Entscheidung der Stadt Olpe sorgt für bundesweites Aufsehen

Quelle: Stadtarchiv Olpe

In einem „Offenen Brief“ wendet sich der VdA Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. an den Bürgermeister und die Stadtverordneten der Kreisstadt Olpe. Gleichzeitig wurde der auf den 1. Februar datierte Brief an die Vorsitzenden der Fraktionen der CDU, SPD, Grüne, FDP, OLO und USC Olpe in der Stadtverordnetenversammlung Olpe gerichtet. Der VdA bemängelt darin mit Bestürzung die Entscheidung, nach Ausscheiden des jetzigen Arichivleiters die Stelle im mit ein kw-Vermerk zu versehen und sie dann dem zu gründenden Museum zuzuschlagen.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Weber, 

in einem offenen Brief an den Bürgermeister und die Stadtverordneten der Kreisstadt Olpe vom 23. Januar 2023 haben zahlreiche renommierte Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Forschung wie auch Fachkolleginnen und Kollegen mit Bestürzung auf die Entscheidung reagiert, nach Ausscheiden des jetzigen Archivleiters die Stelle mit einem kw-Vermerk zu versehen und sie dem zu gründenden Museum zuzuschlagen. Die Entscheidung der Politik in Olpe hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. 

Dem Protest schließt sich der VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. vorbehaltlos an und fordert die Politikerinnen und Politiker auf, die Entscheidung unverzüglich zu kassieren. 

Die Einrichtung von Archiven als gesetzliche Pflichtaufgabe, auch für Kommunen, ab Mitte der 1980er-Jahre mit Verabschiedung der Archivgesetze von Bund und Ländern verdeutlichte bereits die zentralen und unverzichtbaren Funktionen der Archive: Kommunalarchive sichern bedeutende Kulturgüter und authentische Informationen, sie sichern Recht und machen Informationen für alle zugänglich. Als Orte lebendiger Geschichtsvermittlung laden sie Bürgerinnen und Bürger zur Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte ein und wirken identitätsstiftend. Damit tragen sie gleichzeitig entscheidend zur Förderung und Stärkung der Demokratie bei. 

Unsere Gesellschaft befindet sich stark im Wandel. Die Entwicklung hin zu einer modernen Wissens- und Informationsgesellschaft verändert auch die Anforderungen an die Arbeit der Archive. Der Deutsche Städtetag hat dies zum Anlass genommen, das Profil und damit verbunden die Aufgaben von Kommunalarchiven nochmals zu schärfen: 

– Archive entscheiden verantwortungsvoll, welche Quellen unserer Zeit auf Dauer für die Zukunft erhalten bleiben. In Zeiten zunehmender Fake News sind Archive insbesondere Garanten für unverfälschte und authentische Informationen und verfügen damit über ein Alleinstellungsmerkmal. Mit ihrer Expertise sichern sie nicht nur die Authentizität von Informationen sowie deren dauerhaften Erhalt, sie ermöglichen auch deren Überprüfung, indem sie Informationen zu ihrem jeweiligen Entstehungskontext erheben und bereitstellen. 

– Die Quellen in den Archiven müssen erschlossen und deren Ergebnisse in Online-Portalen präsentiert werden. Nur so sind diese von der interessierten Öffentlichkeit auffindbar und können für vielfältige Fragestellungen genutzt werden. Diese Aufgabe ist zeitintensiv und erfordert archivfachliches Wissen. 

– Mit ihrer ausgewiesenen Expertise im Wissens-, Daten- und Informationsmanagement sind Archive zentraler Ansprechpartner bei allen Fragen der Digitalisierung. Sie unterstützen damit kompetent den digitalen Wandel und sichern das kulturelle Erbe für die Zukunft, das andernfalls unwiederbringlich verloren gehen würde. 

– Im Rahmen von Bildungsarbeit tragen Archive aktiv zur Entwicklung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins bei und vermitteln zugleich Medien- und Urteilskompetenz. 

Die Anforderungen an eine professionelle Archivarbeit sind höher denn je: Neben fachlich geeigneter Unterbringung und ausreichender finanzieller Ausstattung benötigt sie dringend 

– Kontinuität und Konzentration auf die komplexen Fachaufgaben sowie 

– qualifiziertes Personal mit umfassender archivfachlicher Fachausbildung (v.a. Kenntnisse in Archivwissenschaft, Informationstechnologie, Recht, Bestandserhaltung). 

Die Entscheidung der Politik in Olpe, das Stadtarchiv nach 40 Jahren erfolgreicher Tätigkeit zu einem Anhängsel eines zu gründenden Stadtmuseums zu machen mit dem erklärten Ziel, einen „Museumsbetrieb mit Erlebnischarakter“ zu schaffen, ist unverantwortlich. Archivarbeit im 21. Jahrhundert mit allen Herausforderungen der digitalen Welt als Nebenjob eines Museums zu betreiben, wird unwiderruflich zu Überlieferungsverlusten auf allen Gebieten führen. Wenn sich die Stadt Olpe ein Stadtmuseum leisten möchte, dann bitte nicht durch Streichung der Archivleiterstelle! Und: Die Aussage „Archive leiten kann doch jeder“ stimmt in Zeiten des digitalen Wandels noch weniger denn je. Sie ist falsch und führt ins Abseits. 

Mit freundlichen Grüßen 

Ralf Jacob 

Kopie an die Vorsitzenden der Fraktionen von CDU, SPD, Grüne, FDP, OLO und UCW Olpe 

in der Stadtverordnetenversammlung Olpe