„Es geht mir um die Menschen im Kreis Soest“

Landrätin Eva Irrgang:

Der Kreis Soest gehört zur Wirtschaftsregion Südwestfalen und ist flächenmäßig mit mehr als 300.000 Einwohnerinnen und Einwohnern der viertgrößte Kreis in Nordrhein-Westfalen. Er wurde 1975 aus insgesamt sieben Städten und sieben Gemeinden mit den kurkölnischen Städten Rüthen und Warstein und der Gemeinde Möhnesee gegründet. Vor 1975 gehörte Möhnesee zum Altkreis Soest, Rüthen zum Altkreis Lippstadt und Warstein zum Altkreis Arnsberg.

Das WOLL-Magazin hat mit der Soester Landrätin Eva Irrgang über den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die wirtschaftliche Entwicklung und die touristischen Möglichkeiten im Kreis gesprochen. Irrgang ist seit dem 12. September 2007 im Amt und mittlerweile wieder die einzige Landrätin in Nordrhein-Westfalen. Im Gespräch wird deutlich, dass ihr Herz seit 16 Jahren für den Kreis Soest brennt. Und sie sagt sehr motiviert: „Ich mache das jeden Tag mit der gleichen Begeisterung wie am ersten. Diese Aufgabe liegt mir am Herzen. Dabei ist mir immer bewusst, dass es um Menschen geht. Wenn man das als Credo hat, bekommt man das meiste auch gemeinsam auf die Strecke.“

Vielfältiger Kreis

WOLL: Wie beschreiben Sie den Kreis Soest?
Landrätin Irrgang:
Landschaftlich zeichnet sich unser Kreis durch eine große Vielfalt zwischen Münsterländer Parklandschaft und dem beginnenden Sauerland aus. Wir haben Berge und Wald, Wasser-, Börde- und Parklandschaft und das macht den Kreis Soest so vielfältig. Auch die Menschen in unseren Dörfern und Städten leben sehr unterschiedlich, denn die Städte und Kommunen sind sehr heterogen. Wir haben die kleinen Kommunen zwischen 10.000 und 20.000 Einwohnern. Dann haben wir die mittlere Ebene. Werl hat etwa 30.000 Einwohner, dann kommt Soest mit 50.000 und Lippstadt als größte Stadt mit rund 70.000 Einwohnern. Ich selbst wohne in Wickede/Ruhr, einer kleinen Kommune direkt an der Ruhr mit rund 12.000 Einwohnern. Von daher haben wir sehr unterschiedliche Lebensräume. Das macht den Kreis Soest so vielfältig. Deshalb leben die Menschen gerne hier.

WOLL: Durch den Kreis Soest und die Soester Börde führt der Hellweg. Können Sie mehr darüber erzählen?
Landrätin Irrgang:
Der traditionsreiche Hellweg verbindet so geschichtsreiche Städte wie Werl, Soest, Erwitte, Lippstadt und Geseke in der Soester Börde. Am Hellweg gab es Salzproduktion und Salzgewinnung, die in der Vergangenheit nicht nur zu Wohlstand geführt haben, sondern auch eine Vielzahl kulturhistorischer und industriegeschichtlicher Zeugnisse hinterlassen. Wir haben drei Bäder im Kreis Soest: Bad Sassendorf, Bad Westernkotten und Bad Waldliesborn, die alle irgendwie aus dem Salz gekommen sind. Im Museum Westfälische Salzwelten in Bad Sassendorf kann man sich die Salzgewinnung heute noch anschauen. Total spannend. Salz ist Teil unserer Historie und wird immer eine Rolle spielen.

WOLL: Wie wichtig ist die Soester Börde für die Landwirtschaft im Kreis?
Landrätin Irrgang:
Gerade in der Börde sind wir landwirtschaftlich geprägt. Wir haben einen der besten Böden und ich kenne die Soester Börde schon aus meiner Kindheit als Kornkammer Westfalens. Das gilt noch heute. Es ist eine sehr fruchtbare Landschaft und deswegen muss man sich sehr genau überlegen, was man damit macht. Ich kann nur einmal etwas mit der Fläche machen, etwas anbauen zum Essen oder zum Verbrennen, Photovoltaik oder Windkraft draufstellen. Das ist eine große Diskussion, die wir heute führen.

WOLL: In welche Richtung geht diese Diskussion?
Landrätin Irrgang:
Das ist eine spannende Frage. Ganz wichtig: Die Umwelt spielt eine große Rolle im Kreis Soest. Wir haben im Kreis das größte Vogelschutzgebiet. 90 Prozent unserer Fläche sind Vogelschutzgebiet. Dort wird auch Vertragsnaturschutz betrieben. Und zusammen mit den Landwirten haben wir sehr viel für den Erhalt der Bodengüter, für die Bodendiversität getan. Ein Vogelschutzgebiet spielt natürlich auch eine Rolle beim Windkrafteinsatz. Der Kreis Soest steht diesbezüglich vor einer besonderen Herausforderung.

