„Einen Tag mal wieder glücklich sein!“

Ein glücklicher Tag mit Winnetou und Old Shatterhand (Jean-Marc Birkholz und Martin Krah)

Wer erinnert sich noch an die abendlichen oder nächtlichen Stunden, wo vorsichtig das schale Licht einer Nachttischlampe angeknipst und der dicke Karl-May-Wälzer unterm Bett hervorgeholt wurde? Tief versunken in die spannenden Erzählungen von Winnetou und Old Shatterhand vergingen die Stunden wie im Fluge. Irgendwann schlief man aufgewühlt und glücklich ein. Das Gute hatte über das Böse gesiegt. Die Welt war wieder in Ordnung.

Winnetou und Old Shatterhand

Die Einladung zur Premiere der diesjährigen Karl-May-Festspiele Elspe am 17. Juni schnell in die Jackentasche gesteckt und ab geht es zur zwanzigminütigen Fahrt nach Elspe. Rechts abbiegen. Straße hoch. Parken. Aussteigen und schon nach wenigen Schritten stehe ich am Eingangstor des Elspe-Festival-Geländes. Es ist 10:00 Uhr morgens. Was erwartet mich und die über 4000 Besucherinnen und Besucher an diesem Tag, die aus allen Himmelsrichtungen aufgebrochen sind um „Winnetou und Old Shatterhand „Unter Geiern im Llano Estacado“ zu sehen. So steht es im Programm. WOLL-Fotograf Hubertus Theile der vor vielen, vielen Jahren das letzte Mal bei den Karl-May-Aufführungen in Elspe war, ist überrascht von der Größe des Geländes und der Vielzahl an Gebäuden, Hallen, Hütten und Ecken. „Hereinspaziert in die Welt des Wilden Westens, in eine Zeit, die uns Karl May in zahlreichen Werken, von denen die Geschichten von Winnetou und Old Shatterhand zu den bekanntesten gehören, bildreich und leidenschaftlich beschrieben hat. Den Machern des Elspe-Feistivals, die Frauen und Männer, die vor 65 Jahren zum ersten Mal Karl May auf die Bühne in Elspe gebracht haben, ist es wunderbar gelungen, diese nur in Worten geschilderte Welt in traumhafte Kulissen umzusetzen. Wir lassen die reale Welt des Jahres 2023 mit ihren Krisen und Negativschlagzeilen hinter uns und tauchen ein in die Zeit vor rund 150 Jahren und das damalige Lebensgefühl abgestimmt.

Über 4000 Zuschauer bei der Premiere 2023: Unter Geiern

Es darf so richtig gelacht werden

„Erleben Sie die ultimative Kombination aus spannenden Stunts und Humor in der Stunshow High Noon!“ Werden Sie Zeuge unglaublicher Action voller Spannung, gepaart mit einem Angriff auf ihre Lachmuskeln.“ So wird im Programmheft die „Stunshow „High Noon“ vorgestellt, die um 10:30 in der großen Festivalhalle aufgeführt wird. Das wollen wir sehen. Das Stuntteam aus sechs Künstlern (fünf Männern und einer Frau) aus vier Ländern hält, was die Ankündigung verspricht. Markus Lürick, einer der Stuntshow-Künstler moderiert mit trockenem Humor und Fingerspitzengefühl die Vorführungen seiner Kollegen und ist, wenn erforderlich selbst mitten im Geschehen. Kinder aus dem Publikum werden mit in die unterhaltsame Show einbezogen und bringen die Halle zum Beben. Nicht nur die Kinder und Jugendlichen, Menschen aller Altersgruppen sparen nicht mit Applaus für das kurzweilige und Begeisterung vorgeführte Programm. Empfehlung: das kann man sich zweimal ansehen, was an diesem Tag auch möglich ist.

