Fachwerkhaus XXL wird in Eigenleistung zum Mehrfamilienquartier umgebaut

Fachwerkhaus mit neuer Fassade

Familie Graefen lebt ihren Wohntraum in alten Gemäuern

Das Fachwerkhaus aus dem Jahr 1819 in der Dorfmitte von Kirchhundem ist durch seine imposante Größe und die neue, strahlend weiße Fassade nicht zu übersehen und lässt den baufälligen Zustand beim Kauf vor drei Jahren nicht mehr erahnen. Sohn und Maler-Azubi Maurice hat die Fassade erneuert und mit den Wappen von NRW und Kirchhundem verziert – zwei von vielen Blickfängern am und im Gebäude.

Das Baugrundstück war schon ausgesucht, die Architektenpläne fertig, und für Michaela und Bernhard Graefen aus Elspe war klar, dass sie neu bauen wollte. Der Entschluss hielt genau bis zu dem Augenblick, als Michaela auf eine Immobilienanzeige stieß und sich in das gewaltige, renovierungsbedürftige Anwesen in Kirchhundem verguckte. Die erste Besichtigung war dann allerdings mehr als ernüchternd, da sich zeigte, dass im einstigen Haus Griffeln/Hesse/Möllers seit über vier Jahrzehnten nichts instand gehalten worden war und die letzten Mieter sich zudem als Messies herausstellten, die in einer Nacht- und Nebelaktion das Haus verlassen hatten. Tonnen an Müll mussten erst einmal entsorgt werden und das Wort „renovierungsbedürftig“ erhielt eine völlig neue Bedeutung. Trotzdem war die Entscheidung gefallen: Dieses Haus sollte es sein. „Unsere Familien und Freunde hielten uns für verrückt, aber sie kennen uns ja nicht anders“, lacht Bernhard.

Staub, Dreck, Löcher im Dach und immer neue Überraschungen

In nur drei Monaten waren die ersten Räume soweit renoviert, dass die beiden mit zwei ihrer drei erwachsenen Söhne im September 2022 einziehen konnten. Michaela ist Geschäftsführerin einer Montagefirma und ihr Mann Bernhard arbeitet als Palliativpfleger im Krankenhaus Altenhundem. Beide sind also nicht vom Fach, haben aber offensichtlich handwerkliches Geschick in die Wiege gelegt bekommen und arbeiten sich sukzessive in die Materie Fachwerkrenovierung ein.

„Eine große Herausforderung stellen die Auflagen der Denkmalbehörde und der bürokratische Aufwand dar“, so Bernhard. „Wir bekommen aber wirklich tolle Unterstützung von der unteren Denkmalbehörde der Gemeinde Kirchhundem und der Dieter Mennekes Umweltstiftung sowie vom Land NRW. Es ist schön zu sehen, dass es angesehen und unterstützt wird, dass wir das alte Gebäude erhalten. Wir haben das Fachwerk zum Teil erneuern müssen und mit Lehmziegeln, Kalk- und Lehmputz diffusionsoffene Wände geschaffen, die ein tolles Raumklima erzeugen. Das war bisher wohl die größte Anstrengung, die Wände abzureißen und zu erneuern.“

Die Familie hat bis auf die Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten alles in Eigenleistung erbracht und noch ist kein Ende in Sicht. „Einen Zeitplan gibt es nicht, irgendwann sind wir fertig.“

Das verrückte Labyrinth auf 450 m² Wohnfläche – keine Wand ist gerade

So mancher Gast hat sich in den verzweigten Räumlichkeiten schon verlaufen. Bisher sind schon 450 Quadratmeter in vier Wohneinheiten aufgeteilt und teilweise renoviert. Wenn Ende des Jahres Bernhards Mutter aus der Pfalz hierher zieht, leben drei Generationen unter einem Dach. Auf dem 1.270 Quadratmetern großen Grundstück steht zudem eine Scheune (Baujahr 1905), die zusammen mit dem Heuboden über dem Hauptgebäude zusätzliche 350 Quadratmeter Wohnfläche bieten würde. Da sollen zukünftig Ferienwohnungen entstehen.

Wer denkt, dass die Hausrenovierung im XXL-Format neben den Vollzeitjobs Auslastung genug ist, kennt Familie Graefen schlecht: Neben Hund und Katze leben noch Hühner, ein Hahn und Enten auf dem Gelände, und auch an Hobbys mangelt es nicht.

Im Ort angekommen – tolle Dorfgemeinschaft

In Kirchhundem fühlte sich die Familie von Anfang an wohl. Bernhard, der neben Gitarre auch Klavier und Saxophon spielt, ist schnell in den Männergesangverein eingetreten und singt zudem in der Schola.

„In diesem Haus gab es bis in die 1980er Jahre eine Kneipe, Möllers Hof, wo traditionell Feste gefeiert wurden. Das würden wir gerne in Zukunft auch wieder aufleben lassen“, erzählt Bernhard von weiteren Plänen. An Ideen mangelt es wirklich nicht: Neben den Nutztieren, Ferienwohnungen und Festen möchten die beiden Anekdoten sammeln, die sich um das Haus ranken, und daraus eine Chronik erstellen. Außerdem möchten Michaela und Bernhard sich in einigen Jahren einen Oldtimer zulegen – zum Restaurieren, versteht sich.

Seit dem Kauf ist schon sehr viel geschafft, es sind Räume entstanden, die so in keinem Neubau zu finden sind, krumm, aber in jedem Fall einzigartig – genau das macht den Charme des geschichtsträchtigen Gebäudes aus.

Und die Familie scheint hier wirklich ihr Zuhause gefunden zu haben. Dieses Gefühl, angekommen und in der Dorfgemeinschaft aufgenommen worden zu sein, gibt ihnen die Kraft, weiterzumachen und nicht zu verzweifeln, wenn hinter der nächsten Wand wieder eine neue Überraschung lauert. Und wenn es ihnen doch mal zu bunt werden sollte, steht das Wohnmobil für eine Auszeit bereit – fernab von Staub, Wasserschäden und bürokratischen Hürden. Ein großes Projekt, das zeigt, was mit Ideen, Mut, Leidenschaft und handwerklichem Geschick möglich ist.