Willy Reinsch (80) genießt die Balance zwischen Entspannung und Aktivität
„Das Leben besteht in der Bewegung“ – ein Zitat des griechischen Philosophen Aristoteles, das sinnbildlich für das Leben von Willy Reinsch steht. Ein Leben, das geprägt von Tatkraft und Bewegung, keinen Platz für Stillstand lässt. Mit seinen 80 Jahren hat der sympathische Rentner aus Ense-Höingen nicht nur ein bewegtes Leben hinter sich, sondern auch noch ein Leben in Bewegung vor sich. Sein Ruhestand ist gekennzeichnet von der Balance zwischen Entschleunigung und Aktivität. Ob als Hilfshausmeister bei der Europa Grundschule in Höingen, Kapellenvorstand oder als passionierter Hobbyradler – Willy Reinsch ist gern „auf Achse“, zu Hause findet er dann den passenden Rückzugsort zur Entspannung.
„Ich bin ja sowieso ein Frühaufsteher“, mit diesen kurzen und knackigen Worten nennt Willy Reinsch seine Motivation für seine Tätigkeit als Hilfshausmeister bei der Grundschule in seinem Heimatdorf Höingen. Nunmehr seit sieben Jahren schließt der rüstige 80-Jährige an jedem Schultag die Türen der Schule auf. „Meine älteste Tochter hatte mich damals dazu bewegt, den Job anzunehmen. Die Schule suchte jemanden, der für diejenigen Kinder vor Ort ist, die bereits zwischen 7 und 7.30 Uhr von ihren berufstätigen Eltern zur Schule gebracht werden“, erinnert er sich. Mit dem Ansporn seiner Tochter im Gepäck („Papa du kannst das doch machen“) hat der sympathische Senior seitdem jeden Morgen von 6.30 bis 7.30 Uhr nicht nur ein Auge auf eine Handvoll Schüler, sondern kontrolliert auch, ob auf dem Schulhof „alles soweit in Ordnung ist“. „Wenn man die ganzen Ferien, Wochenenden und Brückentage abzieht, sind das ja gar nicht mehr so viele Arbeitstage“, sagt er bescheiden.
„Das ist ein bisschen so, wie den Eiffelturm zu besteigen“ (Willy Reinsch)
Der Job ist aber für den 80-Jährigen, der sich schmunzelnd als „Vorkriegsware“ bezeichnet, nicht nur eine geeignete Gelegenheit, den frühen Morgen sinnvoll zu gestalten, sondern auch „eine kleine Sportstunde“. „Ich verteile dort nämlich auch die Milch für die Schüler in den Klassenräumen. Da habe ich dann ordentlich etwas zu tun. Das ist ein bisschen wie den Eiffelturm zu besteigen“, lacht Reinsch, der sich „ja irgendwie fit halten muss“. Im Laufe des Jahres wird Willy Reinsch seine „Sportstunde am Morgen“ beenden. „Es soll ein hauptamtlicher Hausmeister eingestellt werden. Aber das ist auch vollkommen in Ordnung. Irgendwann reicht es ja auch mal“, freut sich Reinsch auf eine etwas ruhigere Zeit.
Doch auch wenn seine Tätigkeit als Hilfshausmeister bald enden wird, wird der Enser seinem Ruhestand keinen vollständigen Stillstand verleihen. Der ehemalige Konstruktionsleiter, der als sechsjähriger Junge mit seiner Mutter, seinem Opa, seiner Tante und seinem Zwillingsbruder aus seiner Heimatstadt Bad Landeck, Grafschaft Glatz in Schlesien, in den Westen Deutschlands vertrieben wurde, hat nach schwierigen Anfangsjahren in der neuen Heimat Fuß gefasst. „Mein Vater war verschollen und kam 1948 aus russischer Kriegsgefangenschaft wieder“, erinnert sich Reinsch an den Start in seiner neuen Heimat.
