Eine Kindheit im Hotel zum Adler

Quelle: Archiv Heimatbund Neheim

Das ehemalige „Hotel zum Adler“ ist ein prachtvolles Gebäude. Jeder Neheimer kennt es. Man kommt kaum umhin, einen Blick darauf zu werfen, genau dort, wo die Goethe-Straße auf die Lange Wende trifft, die frühere Bahnhofstraße. Die Neheimerin Brigitte Reffelmann lebte als Kind mit ihrer Familie dort und kann sich noch an so manches erinnern. 

Quelle: Archiv Heimatbund Neheim

Carl Franz Schrage hatte das das Hotel Ende des 19. Jahrhunderts erbauen lassen 1909 erwarb Hans Laurenz Olfen mit seiner Frau Amalie gen. Malchen, das „Hotel zum Adler“. Das Haus wurde lange Jahre von der Familie Olfen geführt. Zunächst von Johann Laurenz, genannt Hans – er starb 1944. Der „Adler“ wurde dann, aufgeteilt, in Gastwirtschaft und Hotel, als Erbengemeinschaft Olfen/Bolle weitergeführt.  

„Eine Erzählung meiner Großmutter Amalie war“, so erzählt uns Brigitte Reffelmann, dass sich die Mitglieder der „SS“ vor den Kriegswirren, vor dem „Adler“ zu ihren Zusammenkünften trafen. Dies missfiel aber meinem Großvater. Er ging daher demonstrativ mit seinem Gesangbuch durch die Reihen zur Kirche.“ 

Die Neheimerin erinnert sich noch gut an die Zeit im „Adler“: “Es war immer was los im Haus. Es wohnten auch immer Polizisten als Untermieter im Haus. Mit denen haben wir, die Adler-Kinder, sieben an der Zahl, und die Nachbarschaftskinder im Hof immer gerne Fußball gespielt. Auch das Versteck-Spielen hat sehr viel Spaß gemacht, verständlich in einem so großen Haus mit den Anbauten und großem Boden.“  

Geburtstagsfeier der Ww. Amalie Olfen ca. 1952Quelle: Archiv Heimatbund Neheim
Geburtstagsfeier der Ww. Amalie Olfen ca. 1952

Gerne sieht sie sich die Urkunde der Grundsteinlegung des Keglerheims vom 14. April 1926 mit dem Kegler-Verband-Neheim-Hüsten „Gut Holz“ mit den Unterschriften alter Neheimer an. Hier wurde ein Grundstein gelegt, für viele sportliche und gesellige Abende. Die Gründung vieler Kegelclubs war die Folge. Zwangsläufig wurde der Vergleich mit anderen Kegelvereinen in anderen Städten gesucht. Zu den Stadtmeisterschaften kamen auch Familien aus Bochum, zu denen die Neheimer im Laufe der Jahre Freundschaften entwickelten.  

Die Kinder freuten sich auch auf die Sinti, die regelmäßig „mit dicken Autos“ angefahren kamen. Und das vor allem aus einem Grund: „Wir Kinder durften dann die Kegel aufstellen.“ Brigitte Reffelmann war damals 12, 13 Jahre alt. „Und wenn sie kegelten, fielen ihnen oft die Münzen aus den Hosentaschen.“ Die Enkelin „sammelte derweil das verlorene Geld der Männer auf, dass sie behalten durften und gemeinsam teilten. „Die Sinti wollten auch meiner Mutter meine kleine Schwester abkaufen”, weiß sie noch. Aber darauf willigte diese – selbstverständlich – nicht ein. 

Brigitte Reffelmann hat noch viele schöne Erinnerungen an das Hotel zum Adler, in dem sie als Kind mit ihrer Familie wohnte. Gerne denkt sie noch an die schönen Geburtstagsfeiern im Hof, Nikolausfeiern der Kegelvereine und Karneval-Veranstaltungen. An die Treffen des Taubenvereins, die jahrelang jeden Samstag – vom Frühjahr bis zum Herbst – im Hof stattfanden. Hier wurden die Brieftauben beringt und dann per LKW auf die Reise geschickt.  

Olfen Großeltern mit Kindern um 1917Quelle: Archiv Heimatbund Neheim
Olfen Großeltern mit Kindern um 1917

All diese schönen Erinnerungen kann ihr niemand nehmen. Auch ihr Ehemann Franz kennt das Haus gut. Schließlich besuchte er die dort ansässige Handelsschule, die ihren Sitz In der 1. Etage des Hauses hatte. In dem Saal, in dem zuvor so manches Tanzbeingeschwungen wurde. Er erinnert sich daran, „wie die Familie im Hof immer die Wäsche aufgehängt hatte.“ Ob da wohl schon die ersten Blicke zwischen dem heutigen Ehepaar hin und her gingen? 

Quelle: Archiv Heimatbund Neheim

Gute 120 Jahre ist es nun her, dass Fotograf Carl Franz Schrage das Hotel zum Adler für „Reisende und Sommerfrischler“ erbauen ließ. Für die gab es 30 modern eingerichtete Zimmer. Und noch so einige Annehmlichkeiten, die zum Ende des 19. Jahrhunderts noch eher selten waren: Zentralheizung, Elektrisches Licht, Bäder im Haus, Hausdiener an jedem Zuge, einen Sommergarten, Wagen-Remisen und Stallungen für zwölf Pferde. Und zur Unterhaltung der Gäste zusätzlich zwei „Pianinos“. Einen guten Ruf hatte auch die Küche des Hauses. Und wer seine Buchung aufgeben wollte, konnte das sogar schon telefonisch. Der Telefonanschluss hatte die Nr. 16. In der Bahnhofstraße 49 bis 51 waren auch Fotoateliere untergebracht: „Schrage und Kugler“, „Halder“ und „Oscar Herchenbach“. 

Gute Küche gab es lange in diesem stattlichen Haus. Zuletzt war dort ein griechisches Restaurant ansässig, später ein chinesisches. Heute gibt es zwar noch Esszimmer-Möbel dort, die ein MöbelOutlet anbietet, aber dinieren kann man dort leider nicht mehr … 

Wie auf den Fotos zu sehen ist, hatte das Hotel früher zwei zusätzliche Türme. Diese wurden während des 2. Weltkrieges abgenommen, um sie vor Zerstörung zu schützen. Wo sie geblieben sind, ist leider nicht bekannt.