Fliegen, das ist alles.

Volker Engelmann aus Lennestadt-Elspe machte eine beeindruckende Karriere bei der Luftwaffe der Bundeswehr und avancierte vom einfachen Wehrdienstleistenden zum Oberstleutnant. Jetzt ist er Oberst der Reserve. Volker hat die ganze Welt gesehen – dabei ist er seiner Heimat immer treu geblieben und gibt heute seine Flugleidenschaft in seiner Flugschule weiter.

Ruhe bewahren. Schock bekämpfen. Ich hole Hilfe. – Volker Engelmann aus Elspe kennt die Abläufe genau, wenn Gefahr droht. Hat sie hunderte Male an seine Flugschüler vermittelt. Doch im Sommer 2018 ist er selbst in höchster Gefahr. Der Motor stottert. Der Zeiger des Drehzahlmessers wandert bedrohlich Richtung null. Scheinbar keine Motorleistung mehr. Er befindet sich irgendwo vor Trentino, Südtirol. „Macht Platz! Ich muss landen! Ich weiß nicht, ob ich es überhaupt noch irgendwohin schaffe!“, ruft er ins Funkgerät.

Er fliegt in Formation mit 27 anderen Flugzeugen. Es sollte ein mehrtägiger Rundflug um Italien werden. Gestartet sind Volker und seine mitreisenden Pilotenfreunde in Schmallenberg, weiter ging es über Neuburg an der Donau und schließlich nach Italien. Nun droht ein jähes Ende dieser Reise oder sollte die Fliegerei sogar seinen Tod bedeuten – seine Leidenschaft, die sein Leben ist?

Werfen wir zunächst einen Blick zurück.

Ansteckende Flugbegeisterung

Volker Engelmann hat es dem alten Mercedes /8 seines Vaters zu verdanken, dass er Flugstunden nehmen konnte. Der flugbegeisterte Papa Josef hat sich schon zum Flugschein angemeldet, als auf einer Einkaufstour nach Hagen der Motor des alten 55 PS-Schiffs den Geist aufgibt. „Jupp, das hört sich an wie ein 2000 Marks-Geräusch“, so die nüchterne Analyse des zu Hilfe geholten ADACs. Viel Geld für die damalige Zeit. Damit ist die fliegerische Karriere des Vaters beendet, bevor sie überhaupt angefangen hat.

„Volker, aber du kannst fliegen!“, entscheidet Vater Josef. So gibt der Motorschaden den Startschuss für die Fliegerleidenschaft seines damals 14-jährigen Sohnes. Von nun an fährt Volker mehrmals die Woche mit dem Mofa nach Schmallenberg-Rennefeld, um seine Freizeit dem Fliegen zu widmen. „Dieses Gefühl bei der Beschleunigung, wenn du den Boden verlässt – einfach unglaublich!“, erinnert sich der heute 56-Jährige. Dass das Fliegen aber mehr als ein Hobby werden sollte, ahnte damals noch niemand. Denn zunächst schwingt er beruflich den Kochlöffel und bekocht Restaurant- und später auch Hotelgäste.

Quelle: privat

Als Koch ins Hilton

„Ich habe schon immer gerne gekocht“, erzählt der gebürtige Oedinger. „Nach meinem Hauptschulabschluss 1980 in Elspe absolvierte ich eine Kochlehre in Oberelspe in der „Alten Schmiede“. Dort habe ich während der Schulzeit als Praktikant gearbeitet und ich mochte die Arbeit. Nach der Ausbildung verschlug es mich nach Grevenstein und 1984 nach London ins Gatwick Hilton.“ Hier arbeitete der Jungkoch gemeinsam mit anderen 33 Köchen, fühlte sich wohl. „Mein Ziel war es, irgendwann in New York im Hilton im World Trade Center zu arbeiten. Doch daraus wurde dank der Bundeswehr nichts“, berichtet der Fluglehrer augenzwinkernd.

Etwa ein Jahr später erhalten Volkers Eltern in Deutschland seine Einberufung zum Wehrdienst. Doch der junge Koch bleibt lieber in England und wartet erstmal ab, bis ihn ein sehr ernster Anruf der Bundeswehr aus Deutschland erreicht: „Herr Engelmann, es gibt richtig Ärger, wenn Sie nicht zurückkommen.“ Volker ist noch immer ganz entspannt, antwortet: „Dann holt mich doch.“ Schließlich zeigt die Androhung, dass der junge Wehrpflichtige von den Feldjägern am Flughafen abgeholt wird, sollte er nicht kooperieren, Wirkung. Zwangsausgeliefert werden, das wollte er nicht.

Glänzender Aufstieg in der Bundeswehr

So fügt er sich und tritt am 1. April 1986 seinen Wehrdienst in Erndtebrück an und steht von nun an nie wieder beruflich am Herd. Für Volker beginnt eine vielseitige, abenteuerliche Karriere, die ihm sogar eine persönliche präsidiale Danksagung einbringt. Während seiner ersten Tätigkeit als „Wetterplotter“ beeindruckt er seine Vorgesetzten mit seinem fließenden Englisch und seinen umfassenden Fliegerkenntnissen, die er auf dem Rennefeld gesammelt hat.

