Quelle: Woll-Magazin online
Unter der Überschrift „WALD! WIND? megaWATT?“ fand gestern Abend in der Eventlocation HABBELS in Schmallenberg eine Podiumsdiskussion zur aktuellen Situation über Erneuerbare Energien im Sauerland statt. Eingeladen hatten die beiden Naturschutzvereine Mitten im Sauerland e.V. und Verein für Umwelt- und Naturschutz Schmallenberg e.V.
Energiewende per Notstandsgesetz
Zur Begrüßung und vor der Podiumsdiskussion informierte Guido Festerer, als Vertreter der beiden Veranstalter, die über 100 Gäste im bis auf den letzten Platz besetzten Habbels und die Zuschauer der Livestreams auf Youtube und Facebook über die Hintergründe. Frank Dubberke, Moderator der Veranstalter dazu: „Der Bau von 130 geplanten Windrädern in den hiesigen, immer noch landschaftlich einzigartigen Naturräumen sollen kritisch hinterfragt werden. Durch den russischen Angriffskrieg und dem plötzlichen Wegfall des billigen, russischen Gases, wurde der Ausbau der Windkraft per EU-Notstandsgesetz zum übergeordneten nationalen Interesse erklärt. Die Energiewende per Notstandsgesetz bedeutet, dass der Bundesminister Habeck Genehmigungen für Windräder auch ohne Prüfung des Artenschutzes und ohne Bürgerbefragung erteilen darf.“ Und weiter Frank Dubberke: „Ist damit die künftige decarbonisierte Energiewende ebenso nachhaltig wie umfänglich umsetzbar?“
Interessen von Waldbesitzern, Bürgern, Tourismus und Ortschaften in Einklang bringen
Waldbesitzer, die ihre bewirtschafteten Flächen in großen Teilen verloren haben, sehen in der Ansiedlung der Windkraft und den damit verbundenen regelmäßigen Pachtzahlungen eine gute Möglichkeit, entstandene Verluste zu kompensieren. Frank Dubberke: „Dürfen dafür bestehende Waldflächen abgeholzt werden, beziehungsweise Kalamitätsflächen nicht wieder aufgeforstet werden?“
Der Nutzung von Waldflächen für den Bau von Windrädern stehen die hiesigen Naturschutzvereine unversöhnlich gegenüber, die einen Verlust dieser einzigartigen Kultur- und Naturlandschaft befürchten, die zudem einen wesentlichen Anteil zum natürlichen Klima- und Artenschutz leistet, zu dem sich die Bundesregierung gegenüber den europäischen Ländern verpflichtet hat. Frank Dubberke: „Sind beide Positionen unvereinbar?“
Für die Tourismusindustrie ist diese Naturlandschaft ohne Windräder im Sauerland im Wesentlichen die Existenzgrundlage. Touristen kommen hierher, um die weitläufigen Waldlandschaften bei ausgedehnten Wanderungen in völliger Ruhe zu genießen, statt von dem Lärm und der bedrohlichen Kulisse der über 250 m hohen Windkraftanlagen gestört zu werden. Der Moderator: „Müssen unter anderem die hiesigen Hotelbetreiber um ihre Zukunft fürchten?“
Durch viele der betroffenen Ortschaften geht durch die Ansiedlung der Windindustrieanlagen ein tiefer Riss in der Bevölkerung. Auch hier stehen sich die Befürworter, meistens Waldbesitzer, die Flächen verpachten möchten und Gegner, die gesundheitliche Schäden durch Windräder befürchten, wie auch den Wertverlust ihrer Immobilien, unversöhnlich gegenüber.
„Ziel dieser Diskussion soll es sein, die unterschiedlichen Positionen darzustellen, um am Ende vielleicht einen Weg aufzuzeigen, wie diese Sauerländer Kulturlandschaft für die folgenden Generationen möglichst erhalten werden kann und wie dieser „echte Naturschutz“ aussehen sollte“, so Frank Dubberke ans Publikum gerichtet. „Um Ihnen einen möglichst umfassenden Einblick in das Thema zu geben, haben wir eine hochkarätige Referenten eingeladen, die in ihren Vorträgen das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten werden.“
Gesetze, Daten und Fakten
Zunächst informierte Regierungspräsident Heinrich Böckelühr über die aktuelle Gesetzeslage und die Auswirkungen auf die Regionalplanung. Rechtsanwalt Thomas Mock schilderte aus Sicht der Industrie, welche Folgen mit der Energiewende und vor allem der Priorisierung der Windenergie verbunden sind. Hotelier Wolfgang Klein, dessen Betrieb von in unmittelbarer Nähe geplanten Windindustrieanlagen unmittelbar betroffen sein wird, legte seine Befürchtungen für einen rückläufigen Tourismus dar. Danach schilderte Forstamtsleiter Frank Rosenkranz von Wald und Holz NRW unter welchen Rahmenbedingungen Windindustrieanlagen in Zukunft auch in Wäldern und Naturschutzflächen geplant gebaut werden dürfen. Prof. Dieter Köhler, Mediziner, Hochschullehrer und Ingenieur stellte in seinem Vortrag abschließend fest: „Das Sauerland ist eine windarme Region, weswegen Windenergieanlagen weniger wirksam sind. Der Erntefaktor liegt deutlich unterhalb der Wirtschaftlichkeitsgrenze. Ökologische Auswirkungen sind noch nicht berücksichtigt. Der Bau solcher Anlagen macht hier überhaupt keinen Sinn.“ Zum Schluss informierte Professorin Klaudia Witte von der Uni Siegen über die Ökosystemleistungen unserer Wälder und die Konflikte von Windenergieanlagen im Wald, zwischen Klimaschutz und Artenschutz.
Fragen aus dem Publikum und Fragen aus dem Chat sorgten für eine anschließende, lebhafte Diskussion. Die drei anwesenden Bürgermister Burkhard König, Schmallenberg, Stephan Kersting, Eslohe und Christoph Weber, Meschede bekamen ebenso wie der Regierungspräsident Heinrich Böckelühr den Unmut über geplante Projekte in ihren Städten und Gemeinden zu hören. Nach Aussagen des Regierungspräsidenten wird es in den kommenden Wochen eine neue Vorgabe der Landesregierung geben. Danach wird mit den Städten und Gemeinden daran gearbeitet, welche Flächen für den Bau von Windindustrieanlagen im Sauerland in Betracht kommen. Die Diskussion über Erneuerbare Energien im Sauerland hat, so lässt sich vermuten, gerade erst begonnen.
Die Vorträge und die Diskussion können Sie hier noch einmal sehen!