Quelle: Georg Giannikis
Anja Ullrich aus Wallen kümmert sich um ungeklärte Nachlässe
„Unser aktuell höchster Nachlass, für den wir Hinterbliebene als Erben suchen, beträgt 400.000 Euro“, erzählt Anja Ullrich. Immer wieder versterben Menschen, ohne ein gültiges Testament zu hinterlassen. In solchen Fällen tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Das bedeutet, den nächsten Familienangehörigen steht das Vermögen, oder Anteile davon, zu. Doch was, wenn zunächst keine Verwandten bekannt sind? „Genau dann werden wir tätig“, so Anja Ullrich. „Wir sind als Nachlasspfleger im hiesigen Raum tätig!“
Den schönen Traum vom Brief aus Amerika, in dem ein Notar einen Erben für das Vermögen eines verstorbenen Onkels sucht, hat wohl jeder schon mal geträumt. Doch auch hier im Sauerland gibt es gelegentlich ungeklärte Familienzugehörigkeiten, unvollständige Stammbäume oder nicht auffindbare Verwandte. Gemeinsam mit ihrer Angestellten Brigitte Berkenkopf macht sich Anja Ullrich in solchen Fällen ans Werk.
Die gesetzlichen Vertreter der unbekannten Erben
Auch wenn kein Vermögen, vielleicht sogar Schulden, vorhanden sind, gibt es Arbeit für die beiden. „Generell gilt: Wenn ein Mensch alleinstehend verstirbt, ist oft der Einsatz von Nachlasspflegern erforderlich“, so Anja Ullrich. „Meistens kommen unsere Aufträge vom Amtsgericht. Von diesem Augenblick an sind wir die gesetzlichen Vertreter der unbekannten Erben und übernehmen daher alle dessen Rechte und Pflichten.“
Gut versteckt im Kulturbeutel: 30.000 Euro
Brigitte Berkenkopf beschreibt ihre Tätigkeit so: „Wir gehen möglichst zeitnah, immer zu zweit, in die Wohnung des Verstorbenen und verschaffen uns eine erste Übersicht. Gibt es ein Testament? Manchmal ist es ordentlich in einem Ordner abgeheftet; bei anderen liegt es im Schlafzimmer unter den gebügelten Taschentüchern. Wir schauen auch nach Sparbüchern, Schmuck, wertvollen Bildern, kostbaren Möbeln, Edelmetallen oder Bargeld. Erst kürzlich fanden wir im unauffälligen Kulturbeutel einer Verstorbenen 30.000 Euro in 50er-Scheinen, verpackt in Alufolie. Alle Werte müssen ordentlich dokumentiert und verwahrt werden.“
Ohne Testament wird die Suche aufwändig
Anja Ullrich ergänzt: „Meist schleppen wir waschkörbeweise Akten und Unterlagen in unser Büro nach Meschede-Wallen, und daraus entsteht viel Arbeit für die nächsten Wochen: Strom und Telefon abmelden, Abos beenden, das Konto auflösen und vieles mehr. Zudem muss der Mietvertrag gekündigt und die Ausräumung der Wohnung beauftragt werden. Falls ein Testament gefunden wurde, prüfen wir dessen Gültigkeit, denn oft scheitert es beispielsweise schon daran, dass der letzte Wille nicht unterschrieben wurde. Dann, aber auch bei fehlendem Testament, müssen die Erben oft aufwändig gesucht werden.“
Im Einsatz für den privaten Erben
Doch nicht nur vom Amtsgericht kommen die Aufträge für das Nachlassverwalter-Team aus Wallen. „Auch Privatleute können sich an uns wenden“, berichtet Anja Ullrich. „Oft ist eine Erbauseinandersetzung schwierig, wenn nicht alle Verwandten bekannt sind oder irgendwo im Ausland leben. Doch bevor diese nicht nachweisbar gefunden wurden, wird kein Erbschein erstellt und das Erbe kann nicht angetreten werden. Diese kniffelige Recherchearbeit übernehmen wir dann ebenfalls gern. Wir nehmen Kontakt zu Behörden auf und setzen unser, durch regelmäßige Schulungen erworbenes, Expertenwissen fachmännisch ein, um eine Lösung innerhalb einer akzeptablen Zeit anzustreben. Durch unsere Kontakte innerhalb eines großen Netzwerkes sind Unterlagen in fremden Sprachen keine Hürde mehr. Wenn es aber bloß um ein Dokument geht, das seinerzeit in Sütterlin geschrieben wurde, reicht auch unser eigenes Wissen aus, um uns auf die Suche nach den fehlenden Erben zu machen.“
Dank Expertenwissen zur Miss Marple
Beide Damen sind sich einig: „Jeder Fall ist anders, aber fast immer ist unsere Aufgabe spannend. Da werden wir regelmäßig zur sauerländischen Miss Marple.“