Forstwirtschaft früher und heute mit alten und neuen Herausforderungen

Berufe im Wandel der Zeit

Die Forstwirtschaft hat eine lange Tradition und im Sauerland ist sie von besonders großer Bedeutung. Nicht nur durch die Technisierung hat sich einiges getan; auch der Klimawandel, die Umwelteinflüsse und wirtschaftliche Veränderungen haben zu einem Umdenken geführt. Hubert Henkel aus Bad Fredeburg ist 85 Jahre alt und seit 1998 in Rente. Über vierzig Jahre lang war er als Forstwirt in den heimischen Wäldern unterwegs und weiß, wovon er spricht. Neu im Gewerbe sind die beiden Auszubildenden Patrick Linn und Ferdinand Schmidt, beide 18 Jahre alt und im zweiten Ausbildungsjahr. Norbert Kohnen ist als Revierleiter zuständig für die Ausbildung der beiden. Er hat im Laufe seiner Berufszeit den Wandel in vielen Bereichen miterlebt.

WOLL: Worin bestanden früher und heute die Hauptaufgaben eines Forstwirts und wie veränderte sich die Bewirtschaftung?
Hubert Henkel:
Früher waren wir überwiegend mit dem Holzhauen beschäftigt, anfangs mit der Axt und später mit der Zugsäge. Das Holz wurde mit dem Schäleisen entrindet, alles ging von Hand und mit Muskelkraft. Die Buche wurde meistens in der Rinde verkauft und für die Herstellung von Zellstoff und Möbeln gefällt, während die Fichte für Bauholz, Zäune oder Grubenholz genutzt wurde. Auch die Kulturpflege gehörte zu unseren Aufgaben.
Norbert Kohnen: Nach einem Kahlschlag wurde überwiegend Fichte gepflanzt, teils auch Buche. Während bei der Pflege früher alles rundherum weggeschnitten wurde, wird heute nur punktuell ausgekesselt. Der Rest wächst wild weiter, so entstehen mehr Mischwälder. Das hat einen positiven Effekt. Nur dort, wo nichts durch Naturverjüngung heranwächst, wird durch Pflanzung nachgeholfen. Die Pflege des Waldes war immer wichtig und die Arbeiten Holz hauen, pflanzen, aufforsten und Pflege sind nach wie vor die Hauptaufgaben eines Forstwirts, aber die Art der Bewirtschaftung hat sich verändert.

WOLL: Auch die Arbeitsweise hat sich im Laufe der Jahre verändert. War Teamarbeit früher ebenso wichtig wie heute?
Hubert Henkel:
Meistens wurde allein gearbeitet. Nur wenn zwei Personen erforderlich waren, wie etwa beim Arbeiten mit der Schrotsäge, war man gemeinsam unterwegs. Und der Förster ahnte, wo genau man im Wald war. Übrigens ganz ohne Handy oder Funk.
Patrick Linn und Ferdinand Schmidt: Heute sind wir mindestens zu dritt bei der Holzernte. Und mit moderner Technik ausgestattet, die bei einem Unfall schnelles Handeln möglich macht. Bei anderen Tätigkeiten sind wir auch schon Mal zu zweit unterwegs, aber nie allein.

WOLL: War die Forstwirtschaft früher gefährlicher als heute? Und was gehörte damals und was heute zur Schutzausrüstung?
Hubert Henkel:
Damals war ein Waldarbeiter bei weitem nicht so geschützt wie heute. Auch als die Schrotsäge Ende der 1950er durch die Motorsäge abgelöst wurde, hatten wir weder Handschuhe noch Sicherheitsschuhe oder Helm – vielleicht mal einen robusten Hut und einfachen Gehörschutz. Die Sicherheitskleidung kam erst später.

Hubert Henkel sagt, dass es während seiner gesamten Arbeitszeit kaum Unfälle gegeben habe. „Bis auf kleine Verletzungen ist alles gut gegangen. Die Sicherheit war immer ein Thema bei der Arbeit im Wald, doch heute sind die Vorschriften ganz andere.“ Die persönliche Schutzausrüstung ist nun Vorschrift, dazu zählen: Helm mit Visier und Gehörschutz, Warnjacke mit Signalfarben, Schnittschutzhose und -schuhe sowie Handschuhe. Der Helmfunk erhöht den Arbeitssicherheit zusätzlich. Trotz aller Sicherheit passieren immer noch Unfälle – leichte, schwere und manchmal tödliche. Vor allem der Windbruch kann gefährlich sein und die Aufarbeitung von Sturmholz ist schwierig.