„Wenn ich mich nicht irre!“ Sam Hawkens (Matthias Schlüter) und Sara, Farmersfrau (Sarah Gösser)

Schnell lehrt sich die Halle. Die meisten Besucher eilen geschwind in den auf der gegenüberliegenden Seite gelegenen Reitpark. Die Reiter- und Greifvogelshow „Horses und Hawks“ wartet auf uns. Um die harmonische Integration von Greifvögeln, Pferden und Akrobatik in einer Show zu zeigen, ist ein intensives Training und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Trainern und Tieren unerlässlich“, ist zu lesen. Im Mittelpunkt steht dabei der richtige Umgang mit den Tieren und die Entwicklung von gegenseitigem Respekt. „Die Kombination von Pferden und Feuer erfordert umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen und spezialisierte Helfer“. Der Erfolg der Auftritte in der Show und in den Karl-May Aufführungen hängt von der sorgfältigen Koordination und Synergien zwischen allen Beteiligten ab. Das zeigen Sarah Kühne und acht Akteure aus fünf Ländern in der Show „Horses & Hawks“. Fasziniert schauen wir zu, wie die Greifvögel durch die Arena gleiten und Reiter und Pferde bei ihren Vorführungen wahrlich eine Einheit bilden und man nicht den Eindruck von harter Dressur bekommt. Es scheint allen Akteuren Freude zu bereiten, das trainierte Können vor den vollen Rängen zu zeigen. Die meisten Akteure werden wir gleich auf der großen Bühne in unterschiedlichen Rollen wiedersehen.

Die Kombination von Pferden und Feuer erfordert umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen und spezialisierte Helfer.

Mit allen Sinnen genießen

Augen und Ohren kommen beim Elspe-Festival voll und ganz auf ihre Kosten. Dazu zählt in diesem Jahr auch die Musicshow „The Show must go on“. Sechs spielfreudige und leidenschaftliche Akteure der Kammeroper Köln zeigen in der Showhalle wie einmal ein Musical eine Kleinstadt im Wilden Westen zusammengebracht hat, um die Liebe zu retten. Die dargebotenen Hits aus großen Broadway Musicals verleiten selbst mitzutanzen. Auch diese Show wird zweimal am Tag vor dem großen Höhepunkt dem Karl May-Drama „Unter Geiern“ aufgeführt.

Zwischen den verschiedenen Vorführungen und Aufführungen unterhalten auf dem Festivalgelände noch die TYRKYS, eine tschechische Profiband mit allen Spielarten der amerikanischen Country- und Rockmusik sowie Straßenkünstler das fröhlich gestimmte Publikum. „200 Servicekräfte und viele weitere fleißige Hände tun alles“, so Geschäftsführer Philipp Aßhoff, „um den ganzen Tag den Gästen eine unvergessliche Zeit zu bereiten.“

Jetzt wird es langsam Zeit: 14:30 Uhr, noch fünfzehn Minuten. Dann beginnt die Premierenvorstellung „Unter Geiern“. Im vollbesetzten und überdachten Rund der Festivalbühne warten rund viertausend aufgeregte Winnetou- und Old Shatterhand-Fans, dass es endlich beginnt.

Schiba-bigk, Häuptling der Komantschen (Tim Forssmann)

Geier in der Gegend

Die Karl May-Geschichte „Unter Geiern“ spielt in der Mitte zwischen Texas und New Mexico. Hier liegt der Liano Estacado, eine ziemlich unwegsame Wüste, in der sich allerlei lichtscheues Gesindel versteckt. Eine dieser Banden, die ihren Unterschlupf im Liano gefunden haben, sind die „Geier“. Sie überfallen Farmen, locken Reisende in die Irre, plündern sie aus und töten sie. Die Familie Fuchs aus Deutschland kommt mit dem Zug in diese Gegend. Es passiert eine Menge. Helmers Home ist immer wieder Zufluchtsort und Treffpunkt. Die Postkutsche kommt ebenso vorbei wie die „Geierbande“. Es knallt und kracht. Old Shatterhand und Winnetou treffen sich und der Geist des Liano Estacado erscheint mehrmals wie aus dem Nichts, umgeben von dichtem Nebel und beschwört kommende Ereignisse. Dazu schwebt der Geier „Choise“ mit seinen gewaltigen Schwingen über das Bühnengelände. Ein Siedlertreck unter der Führung des allseits bekannten Westernhelden Sam Hawkens, ein windiger Mormonen-Geistlicher, Komantschen und ein Überfall auf den Treck, ein entscheidender Zweikampf zwischen Winnetou und dem Häuptling der Komantschen und dann die sehnsüchtig erwartete Entscheidung, bei der Sir David Lindsay eine höchst unterhaltsame Nebenrolle spielt, deuten auf das von allen Zuschauern schobn erwartete, spektakuläre Ende hin. Die Dynamitladung explodiert. Der windige, verkleidete Mormonen-Priester Weller stürzt in den Abgrund. Feuersäulen ragen zum Himmel, ein gewaltiger Wasserfall stürzt ins Tal. Die Weller-Bande hat sich selbst gerichtet. Es herrscht wieder Frieden im Gebiet der Komantschen.

