Geburtstagskind Gesellenhaus

In der Heinrich-Lübke-Straße 25 in Hüsten feiert man schon seit 125 Jahren 

Das Gesellenhaus in Hüsten kennen viele, denn es hat eine lange Geschichte. Dort wurde getanzt, Karneval gefeiert oder in der Kneipe das ein oder andere leckere Bierchen getrunken. Manchmal auch alles zusammen. Doch wo lag der Ursprung des roten Backsteingebäudes, das dieses Jahr 125 Jahre alt geworden ist? Für eine Antwort müssen wir weit zurückschauen und einen Mann in den Fokus rücken, der am Anfang der Geschichte steht. 

DER VATER DER GESELLENVEREINE 

Adolph Kolping (1813 – 1865) hatte während seiner Zeit als Handwerker – er wurde erst später Priester – viele Kollegen kennengelernt, die ohne Heim, ohne Familie und oft ohne Perspektive übers Land zogen, um irgendwo eine Arbeitsstelle zu finden. In Wuppertal traf er auf den Lehrer Johann Gregor Breuer, der einen Verein gegründet hatte, der vielen jungen Handwerkern ein familienähnliches Umfeld bot. Kolping beschloss, in ganz Deutschland und darüber hinaus nach Breuers Vorbild christliche Häuser entstehen zu lassen. Hier sollten junge Burschen wohnen, sich weiterbilden und fröhliche Feste feiern. 

Eines der Häuser steht in der Heinrich-Lübke-Straße in Hüsten. Ob dort der Leitgedanke von Adolph Kolping heute noch verfolgt wird, erfahren Sie, liebe Leser und Leserinnen im Anschluss. 

EIN VEREINSHAUS ENTSTEHT 

Nach der Gründung eines Gesellenvereins im Jahr 1885 war man sich schnell darüber im Klaren, dass ein Versammlungsheim gebaut werden musste. Der damalige Präses Hoberg hatte im Vertrauen auf Gott all seinen Mut zusammengenommen und den Auftrag für den Bau erteilt, der 1896 eingeweiht wurde. Wanderer auf Arbeitssuche fanden hier eine Übernachtungsmöglichkeit, im Kellergeschoss konnten sich die Gäste in den Werkstätten weiterbilden. Wie von Adolph Kolping gefordert, sollten die jungen Menschen jedoch nicht nur arbeiten, sondern auch feiern. Die Forderung erfüllte das Kolpinghaus Hüsten – bis auf die Kriegsjahre – in jedem Jahrzehnt seit seinem Bestehen. 

RAUSCHENDE FESTE 

Alles, was es zu feiern gab, fand hier statt. Traurige Anlässe wie Beerdigungen ebenso wie Hochzeiten, Geburtstage, Jubiläen. Das Gebäude bot vielen Gruppierungen eine Heimat. Es tagten der Raucher- und Mandolinenclub, im Hoberg-Saal probten die Chöre (der Saal eignete sich aufgrund der exzellenten Akustik besonders gut), Keglerinnen und Kegler wie „Auf die Damen“ – ein reiner Männerclub -, oder die „Vigelanten“ – Seniorinnen in fortgeschrittenem Alter – ließen die Pinne fallen. Theateraufführungen fanden statt und es wurde geboxt. Bis heute erzählt man sich, dass dort auch Max Schmeling aufgetreten sei und Lale Andersen gesungen haben soll. Kein Wunder, dass in den 50er-Jahren das Kolpinghaus weit über Hüstens Grenzen bekannt war, es stellte einen kulturellen Mittelpunkt dar. Von einem der Pächter weiß man, dass bei manchen Festen der Koch durch das Fenster in die Küche krabbeln musste, weil die Eingänge durch Feierwillige von nah und fern verstopft waren.  

Quelle: Marita Voss-Hageleit

Doch nicht nur die kulturellen Darbietungen machten das Besondere aus. Auch die Tatsache, dass Gäste ihre Getränke mitbringen oder sogar Möbel abstellen durften, die in der eigenen Wohnung im Weg waren. Einige besaßen einen Schlüssel und konnten ein- und ausgehen. 

Wie eingangs erwähnt, leuchten die Augen der älteren Hüstener, wenn sie von ihrer Jugend im Kolpinghaus erzählen, vor allem von den legendären Karnevalsfeiern. Altweiberfastnacht startete die Saison mit dem Jugendkarneval. Freitags hatte der KKV das Sagen, es folgte ein Ball aller Vereine, der immer unter einem bestimmten Motto stand (die Hüstener erinnern sich in dem Zusammenhang gerne an die „Nacht in Venedig“). Dienstags wurde mit dem Kehraus die Fastenzeit eingeläutet. Außerhalb der närrischen Zeit versuchte man in der Tanzschule Bock sein Glück. Dort erlernte man nicht nur Walzerschritte, sondern knüpfte erste Bande mit dem anderen Geschlecht. Manch einer hat so die Partnerin, den Partner fürs Leben gefunden. 

FAMILIE PEETZ ALS NEUE EIGENTÜMER 

Und heute? Seit 2003 befindet sich das denkmalgeschützte Gebäude im Besitz der Familie Peetz, die ihm seinen ursprünglichen Namen „Gesellenhaus“ wiedergaben. Nach umfangreicher Restaurierung, bei der vor allem der Mann des Hauses, Bernd Grelka, viel Eigenleistung eingebracht hat, eröffnete Stefanie im Erdgeschoss ihren Gastronomiebetrieb. Sandra und Bernd arbeiten seitdem im ersten Stock mit ihrem Team in der eigenen Foto- und Werbeagentur „Zenith“. Außerdem gibt es zwei Wohnungen, die vermietet sind. Fällt Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, etwas auf? Richtig. Die heutige Verwendung des ehrwürdigen Hauses entspricht in großen Teilen dem Leitgedanken des damaligen Gründers Adolph Kolping. Hier arbeiten Handwerker, es kann gegessen, getrunken, gefeiert und gewohnt werden, junge Menschen bekommen einen Ausbildungsplatz. Wer das Dreimädelhaus mit Mutter Lotti und ihren zwei Töchtern kennt, weiß, dass auch ein wichtiges Anliegen der Gesellenvereine berücksichtigt wird: Der Arbeitnehmer, ob Auszubildender oder bereits Profi, wird in seiner Ganzheitlichkeit betrachtet, bei der der menschliche Umgang miteinander einen hohen Stellenwert einnimmt. 

Auf diese Weise werden die Spuren von Adolph Kolping als geistigem Vater und die von Präses Anton Hoberg als mutigem Bauherrn immer sichtbar bleiben.