Geflucht. Geschwitzt. Geschoben.

Quelle: privat

Fünf Sauerländer auf dem Tourenrad nach Rom

Die Reaktion des Pensionswirtes am Ende der ersten Etappe in Winterberg war ungläubiges Staunen: „Ihr müsst verrückt sein“, so seine Einschätzung, nachdem ihm die beiden Radfahrer aus Höingen ihre weitere Route und das Ziel grob erklärt hatten. Er hatte gerade erfahren, dass die beiden mit ihren Tourenrädern in gut drei Wochen bis nach Rom fahren wollten. Das waren für Stefan Risse (60) und Heiner Schlüter (66) in den geplanten 23 Tagen immerhin 2.000 Kilometer.

Mehr oder weniger gemächlich ging es ab Winterberg Richtung Süden zunächst die Flusstäler von Lahn, Main, Tauber, Wörnitz und Lech entlang. Zwischenziel nach einer Woche war Füssen im Ostallgäu. Hier komplettierten Dieter Remmert (67), Stef Langveld (65) und Josef Pantel (65) die Gruppe. Die drei hatten den ersten Teil der Tour mit der Bundesbahn zurückgelegt. Gemeinsam ging es die Via Claudia Augusta entlang. Auf diesem alten Handelsweg hatten schon die Römer und Kelten die Alpen überquert und ihre Waren ausgetauscht. Hier wurde es auf dem Fernpass körperlich erstmals richtig herausfordernd. Anstiege von zehn Prozent und drüber auf grobem Schotter zwangen des Öfteren zum Absteigen. „Geflucht, geschwitzt, geschoben, aber nützt ja nichts. Da müssen wir rüber.“ Da war dann der Reschenpass mit dem „Dach der Tour“ auf 1.455 Metern über NN schon fast wieder Erholung, mit grandiosen Aussichten. Traumhaft danach die ersten Kilometer im Südtiroler Vinschgau bergab, auf dem tollen Etsch-Radweg.

Trient, Verona, Ravenna waren weitere Stationen auf dem Weg nach Süden. Freundliches Unverständnis auch hier: „Ihr habt Audi, BMW, Mercedes und Porsche. Warum fahrt Ihr mit dem Fahrrad?“, wunderte sich ein hilfsbereiter Einheimischer, der ihnen den besten Weg aus der Stadt gezeigt hatte. Mit dem Wetter hatten die Höinger während der gesamten Fahrt Anfang Juli richtig Glück. In Norditalien lagen noch die Sandsäcke gegen die Überschwemmungen durch den Starkregen in den Wochen zuvor und bevor es in der Mit te des Stiefels vor Rom richtig heiß wurde, hatten sie so viel Strecke geschafft, dass aus geplanten zwei Etappen drei Tagestouren gemacht wurden. „Generell waren wir nach dem Frühstück um 8 Uhr auf dem Rad, hatten mittags einen Großteil bis zum Tagesziel geschafft und konnten nachmittags locker die Unterkunft ansteuern.“ Geschlafen wurde meist in kleinen Pensionen oder Hotels, die am Abend vorher oder erst am Morgen online gebucht wurden. Ein Highlight war die Übernachtung in einem Kloster, wo der Wirt der angeschlossenen Gaststätte nächtens zu einer Taschenlampenführung durch die alten Gemäuer einlud. Einzig fest gebucht hatte man für die letzten Tage vor dem Rückflug ein Mobilheim auf einem Campingplatz mit S-Bahn Anbindung nach Rom, denn das Radfahren in so einer Metropole ist „dann doch gewöhnungsbedürftig, aber keinem ist was passiert, auch die Räder haben durchgehalten.“

Vielleicht lag es an dem Pilgerausweis, den sich die Höinger bei Pastor Carsten Scheunemann haben ausstellen lassen und in den der letzte Stempel im Vatikan nach 115 Stunden im Sattel und rund 12.000 Höhenmetern eingetragen wurde. Die Idee zu diesem Abenteuer entstand vor einem Jahr, als sich die kleine Gruppe einig geworden war, zusammen diese Mammutfahrt anzugehen. In die wichtige Terminplanung mussten die Schulferien und das Höinger Schützenfest einbezogen werden und auch die Route wurde mit Hilfe von Karten und Onlineportalen zumindest grob vorgeplant. Dazu gehörte außerdem ein regelmäßiges Training im Frühjahr und das Vertrautmachen mit dem Google Translator, denn das große Latinum und ein wenig Englisch helfen in Italien zwar weiter, sind aber nicht immer zielführend.

„Es war mächtig anstrengend, hat aber auch einen Riesenspaß gemacht“, berichten Stef Langveld und Stefan Risse übereinstimmend. Aber rückblickend auf alle Erlebnisse und Erfahrungen bleibt wohl die Harmonie in der fünfköpfigen Gruppe am längsten im Gedächtnis. „Wir hätten nie gedacht, dass sich fünf Männer mit einem gemeinsamen Ziel bei den vielfältigen Entscheidungen in den drei Wochen so einig sein können.“

Wie geplant trafen die Radfahrer dann pünktlich in der Nacht vor dem Höinger Schützenfest wieder auf dem Dorfplatz ein, wo sie von Familien und Freunden empfangen wurden. Und auch die Räder sind mit einer Spedition wieder zuhause angekommen.