Aus dem Nebel taucht der „Geist des Liano Estacado“ auf.

Der Applaus der Zuschauer kennte keine Grenzen. Erleichtert und voller Freude zeigen die reitenden Akteure in waghalsigen Ritten nochmals ihr reiterliches Können und verabschieden sich zusammen mit allen anderen Schauspielerinnen und Schauspielern und Helfern winkend und erleichtert von der bombastischen Freilichtbühne Elspe. Das mit Pause fast zweieinhalbstündige Spektakel geht zu Ende. Bewundernd und erzählend begeben sich die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer glücklich und zufrieden zum Ausgang. WOLL-Fotograf Hubertus Theile ordnet seine zahlreichen Objektive, die er für hunderte von Aufnahmen benutzt hat und ist sichtlich zufrieden. „Das wäre geschafft. Ich glaube, wir haben einen kurzweiligen und erlebnisreichen Premierentag hier beim Elspe-Festival 2023 im Bild festgehalten.“

Die Dynamitladung explodiert. Weller (Sebastian Kolb) und seine Leute haben sich selbst gerichtet. Es herrscht wieder Frieden im Gebiet der Komantschen.

Last und Sorgen vergessen und einfach glücklich sein

Doch unser Arbeitstag ist noch nicht zu Ende. Wir haben die Möglichkeit hinter der Bühne, am Clubhaus des Elspe-Festivals noch mit den Akteuren und einigen Gästen den ereignisreichen Premierentag noch einmal Revue passieren zu lassen. Jean-Marc Birkholz als Winnetou, der Häuptling der Apachen, Martin Krah als Old Shatterhand, Matthias Schlüter als Sam Hawkens, Sebastian Kolb als Weller, der Mormone und Anführer der Geier und Markus Lürick, als Sir David Lindsay, ein englischer Lord stehen uns neben Geschäftsführer Philipp Aßhoff noch Rede und Antwort.

Jean-Marc Birkholz als Winnetou, Häuptling der Apachen
Martin Krah als Old Shatterhand
Matthias Schlüter als Sam Hawkens
Sebastian Kolb als Weller, Mormone und Anführer der Geier
Markus Lürick als Sir David Lindsay, ein englischer Lord
Marco Kühne, Stiefsohn des Anfang des Jahres verstorbenen Gründers und langjährigen Chefs des Elspe Festivals, Jochen Bludau, führte in diesem Jahr erstmals alleine Regie.
Philipp Aßhoff, Geschäftsführer Elspe Festival, zeigte sich froh und erleichtert nach der gelungenen Premiere am 17. Juni

Es ist 19:00 Uhr. Ein erlebnisreicher Tag beim Elspe-Feistival geht zu Ende. Auf der Heimfahrt gehen einem die Aussagen fast aller gesprochenen Akteure durch den Kopf: „Wir möchten, dass die Menschen, die zu uns kommen für die Stunden und den Tag ihre Sorgen und negativen Gedanken vergessen und einfach glücklich und zufriedensind“. Das ist gelungen. Die Stunden sind wie im Nu verflogen. Fast immer ein Blick in zufriedene Gesichter. Kein Gedränge und Geschubse vor den Eingängen, eher erwartungsvolle Augen und aufmunternde Worte. Eine wohltuende Atmosphäre mit unzähligen Familien mit kleinen und großen Kindern, schnatternden Jugendlichen, gelassenen und von Früher erzählenden Seniorinnen und Senioren. Ein schöner Tag für alle, die gekommen sind. Warum nicht im kommenden Jahr wiederkommen, wenn es bei „Winnetou und das Halbblut“ um einen Kampf auf Leben und Tod geht. Ansonsten ist ja noch bis zum 3. September Zeit, eine der noch folgenden 54 Aufführungen in den nächsten Wochen und Monaten zu besuchen. Wieder „Einen Tag mal glücklich sein!“

Winnetou und Schiba-bigk schließen Frieden