Wirtschaft und Tourismus

WOLL: Wie und wo verdienen die meisten Menschen im Kreis Soest ihr Geld?
Landrätin Irrgang:
Mehr als 65 Prozent der Menschen im Kreis Soest arbeiten im Dienstleistungsbereich und rund 30 Prozent im produzierenden Gewerbe. Wir haben hier große Betriebe, zum Beispiel die Automobilzulieferer Hella und Magna, den Halbleiterhersteller Infineon, den Thermostathersteller Heimeier, die Warsteiner Brauerei oder AEG Power Solutions. Aber wir haben auch eine ausgesprochen gute Struktur von familiengeführten Mittelstandsunternehmen. Der alte Spruch „Rückgrat der Wirtschaft ist der Mittelstand“ hat nach wie vor Gültigkeit, auch im Kreis Soest.

WOLL: Welche Bedeutung hat der Tourismus im Kreis Soest?
Landrätin Irrgang:
Der Umsatz im Tourismus hat einen Anteil an der Entstehung des Primäreinkommens von etwa drei Prozent. Das sind Daten aus 2019. Im Kreis Soest bestreiten fast 9.000 Menschen, gemessen am durchschnittlichen Primäreinkommen pro Kopf, ihren Lebensunterhalt aus dem Tourismus. Der Tourismus kann als Wirtschaftszweig mit einer attraktiven touristischen Infrastruktur neue Mitarbeiter für Unternehmen anlocken. Und der Tourismus erhöht den Freizeitwert und die Lebensqualität für Touristen, aber auch für die Bewohnerinnen und Bewohner der Region. Und da bin ich wieder bei meiner Vielfältigkeit. Wir haben gemeinsam mit dem Hochsauerlandkreis den Naturpark Arnsberger Wald, wo viel investiert wird. Dann gilt gerade touristisch, dass der Kreis fürs Ruhrgebiet und für die Niederländer ein großer Magnet ist. Und der Kreis Soest ist natürlich eine Fahrradregion.

WOLL: Aber man hört immer, dass viele Niederländer und Belgier an Soest vorbeifahren, weil Sie unterwegs sind zu den Attraktionen rund um Winterberg und Willingen?
Landrätin Irrgang:
Höher, schneller und weiter. Aber manchmal ist es auch ganz schön, durch die Altstadt von Soest zu wandern, und zu schauen, wie es historisch bei uns aussah, oder durch Werl mit seiner Basilika, oder durch Lippstadt, Erwitte oder Geseke. Der Kreis Soest hat viel zu bieten, mit seinen schönen, historischen Innenstädten. Man kann hier durch die alten Gassen wandern und sich am Ende irgendwo auf den Marktplatz setzen und eine Tasse Kaffee trinken. Das kann ein schöner Tag sein. Der nächste setzt sich aufs Fahrrad und radelt 50 Kilometer durch die Gegend. Das alles ist im Kreis Soest möglich und diese Vielfalt kann jeder hier finden. Selbst besuche ich immer gerne den Möhnesee, den Lörmecketurm im Arnsberger Wald und die Lippe-Auen.

WOLL: Was ist Ihre ganz persönliche Nachricht an unsere Leserinnen und Leser?
Landrätin Irrgang:
Ich kann nur dafür werben, den Kreis Soest zu besuchen und die vielen kleinen und großen Highlights zu nutzen, die wir haben. Genießen und einfach mal die Seele baumeln lassen. Und ich will gerne deutlich machen, dass wir in der Wirtschaftsregion Südwestfalen ein attraktiver Standort für Arbeitskräfte sind. Wir brauchen die Menschen hier, und der Slogan „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“, da ist was dran. Ich kann nur dafür werben, zu kommen, zu bleiben oder wiederzukommen, trotz aller Probleme, die man vielleicht gerade hat. Wir haben das große Problem in Lüdenscheid mit der Rahmedetal-Brücke auf der A 45. Das ist nicht nur das Problem von Landrat Marco Voge im Märkischen Kreis. Hier stehen alle fünf Landräte der Region wirklich zusammen. Wenn ich für den Kreis Soest spreche, dann ist meine Botschaft Vielfältigkeit. Ich behaupte nach wie vor: Der Kreis Soest ist einer der vielfältigsten von allen, weil wir so heterogen sind. Und wir sind einer der schönsten Kreise überhaupt!