Schnell macht er sich bei der Luftwaffe einen Namen, steigt auf zum Assistant Fighter Controller und wird später Jägerleitoffizier. 1993 besteht er seinen Offizierslehrgang. Seine Aufgaben und Betätigungsfelder sind vielfältig – besonders seine Lehrtätigkeiten sind hochgeschätzt und nehmen einen großen Raum ein. Sie führen ihn häufig ins Ausland, beispielsweise in die USA, nach Abu Dhabi oder später nach Lettland und Litauen, wo er Mitte der 2000er Jahre für die Ausbildung von Soldaten zuständig ist. 2009 nimmt er am Baltic Defense College in Estland für ein Jahr am Generalstabslehrgang teil.

Von Sporke nach Usbekistan

Im Dezember 2011 geht er für fünf Monate für ISAF nach Usbekistan als Kommandeur des strategischen Lufttransportstützpunktes Termes. Diese Zeit ist für den Oberstleutnant mit besonderen Erinnerungen verbunden. Hier lernt er politische Prominenz wie Angela Merkel oder Thomas de Maizière kennen.

Zum 10-jährigen Bestehen des Stützpunktes im Jahr 2012 lässt er die Sporker Band „Da Capo Desaster“ einfliegen. „Das ist der Vorteil, wenn man im Sauerland lebt, jeder kennt jeden, man hilft sich, wenn man kann. Wir hatten in Usbekistan keine Band zur Verfügung, da habe ich meine Musikerfreunde aus Sporke angerufen. Die haben mitgemacht – mein Bruder hat den Transport bis Köln übernommen und dann ging es gemeinsam mit dem Truppentransport zu unserem Stützpunkt. Ein wunderbares Konzert war das“, freut sich der ehemalige Posaunist des Musikvereins Oedingen.

Volker Engelmann (l.) und Angela MerkelQuelle: privat
Volker Engelmann (l.) und Angela Merkel

Persönlicher Dank des polnischen Präsidenten

Doch nicht nur schöne Erinnerungen prägen diese Zeit in Usbekistan. Nach einem traurigen Vorfall Ende Dezember 2011, bei dem fünf polnische Soldaten ihr Leben verloren, kommt Polens damaliger Ministerpräsident Donald Tusk persönlich, um diese Männer abzuholen. „Polen hatte keinen eigenen Stützpunkt dort. Deshalb habe ich unseren Pfarrer angesprochen und ihn gebeten, einen Gottesdienst zu feiern. Ein Trompeter aus unseren Reihen gestaltete den musikalischen Rahmen. Wir haben eine Flaggenparade gemacht, bei der die polnische Flagge auf Halbmast gesetzt wurde. Donald Tusk hat sich unglaublich gefreut. Anschließend ist der polnische Präsident, Komorowski, noch einmal persönlich nach Usbekistan geflogen, um sich zu bedanken. Das war ein sehr besonderer Moment, den ich nie vergessen werde“, erinnert sich Volker Engelmann.

„Das Feuer weitergeben“

Mittlerweile ist der Vater zweier erwachsener Kinder pensioniert und lebt in Elspe. An einen Umzug in eine große Stadt oder ein anderes Land hat Volker nie nachgedacht: „Ich bin immer wieder gern nach Hause ins Sauerland gekommen. Ich liebe die Natur, aber vor allem die Menschen, meine Freunde. Man hat eine tolle Gemeinschaft, hilft sich und kann aufeinander zählen.“

Seit fünf Jahren führt er in Oberelspe und auf dem Rennefeld seine eigene Flugschule und bildet auch Fluglehrer aus. „Ich möchte das Feuer, die Passion der Fliegerei weitergeben“, sagt er. Im alten Grundschulgebäude, wo damals die I-Männchen das ABC lernten, bringt er nun seinen Flugschülerinnen und Flugschülern das A und O des Fliegens bei. „Meine Schüler sind zwischen 18 und 70 Jahre alt. Die Fliegerleidenschaft kennt kein Alter. Manchmal ist sie auch ansteckend“, freut sich der Naturliebhaber. „Die Frau eines meiner Flugschüler war so begeistert von den Ausflügen mit dem Ultraleichtflugzeug, dass sie sich umgehend auch ausbilden ließ und sich bei mir in der Flugschule anmeldete.“

Volker Engelmann in seinem ehemaligen DienstzimmerQuelle: privat
Volker Engelmann in seinem ehemaligen Dienstzimmer

Flugreisen durch ganz Europa

Zur Flugausbildung gehört natürlich auch das Verhalten in Notsituationen. Eine solche musste – wie eingangs beschrieben – der routinierte Pilot Volker damals über Südtirol bewältigen. Und er tat genau das Richtige: Er setzte einen Mayday ab – erklärte seine Luftnotlage und landete sanft auf italienischem Boden. „Am Flugzeug war alles in Ordnung. Nur der Drehzahlmesser war kaputt“, berichtet Volker heute lächelnd von der „Beinahe-Katastrophe“.

So konnte die Flugreise um Italien planmäßig weitergehen. Und es waren ganz sicher nicht seine letzten Stunden im Flugzeug. Die nächsten Ausflüge mit dem Motorflugzeug sind schon in Planung, 2021 soll es zum Nordkap gehen: „Denn dieses unglaubliche Gefühl einfach abzuheben und die Freiheit zu spüren, lässt dich nie mehr los.“ Oder um es mit den Worten des Flugpioniers Otto Lilienthal zu sagen: „Fliegen, das ist alles.“