineswegs rückwärtsgewandt ist und für alle Bürgerinnen und Bürger und Freunde der Stadt Programmpunkte und Highlights aus Sport, Kultur und Geschichte setzen möchte.
Meilenstein der Stadtentwicklung
Dass Attendorn sogar noch älter als 800 Jahre ist, liegt unter den Fundamenten. Das Datum des 10. Juni 1222, das in diesem Jahr gefeiert wird, ist eines, das offiziell etwas bestätigt, was es zuvor schon gegeben hat. Allein die kunstvollen Werke der Natur in der Attahöhle zeigen, dass die Geschichte dieser Region nicht erst vor 800 Jahren begonnen hat. Aus der Zeit Karls des Großen (747/48-814) stammen zum Beispiel archäologische Funde, 150 Jahre früher als 1222. Urkundlich werden bei der Errichtung des Klosters Grafschaft die Kirche (St. Johannes Baptist) und ein Haupthof Schultenhof, Schüldernhof in einer Urkunde Bischof Annos 1072 erwähnt – so dass hier in St. Johannes Baptist ein 950-jähriges Jubiläum in diesem Jahr gefeiert werden kann.
Die 800 Jahre sind für Attendorn ein Meilenstein, da der Ansiedlung an einer Kreuzung zweier Hauptverkehrsadern des Mittelalters, der Königsstraße und der Heidenstraße, durch den Landesherrn besondere Rechte verliehen wurden.
Der als Heiliger verehrte Erzbischof Engelbert II. von Köln (oder „von Berg“, 1185-1225), der drei Jahre nach dem Siegeln der Attendorner Urkunde von seinem Verwandten bei Gevelsberg überfallen und brutal ermordet wurde, verlieh Attendorn an diesem Tag das Stadtrecht. Eine Stadt durfte mit Mauern und Gräben gesichert werden, hatte Marktrechte und sollte dem Erzbischof eine Machtbasis im immer umstrittenen Sauerland bieten. Sie stand offiziell unter dem Schutz Kurkölns, sollte gefördert und geschützt werden und erhielt dadurch Privilegien und einen Wachstumsschub.
Somit war der offizielle Grundstein der Stadtentwicklung gelegt, was mit dem Eintritt in den Rheinischen Städtebund 1255 und damit in die Hanse gefestigt wurde. Ihre wirtschaftliche Bedeutung verdankte die Stadt den Zünften der Woll- und Leineweber.
Kurköln vergisst seine Versprechen
Mauern und Gräben brauchte Attendorn in den folgenden Jahrhunderten durchaus, unter anderem in den Auseinandersetzungen um die „wahre Religion“ im Vorfeld des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648), den Truchsessischen Wirren (1583 bis 1588). Der Schutz wurde nötig, glaubt man der Sage, da sich der damalige Erzbischof Gebhard Truchseß von Waldburg-Trauchburg (1547-1601) gegen die Worte seines Amtsvorgängers wandte. Er drang mit Waffengewalt ins Sauerland vor, um die Bewohner auf seinen Kurs zu zwingen. Hintergrund des Konflikts waren die Bestrebungen Gebhards, gleichzeitig sein Amt zu behalten, seine Geliebte zu ehelichen und dazu den reformatorischen Glauben nicht nur anzunehmen, sondern seinen Landeskindern „aufzudrücken“ – die Basis seiner Macht und seines Titels. Gebhard schreckte nicht vor Gewalt und Krieg zurück, um den eigenen Willen durchzusetzen, und zog mit seinen Truppen durch das streng katholisch geprägte Sauerland. 1583 kam der Erzbischof in seine Stadt und ließ in einer Art Bildersturm die Kunstschätze der Kirche zu zerstören, was die Attendorner gegen ihn aufbrachte. Der Sage nach folgten sie ihm bei Gebhards Abzug bis zur Burg Bilstein und belagerten die Burg. Eines Tages glaubte einer der Attendorner Armbrustschützen, den Erzbischof schlafend an einem der Fenster zu erkennen und schoss. Es war aber nicht Gebhard, der tödlich getroffen von der Mauer fiel, sondern eine Katze – sicherlich keine schöne Anekdote für alle Freunde der beliebten Samtpfoten. Den abziehenden Attendornern brachte es den Spottgesang der Kurkölner ein, der heute selbstbewusst als Karnevalsgruß genutzt wird: „Kattfiller“ – Katzenmörder. Die Schützengesellschaft Attendorn hat den Schmerz des Fehlschusses längst überwunden und reiht sich in den Kreis der Jubiläumsfeiern mit ihrem eigenen 800-jährigen Bestehen ein.
