Eine Sauerländerin im Land aus Feuer und Eis

Quelle: privat

Einige Menschen zieht es nach dem Abitur ins Ausland, um einmal über den Tellerrand zu schauen und neue Erfahrungen zu sammeln. Australien oder Südostasien sind beliebte Ziele. Lotti Hütter aus Berlar zog es in deutlich kältere Gefilde: nach Island. 

Für die heute 19-Jährige war es nicht das erste Mal auf der Insel. Aber Urlaub zu machen oder dort ein ganzes Jahr zu wohnen, das ist dann doch etwas ganz anderes. Letztes Jahr im September war es so weit. Die Koffer waren gepackt. Für drei Monate – aus denen schließlich ein ganzes Jahr werden sollte. Vermutlich war auch ein wenig Bauchweh dabei. Denn so lange Zeit war die junge Sauerländerin noch nie von zuhause weg. Mit dem Flugzeug sind es nach Island etwa 3,5 Stunden. Aber für Lotti sollte die Reise etwas länger dauern: 850 Kilometer mit ihrem Twingo bis Hirtshals in Dänemark, von dort mit der Fähre zwei Tage lang mit Zwischenstopp auf den Faröer Inseln bis nach Seyðisfjörður in Ost-Island. Lottis Ziel: der Hof eines bekannten Islandpferde-Trainers in Selfoss, etwa 40 Fahrminuten von der Hauptstadt Reykjavik entfernt, wo sie die nächsten Monate arbeiten sollte. 

Das erste Mal auf sich allein gestellt 

Lotti wohnte in einer Wohnung, nur einige hundert Meter vom Haus ihres Chefs entfernt. „Ein paar Monate war auch eine Kollegin da. Aber die meiste Zeit war ich allein“, erzählt Lotti. „Und das war eine schöne Erfahrung.“ Gegessen hat sie jedoch meistens gemeinsam mit der Familie ihres Chefs. „Dort habe ich abends oft Zeit verbracht und mit den Kindern gespielt. So habe ich auch die Sprache etwas gelernt.“  
 
Der Plan eines Sprachkurses wurde jedoch von der beginnenden Corona-Pandemie durchkreuzt. „Ohne Kurs ist es schwer. Ich verstehe einfache Sätze, aber es ist eine sehr komplizierte Sprache.“ Tatsächlich zählt Isländisch zu den schwierigsten Sprachen der Welt. „Meine Englischsprachkenntnisse haben sich aber auch verbessert“, sagt Lotti. „Allerdings sind hier natürlich keine englischen Muttersprachler, sodass sich sicher auch die ein oder andere Eigenart und ein isländischer Akzent eingeschlichen haben.“ 

„Heimweh hatte ich auch manchmal, vor allem im Winter.“ Durch die Nähe zum Polarkreis geht zwar im Sommer die Sonne niemals richtig unter, in den Wintermonaten wird es hingegen kaum richtig hell. „Im Januar und Dezember waren es vielleicht sieben Stunden, in denen man etwas sehen konnte.“ 

Quelle: privat

 „þetta reddast!“ 

„Ich kannte das Land durch frühere Besuche schon etwas, hatte schon die Touristen-Ziele gesehen: große Wasserfälle, Geysire und Vulkane. Aber wenn man längere Zeit dort ist, arbeitet, auf Turnieren reitet, dann lernt man nicht nur das Land, sondern auch die Menschen viel besser kennen“, weiß sie nun. 

„þetta reddast!“ – „Das wird schon gutgehen!“, heißt es und genau so sind die Isländer auch: „Manchmal habe ich schon gemerkt, wie ‚deutsch‘ ich bin. Die Isländer sind viel entspannter und sagen einem nicht jedes Mal, was man wie tun soll. Dadurch habe ich gelernt, selbstständiger zu arbeiten, praktischer zu denken, mich auszuprobieren und meine eigenen Lösungswege zu finden.“ 

Die Zeit in Island hat Lotti ein ganzes Stück erwachsener werden lassen. Nun fühlt sie sich bereit für das nächste Kapitel: Das Studium der Wirtschaftspsychologie in Meschede.