Mit viel ehrenamtlichem Engagement hat er sich dann mit der Zeit einen Platz in der Dorfgemeinschaft von Höingen erarbeitet. Seine Tätigkeit im Karnevalskommitee hat er erst im vergangenen Jahr nach 44 Jahren aufgegeben, um „jungen Leuten eine Chance zu geben“. Mittlerweile ist er sowohl im Karnevalsverein als auch im Schützenverein Ehrenmitglied, Auszeichnungen, die den gebürtigen Schlesier mit Stolz erfüllen.
„2008 habe ich von der Friedhofsanierung, in dem Ort, wo mein Vater geboren wurde, erfahren. Ich konnte nicht Nein sagen und wollte mich engagieren“ (Willy Reinsch)
Auch wenn er mittlerweile häufiger zu Hause sei und etwas kürzer trete, wie seine Frau Hildegard mit einem Grinsen im Gesicht betont, halte sich Willy Reinsch in seiner Freizeit doch gern einmal außerhalb der eigenen vier Wände auf. „Als Kapellenvorstand gehört unter anderem der Aufbau der Krippe in der Weihnachtszeit zu meinen Tätigkeiten. Ich bin nun schon seit etwa 30 Jahren in dieser Position tätig. Außerdem organisiere ich seit 20 Jahren mit einem Team die Caritas Seniorenrunde Höingen, bei der wir uns einmal im Monat treffen.“
Neben diesem ehrenamtlichen Engagement vertreibt sich der passionierte Fahrradfahrer seine Freizeit mit seiner Männersporttruppe. „Wir machen einmal wöchentlich Radtouren von etwa 30 bis 50 Kilometern. Im Winter machen wir auch Winterspaziergänge.“ Ein „I-Tüpfelchen“ seines persönlichen Sportlerjahres ist eine dreitägige Tour mit seinen Radfreunden. „Wir waren schon an der Mosel und an vielen anderen Orten. Wo es demnächst hingeht, das wird nicht verraten“, sagt er mit einem Lachen im Gesicht. Doch nicht nur mit seinen Kumpels tritt der Rentner ordentlich in die Pedalen, auch mit seiner Ehefrau genießt er ausgiebige Radtouren und auch Wanderungen in der heimischen Umgebung halten das Ehepaar im Alter fit.
Auch Reisen innerhalb Deutschlands und anderer Regionen der Welt zählen zu den Leidenschaften des Ehepaars. An einem ganz besonderen Ort war der 80-Jährige vor rund zehn Jahren, um sich dort einer „Herzensangelegenheit“ zu widmen. In Ebersdorf (heute Polen) wurde in den Jahren 2006 bis 2009 der historische deutsche Friedhof saniert. „2008 habe ich von der Friedhofsanierung, in dem Ort, wo mein Vater geboren wurde, erfahren. Ich konnte nicht Nein sagen und wollte mich engagieren“, begründet Reinsch sein Engagement bei der Sanierung. Der Aufenthalt in Schlesien war auch eine Reise zu seinen familiären Wurzeln, eine Reise in eine Region, die der 80-Jährige seit der Vertreibung im Kindesalter nur noch aus seinen Erinnerungen kannte. „2008 war ich zwei Wochen dort und ich war einfach total begeistert.“ Trotz der „richtig harten Maloche“ überzeugte er anschließend auch seine Ehefrau von der guten Sache, die ihren Ehemann dann im Jahr 2009 dorthin begleitete. Ein Erlebnis während der Anfangsjahre seines Ruhestandes, auf das der Enser auch Jahre später noch mit Freude zurückblickt. Der Friedhof ist heute denkmalgeschützt.
Auch heutzutage scheut der Rentner keine körperliche Arbeit. „Momentan mache ich viel mit Holz. Ich habe etwa das Balkongeländer erneuert und nun ist noch der Zaun im Garten an der Reihe. Irgendwie muss man sich ja in der aktuellen Situation beschäftigen.“ Langeweile ist demnach Fehlanzeige bei Willy Reinsch, einem Mann, der auch mit seinen 80 Jahren noch immer ein Leben in Bewegung sucht und Fit im Alter als höchstes Gut betrachtet.