Das Jubiläumsmaskottchen basiert auf dieser Erzählung. Es ist eine schwarze Katze, die trotz dieser Freveltat der Attendorner das Stadtwappen auf ihrem T-Shirt trägt: das kurkölnische schwarze Kreuz auf weißem Grund mit einem roten Halbmond, der für Johannes den Täufer steht. Johannes der Täufer ist der Schutzheilige der Urpfarre St. Johannes Baptist.
Gelebte Geschichte
„Das Faszinierende an Attendorns langer Geschichte ist, dass noch zahlreiche Sachzeugen vorhanden sind, die im Museum zu finden sind“, erklärt Monika Löcken, die Leiterin des Südsauerlandmuseums, das das Jubiläumsjahr nicht nur mit verschiedenen Ausstellungen begleiten wird. „Mit einem Augmented Reality-Spaziergang, den man sich per App auf das Handy laden kann, holen wir die Menschen dort ab, wo sie stehen“, erklärt sie eines der geplanten Highlights zur Stadtgeschichte, die dadurch für jeden erlebbar aus dem Museum auf die Straße geholt wird. Dass das Jubiläum in der Moderne angekommen ist, beweist die Facebook-Seite zum Jubiläum, auf der seit Januar schon zahlreiche Geburtsgrüße – nicht nur aus Attendorn selbst – eingegangen sind.
„Die Geschichte ist im Bewusstsein der Attendorner verankert. Als Event findet das Jubiläum sehr große Resonanz. Alles findet sich wieder und schlussendlich wird Geschichte jedes Jahr weitergetragen, zum Beispiel in der Tradition des Schützenfests“, fasst Martina Köhler von der Attendorner Stadtverwaltung im Gespräch mit WOLL zusammen, dass Geschichte nicht tot ist, sondern (manchmal vielleicht unbewusst unter der Vogelstange) gelebt wird.
Bunt gemischtes Jubiläumsprogramm
Das Attendorner Jubiläumsjahr hat – wie alles andere in Zeiten der Coronapandemie – bei Programmstart im Januar und Februar durchaus Startschwierigkeiten gehabt, dennoch sind die Organisatoren optimistisch und bieten ein vollgepacktes Programm aus Geschichte, Kultur und Sport, das sich vor allem in den Sommermonaten konzentriert.
Im März stellt das Südsauerlandmuseum Werke von acht Künstlern mit Wurzeln in der Stadt aus, die zum Thema „Süße Heimat“ gearbeitet haben. Es werden einige Programmpunkte mit Bezug zur Stadtgeschichte angeboten: ein großes Stadtfest vom 9. bis zum 11. September, bei dem mit dem 39. Westfälischen Hansetag der Bund mit der mächtigen mittelalterlichen Kaufmannsvereinigung gefeiert wird. Am Datum der Verleihung der Stadtrechte, dem 10. Juni, eröffnet im Südsauerlandmuseum eine Jubiläumsausstellung zur Stadtgeschichte und ein Kommersabend wird angeboten, bei dem es spannende Darstellungen zur Attendorner Stadtgeschichte geben wird. Dazu gibt es am „Geburtstag“ eine Online-Veröffentlichung des Stadtarchivs zur Erleichterung der Erschließung der Stadtgeschichte, des Weiteren einen Jubiläumsfilm und ein interaktives Stadtmodell zum Amt Attendorn und ein Häuserbuch – und nicht zuletzt eine Attendorner Sonderausgabe des Spieleklassikers „Monopoly“, bei dem jeder seine eigene Stadtentwicklung ausspielen kann.
In diesem Sinn kann man sich neben den Glückwünschen auf Facebook dem ersten Gratulanten aus dem Jahr 1222 anschließen. Erzbischof Engelbert II. formulierte es am 10. Juni so: „Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit. Wir Engelbert, von Gottes gütiger Gnade der heiligen kölnischen Kirche Erzbischof, wünschen allen, an die gegenwärtiges Schreiben gelangt, für alle Zeit Heil und Segen.“