Erinnerung an Elsbeth Rickers

WOLL Sauerland Elsbeth Rickers

Die „Grande Dame“ der Politik in Südwestfalen, Elsbeth Rickers aus Wenden, ist am 20. September 2014 im Alter von 98 Jahren im Gerhardus-Haus der Olper Franziskanerinnen in Drolshagen gestorben. Sie war und wird wohl auch in Zukunft das „Soziale Gewissen“ der CDU bleiben, ihrer Partei, der sie seit der Gründung nach dem Krieg die Treue gehalten hatte.
Dort, wo Not am Mann war, packte sie an. Vor unpopulären Dingen war ihr nicht bange. Sie fürchtete weder die öffentliche Meinung noch die ihrer Partei noch die der vielen Gremien und Vereine, in denen sie wirkte. Für sie zählte die Nächsten-liebe. Die stand bei ihr an erster Stelle.
Elsbeth Rickers, geboren am 20. April 1916 in Essen, kam als junges Mädchen ins Sauerland. Ihr Vater war Direktor der ehemaligen Strumpffabrik in Wenden. Nach der mittleren Reife am Oberlyzeum der Olper Franziskanerinnen wurde sie Krankenschwester. Sie arbeitete als Röntgenassistentin, später als Operationsschwester. Nach der Heirat mit Karl Rickers lebte das junge Paar in Leipzig. Dann kam der Krieg. Tochter Ursel war schon geboren, mit Sohn Thomas war die junge Frau schwanger. Plötzlich ging in Leipzig das Telefon. Über eine Wehrmachtsleitung meldete sich ihr Ehemann aus der Festung in Breslau. „Elsbeth, du fährst sofort, auf der Stelle, nach Wenden! Nicht erst morgen früh, sondern augenblicklich!“ Über Kassel landeten Mutter und Tochter in Brilon-Wald. Dort stand der Chauffeur ihres Vaters mit einem Holzvergaser-Lkw. In dieser Nacht wurde Leipzig von alliierten Bombern in Schutt und Asche gelegt. Das Telefonat mit ihrem Mann war das letzte Mal, dass sie mit ihm gesprochen hat. Es hat Frau und Kind möglicherweise das Leben gerettet. Leutnant Karl Rickers ist bis heute vermisst.
Alleinerziehend, aber im Schutz ihres Elternhauses, packte die junge Frau in der Nachkriegszeit kräftig mit an. Ob für die vielen Ostflüchtlinge das Nötigste besorgt werden musste, ob es der Caritasverband war oder der VdK, ob für die Belange der Kirchengemeinde St. Severinus in Wenden oder die Politik der CDU in Kreis und Land NRW: Auf Elsbeth Rickers konnte die Gesellschaft zählen. Egal, ob Industrie, Banken oder Private. Und sollten die genannten Türen sich mal etwas schwergängig gezeigt haben, dann half sie mit einer klaren Ansage auch nach. Es waren nie die großen, meist nur theoretischen Programme, die fast nie etwas bewegen. Nein, Elsbeth Rickers gab sich praktisch. Als die Flüchtlinge nach dem Krieg in den ehemaligen Reichsarbeitsdienstbaracken in Brün keine Matratzen in den Betten hatten, da ließ sie Strohsäcke nähen, damit wenigstens die Härte der Bretter etwas gemildert wurde. Und wenn es an Waschschüsseln, Töpfen und Eimern fehlte, dann nutzte sie kurzerhand die Verbindungen ihres Vaters zum Eichener Walzwerk.
Dass Elsbeth Rickers als erste Frau dem Kreistag in Olpe angehörte, wunderte niemanden. Von 1964 bis 1983 war sie Vorsitzende im Sozial- und im Jugendwohlfahrtsausschuss. 15 Jahre lang wirkte sie als CDU-Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag. Sie hat große Verdienste am Fortbestand des Kreises Olpe während der kommunalen Gebietsreform zu Anfang der 1970er-Jahre. Sie scheute sich damals bei der Abstimmung nicht, vor allem „ihren roten Freund von der SPD“, Prof. Friedhelm Farthmann, vor den Karren zu spannen und so das Votum für den Erhalt mehrheitsfähig zu machen.
In Anerkennung ihrer zahlreichen Verdienste wurden ihr das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und der Verdienstorden des Landes NRW verliehen. Ihre Heimatgemeinde Wenden ehrte sie außerdem mit dem Goldenen Ehrenring.
1994 ehrte Papst Johannes Paul II. die frühere Bundesvorsitzende der Caritaskonferenzen und langjährige stellvertretende Vorsitzende des Paderborner Diözesan-Caritasverbandes als erste Frau überhaupt mit dem „Päpstlichen Ritterorden vom heiligen Sylvester“. Kurz zuvor hatte sie die höchste Auszeichnung der Caritas, den „Silbernen Brotteller“, erhalten.
In jüngster Vergangenheit wurde das bemerkenswerte Lebenswerk von Elsbeth Rickers an ihrem 90. und auch 95. Geburtstag öffentlich gewürdigt. Als einzige Person in Wenden wurde sie anlässlich ihres 90. Geburtstages zur Ehrenbürgerin ernannt. „Du hast der Caritas ein Gesicht gegeben“, sagte am 20. April 2006 bei der Sondersitzung im Wendener Rathaus der langjährige Vorsitzende des Diözesan-Caritasverbandes Paderborn, Prälat Josef Becker.
Bis zuletzt setzte sie Meilensteine. Das „Mutter-Kind-Haus Aline“, die Aktionen beim Kinderhospiz Balthasar, beim „Erwachsenen-Hospiz der Heiligen Elisabeth“ in Altenhundem und nicht zuletzt mit der „Elsbeth-Rickers-Stiftung“, aus deren Erlösen jungen Müttern mit Kindern in Notlagen unter die Arme gegriffen wird, werden immer mit ihrem Namen verbunden sein. In ihrer Schlussrede sagte sie damals: „Ich habe den Wunsch, dass die Wendener ihre christlichen Wurzeln bewahren und an die Kinder und Kindeskinder weitergeben.“
Am 20. April 1996 kam Prof. Dr. Kurt Biedenkopf nach Wenden. Mit ihm als damaligem Oppositionsführer hatte Elsbeth Rickers zusammen im Düsseldorfer Landtag gesessen. Noch 2010 gratulierte sie ihm in Berlin persönlich zum 80. Geburtstag. „Elsbeth, nein, wie ich mich freue“, sagte damals der ehemalige sächsische Ministerpräsident zu dem Überraschungsbesuch seiner politischen Weggefährtin, die zusammen mit dem ehemaligen Geschäftsführer der „Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe“ (GFO), Joachim Bovelet, und dessen Assistentin Peggy Schreckenbach im Auditorium saß. Das war das letzte Mal, dass sich Biedenkopf und Elsbeth Rickers gesehen haben.
Text und Foto: Paul Rötz
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