Europäische Gottesanbeterin auf dem Vormarsch

Quelle: Winfried Ruch/Observation.org

Münster (lwl). Ein Forschungsteam des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) hat mit Kollegen die Ausbreitung der „Europäischen Gottesanbeterin“ in Europa und speziell in Nordrhein-Westfalen untersucht. Ergebnis: Das Insekt, das die Wärme liebt, hat sich in Nordrhein-Westfalen ausgebreitet und wandert weiter ins Emsland.

„Die Gottesanbeterin ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützt, weshalb die genauen Vorkommen im Münsterland hier nicht bekannt gegeben werden. Klar ist, dass die bis zu acht Zentimeter langen Tiere mancherorts auch bei uns schon Fuß gefasst haben und sich seit einigen Jahren vermehren“, erklärt Dr. Jan Ole Kriegs, Museumsdirektor des LWL-Museums für Naturkunde in Münster.

Das Forschungsteam am LWL-Museum für Naturkunde hat seine Arbeit in der Schriftenreihe „Abhandlungen“ des Museums veröffentlicht und online als PDF zur Verfügung gestellt. Die Forscherinnen und Forscher haben unter anderem Tausende Fundmeldungen ausgewertet, die Ehrenamtliche auf der Beobachtungs-Internetplattform Observation.org gemeldet haben, mit der das Museum kooperiert. 

Vom Mittelmeer nach Norden

Das Hauptverbreitungsgebiet der Gottesanbeterin in Europa liegt im Mittelmeergebiet. Im Zuge des Klimawandels und steigenden Durchschnittstemperaturen breitet sich die Europäische Gottesanbeterin schon seit Jahren in Richtung Norden aus. Jetzt häufen sich auch Funde in Nordrhein-Westfalen, selbst bis ins angrenzende niedersächsische Emsland hat es die Art schon geschafft. „Dabei gehen wir davon aus, dass es neben einer kontinuierlichen Ausbreitung im Zuge des Klimawandels auch eine sprunghafte Ausbreitung gibt“, erklärt Kriegs, „So könnten die Tiere mit dem Güterverkehr wie etwas per Bahn transportiert werden und örtlich isolierte Vorkommen gründen. Begünstigt wird dies durch die Fähigkeit der Weibchen, auch unbefruchtete Eipakete zu legen, aus denen sich dann trotzdem Junge entwickeln. Das nennt man in der Biologie Parthenogenese, Jungfernzeugung.“

Quelle: LWL/Steinweg
Dr. Jan Ole Kriegs zeigt die aktuelle Verbreitung der Europäischen Gottesanbeterin in Deutschland. Quelle: LWL-Museum für Naturkunde. Foto: LWL/Steinweg

Die Europäische Gottesanbeterin gehört zur Art der Fangschrecken. Ihren Namen verdankt sie ihren zwei Fangarmen, die in Ruhestellung vor dem Körper gehalten werden und an zum Gebet erhobene Arme erinnern. Diese mit Dornen bestückten Fangarme bilden eine erfolgreiche Jagdwaffe. Durch einen, nur 50 bis 60 Millisekunden dauernden Fangschlag können sie effektiv kleinere Insekten wie Heuschrecken, Fliegen und Hautflügler fangen. 

„Den natürlichen Lebensraum der Europäischen Gottesanbeterin bilden trockenwarme Gras- und Buschlandschaften wie z. B. Brachflächen, Heiden und Halbtrockenrasen“, so Kriegs. „Wichtig ist dabei ein ausreichendes Nahrungsangebot an kleineren Heuschrecken und anderen Insekten.“


Literaturangabe
Sofie Beckerbauer, Lars Poorthuis, Alexander Franzen und Jan Ole Kriegs (2024): Die Ausbreitung der Europäischen Gottesanbeterin Mantis religiosa (Linnaeus 1758) in NRW, Deutschland und Europa: Citizen Science-Projekte machen die Mechanismen der Ausbreitung einer wärmeliebenden Art sichtbar. Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde, Band 106 (2024): 185-196


Link zum Artikel: https://www.lwl-naturkundemuseum-muenster.de/filer/canonical/1725260348/547809/