WOLL: Die Forstwirtschaft galt immer als wichtiger Arbeitgeber. Gibt es eine Hauptzeit im Jahr für den Forstwirt oder gibt es immer etwas zu tun?
Hubert Henkel:
Neben dem Baumfällen mussten wir Wege bauen, freischneiden, den Wald pflegen. Wenn es regnete und Arbeiten nicht möglich war, gab es Regenstunden mit geringerem Lohn. Das Arbeiten im Akkordlohn ging zwar mehr auf die Knochen, der Lohn war aber wesentlich höher. Im Akkord haben wir viel Geld im Wald verdient. Da die Winter noch schneereicher waren, gab es von November bis April Schlecht-Wetter-Zeiten, das heißt, man war arbeitslos. Seit 1997 gibt es das so nicht mehr. Heute sind die Forstwirte überwiegend angestellt und beziehen Gehalt mit gleichbleibendem Stundenlohn. Entsprechend der Jahreszeit variieren die Tätigkeiten und Gebiete, doch überwiegend wird im Wald gearbeitet.
Norbert Kohnen: Der Laubholzeinschlag bei der Buche muss aber in den Wintermonaten stattfinden, denn der Baum muss im Ruhezustand sein. Auch bei Schnee ist es heute kein Problem, Bäume zu fällen, und ein Waldarbeiter-Schutzwagen mit Trockenraum steht immer zur Verfügung. Wenn das Wetter es aber gar nicht zulässt, werden zum Beispiel Sitzbänke, Hochsitze oder auch Vogelkästen in der Werkhalle gebaut.

WOLL: Die Motorsäge hat die Handsäge ersetzt, der Harvester, eine hochmechanisierte Holz-Erntemaschine, fand Einzug in den 1990ern. Welche Änderungen brachte das mit sich und wie hat sich die Arbeit seitdem verändert?
Hubert Henkel:
Früher wurde gefällt, geschält, dann blieb das Holz ein halbes bis dreiviertel Jahr liegen, bevor es mit Pferden gerückt und anschließend vermessen wurde. Eine Ausnahme waren die Kahlschläge, die gelegentlich gemacht wurden, um Geld für den Waldbesitzer einzubringen. Das bedeutete: Was morgens gehauen wurde, lag nachmittags im Sägewerk.

Der Einsatz der Motorsäge stellte eine enorme Erleichterung dar. Und auch an den ersten Einsatz eines Harvesters erinnert sich der 85-Jährige noch gut: „Das war in der Robbecke bei Bad Fredeburg. Anfangs haben die schweren Maschinen viel kaputt gemacht im Wald, da es keine vorgegebenen Wege gab. Aber sie waren auch eine Entlastung.“

„Heute wird der Baum nach dem Fällen nicht geschält, sondern sofort gerückt und am Waldweg aufgestapelt und sortimentiert“, erklärt Norbert Kohnen. „Die Fichte bleibt zwischen 2 bis 3 Wochen bis zu einem Jahr liegen, je nach Käufer und Sortiment – der Kunde hat mehr Einfluss und nutzt den Wald als Zwischenlager.“ Auch gibt es heute feste Rückegassen und wenn der Boden bei Frost sehr fest ist, ist das eine gute Zeit für den Einsatz der Harvester.

Die Interviewpartner (v.l.n.r.): Patrick Linn, Ferdinand Schmidt und Hubert Henkel.

