Freund oder Feind?

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Das Jakobskreuzkraut und der Blutbär

Und ja, es geht einfacher! Schon nach ein paar Minuten Recherche hatte sich mein Blick auf dieses Kraut geändert. Jacobaea vulgaris ist sein wissenschaftlicher Name und in Deutschland ist es auch unter Jakobsgreis- oder Jakobskraut bekannt. Es ist praktisch in ganz Nord-Eurasien beheimatet und gehört damit auch in Deutschland zu den natürlich vorkommenden Pflanzenarten. Im ersten Jahr sammelt es als unauffälliges Kraut im Unterwuchs Kraft, um im zweiten Jahr zu blühen und sich fortzupflanzen. Zwar lassen die meisten Pferde die Finger, oder die Hufe, davon, aber bei zu hohem Besatz nimmt die Pflanze überhand und wird so zur Gefahr für die Tiere. Doch was macht das Kraut eigentlich so gefährlich?

Jacobaea vulgaris bildet giftige Pyrrolizidin-Alkaloide und lagert diese, zum Schutz vor Fressfeinden, in allen Pflanzenteilen an. Stängel, Blüten und Blätter sind so für die allermeisten Tiere ungenießbar und bei längerem Konsum sogar tödlich giftig. Die Giftstoffe lagern sich nach der Aufnahme in der Leber ab und können zu chronischen Krankheitssymptomen führen. Wie bereits erwähnt, ignorieren Weidetiere die Pflanze, da ihr Geschmack und Geruch schon abstoßend auf sie wirkt. Wird der Weidedruck jedoch zu groß, können sich die Tiere auch mal an der Pflanze vergehen. Am problematischsten an dem Kraut ist aber, dass die giftigen Wirkstoffe in Heu oder Silage nicht abgebaut werden. Und wie geht man nun dagegen vor?

Die Landwirtschaftskammer empfiehlt bei kleinen Vorkommen das gezielte Ausrupfen der Pflanze. Am besten mit Pfahlwurzel und über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren. Bei gehäuftem Vorkommen wird eine Mahd vor der Blüte sowie eine spätere Nachmahd empfohlen. Und wenn nichts mehr hilft, können auch Herbizide für die Bekämpfung eingesetzt werden. Im Gegensatz dazu sieht der NABU (Naturschutzbund Deutschland) das Vorkommen dieser Pflanzenart weniger problematisch. Vielmehr wird aus der Naturschutzperspektive die Wichtigkeit dieser Pflanze für unsere heimische Tierwelt hervorgehoben.

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Jakobskreuzkraut

So wurde in einer britischen Untersuchung festgestellt, dass die Pflanze eine außergewöhnlich hohe Nektarproduktion aufweist. Zusätzlich blüht sie in einer Phase des Jahres, in der nicht viele andere Nektarquellen verfügbar sind. In Mitteleuropa sind über 30 Arten bekannt, die sich exklusiv vom Jakobsgreiskraut ernähren, von denen auch mehrere auf der Roten Liste NRW‘s zu finden sind. Neben diesen Spezialisten sind auch ein paar weniger schnöggelige Arten an dem Kraut interessiert. 77 weitere Arten nutzen es als Futterpflanze und ganze 117 wurden beim Schlürfen seines Nektars beobachtet.

In der Ökologie unterscheidet man zwischen Nahrungsspezialisten und -generalisten. Anhand des Beispiels des Blutbären (Tyria jacobaeae) und unserem Jakobskraut kann man das nachvollziehen. Genannt wird der Nachtfalter übrigens auch Jakobskrautbär oder Karminbär. Die oben bereits erwähnten giftigen Alkaloide im Kreuzkraut jucken seine Raupen nicht die Bohne, ganz im Gegenteil. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Larven sich ausschließlich vom Jakobskreuzkraut und nahen Verwandten, wie zum Beispiel dem bei uns invasiven schmalblättrigen Greiskraut, ernähren. Dabei handelt es sich immer um Pflanzen, die die giftigen Pyrrolizidin-Alkaloide in sich tragen, denn die Raupe lagert diese ein und nutzt sie ebenfalls für die Abwehr von Fressfeinden.

Auf NRW‘s Roter Liste wird der Blutbär als gefährdet geführt. Mit der Flurbereinigung verschwanden große Teile des natürlichen Jakobsgreiskraut-Bestandes und damit auch die stark mit dieser Pflanze verwobene Population des Blutbären. Das Greiskraut findet seitdem langsam wieder zurück in unsere Kulturlandschaft. Über die Zeit hat sich ein empfindliches Gleichgewicht zwischen diesen beiden Lebewesen eingestellt, in dem der Blutbär die in der Landschaft verteilten Greiskrautbestände bei zu starkem Wuchs immer wieder eindämmte. Die kontinuierlichen Veränderungen der letzten 150 Jahre (Klimawandel, Landwirtschaftsintensivierung, Fragmentierung) und die starken Eingriffe in unsere Kulturlandschaft vor 50-60 Jahren haben dieses Gleichgewicht empfindlich gestört. Während sich die Bestände des Krautes wieder deutlich regenerieren, fehlt u.a. der Blutbär, um diese bei einem zu starken Wuchs in die Schranken zu weisen.

In Schleswig-Holstein wird bereits eine Bekämpfung des Greiskrautes mit den Raupen des Blutbären angeboten. Durch seine hohe Spezialisierung ist er dafür optimal geeignet. Dennoch wäre es wünschenswert, dass dieser Teil des natürlichen Gleichgewichts auch ohne Einkauf in unsere Umwelt zurückfindet. Fragmentierung durch großflächigen Lebensraumverlust behindert seine Ausbreitung. Wollen wir diesen oder ähnliche Effekte des Biodiversitätsverlustes eindämmen und langfristig verhindern, müssen wir Möglichkeiten schaffen, um die Natur zurück in unsere Landwirtschaft und Köpfe zu lassen. Ein paar Jakobskräuter am Wegesrand stehenzulassen, kann da schon der erste Schritt sein.