WOLL: Ist der Klimawandel deutlich zu spüren?
Norbert Kohnen:
Früher gab es im Winter regelmäßig mehr Schnee, die Temperaturen lagen teilweise bis minus 20 Grad. Es gab ein Feuer zum Aufwärmen, mehr nicht. Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich auch in der veränderten Vegetation bemerkbar. Gab es früher bei der Buche alle acht bis zehn Jahre ein Mastjahr, so ist das heute jedes zweite Jahr der Fall. Als 1959 ein großes Dürrejahr war, wurde sofort eingegriffen, um eine massive Borkenkäfervermehrung zu verhindern. Das ist heute nicht m.glich, da die Leute fehlen. Der hohe Fichtenanteil und die extreme Trockenheit, mit der wir seit drei Jahren zu kämpfen haben, bedeuten für Schädlinge, besonders den Borkenkäfer, optimale Bedingungen. Aber auch das viele kranke, nicht aufgearbeitete Nutzholz, das in den Wäldern liegt, bietet gute Gelegenheiten für den Borkenkäfer. Es ist aber zu aufwendig, es zu beseitigen – es gibt zu wenig Arbeiter und die Kosten sind zu hoch. Das ist wirtschaftlich nicht zu stemmen.

WOLL: Steht man heute in der Forstwirtschaft mehr unter Druck?
Norbert Kohnen:
Allgemein sind die Reviere größer, mit weniger Arbeitern, man muss mehr springen. Im gesamten Forstbetriebsbezirk Schanze arbeiten ein Förster, ein Forstwirtschaftsmeister, drei Forstwirte und vier Azubis auf 2.120 Hektar.

Hubert Henkel erinnert sich, dass damals in drei Gebieten zu je sechs Arbeitern in Stadtwald Schmallenberg gearbeitet wurde. Er war im Revier Fredeburg auf einer Fläche von 750 Hektar eingesetzt. „Wir haben keinen Druck gehabt, wir haben erst unsere Arbeit zu Ende gebracht, bevor es an die nächste Aufgabe ging. Wir waren ja nicht erreichbar und niemand wusste, wo genau wir uns gerade aufhielten. So schnell konnte man uns nicht für andere Aufgaben abberufen. Wir haben stressfreier gearbeitet.“ Heute, nach Rationalisierung und Technisierung, wurde der gesamte Stadtwald zusammengelegt und es arbeiten dort nur noch drei bis vier Personen auf einer Fläche von rund 2.600 Hektar.

WOLL: Was macht am meisten Freude an Ihrem Beruf und was ist die größte Motivation?
Hubert Henkel:
Die Arbeit im Wald hat mir immer Spaß gemacht, die körperliche, schwere Holzernte tatsächlich noch mehr als die Pflanzung und Kultur.

Patrick Linn und Ferdinand Schmidt mögen es, immer draußen an der frischen Luft zu sein, und auch die körperliche Arbeit macht ihnen Spaß. Am meisten das Holzhauen: „Wenn eine dicke Buche gefällt wird und der Baum fällt, schallt es manchmal durch‘s ganze Tal.“ Das muss für einen wahren Forstwirt wie natürliche Musik klingen.

WOLL: Was lernt man während der Ausbildung und welche Berufsbilder waren und sind möglich?
Patrick Linn und Ferdinand Schmidt:
Die Ausbildung zum Forstwirt umfasst neben einem sicheren Umgang mit der Motorsäge und Baumfällung auch Pflanzenkunde, Pflege der Kulturen, Wegeunterhaltung, Maschinenkunde und Zaunbau. Das Thema Jagd wird grob angesprochen.
Norbert Kohnen: Nach der Ausbildung zum Forstwirt kann man den Forstwirtschaftsmeister oder den Forsttechniker machen. Auch sind nach der Ausbildung einige Lehrgänge möglich, etwa zum Forstmaschinenführer, Zapfenpflücker oder Ranger. Mit entsprechender Voraussetzung kann man ein Studium zum Förster absolvieren.

Nach ihrer dreijährigen Ausbildung bekommen die beiden Auszubildenden in der Regel einen Zwei-Jahres-Vertrag beim Landesbetrieb Wald und Holz NRW. Danach hat man die Möglichkeit, zur Stadt, in Privat- oder andere Unternehmen zu gehen. In früheren Zeiten war Waldarbeiter kein Ausbildungsberuf. Hubert Henkel fing mit der Waldarbeit im Jahr 1964 an, nachdem er ein paar Jahre in der Schiefergrube gearbeitet hatte. Ausgebildet wurde er über Lehrgänge.