Ein Ort für das Wort – Christine-Koch-Gesellschaft

Alltagsmenschen

Es war im Jahr 1993 als sich in Schmallenberg ein knappes Dutzend Frauen und Männer zusammenfanden, um dem Alphabet, dieser größten Erfindung der Menschheit, im Sauerland eine neue Heimat zu geben; einen Ort für das Wort, das ja, wie es schon in der christlichen Bibel geschrieben steht, im Anfang war – noch vor der Geburt der Sterne.

Dieser Ort für das literarische Wort sollte jedoch so irdisch sein, dass möglichst viele Menschen dieser ländlichen Region daran teilnehmen konnten. Und so wurde beschlossen – was in Deutschland immer hilfreich sein kann – einen Verein zu gründen, dem man den Namen „Christine-Koch-Gesellschaft“ gab; einen Namen, der die Geschichte und Gegenwart der Literatur im Sauerland für die Zukunft zusammenführten sollte.

Schon 1956 hatte einst in Schmallenberg jenes historische Treffen stattgefunden, das der Literaturgeschichte Westfalen jene entscheidende Wende gab, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart ausstrahlt. Es war der so genannte „Schmallenberger Dichterstreit.“

Damals waren erst 11 Jahre vergangen, als jener grausame Weltkrieg – von Nazi-Deutschland begonnen – sein Ende gefunden hatte. Doch seine Schatten lebten noch in vielen Gehirnen auf unterschiedliche Weise weiter. Und so trafen in Schmallenberg auch unterschiedliche Erfahrungswelten und Denkprozesse aufeinander, standen sich ganz verschiedene Sichten von Welt gegenüber – und manches blieb dabei unversöhnlich. Hier die so genannten „Traditionalisten“ – dort jene „Jungen Wilden“, die neue literarische Wege suchten und sich auch fanden.

Inzwischen sind Jahrzehnte vergangen und der damalige „Dichterstreit“ hat die Literatur Westfalens auf mancherlei Weise verändert. Geblieben jedoch ist der Ort: Das Schmallenberger Hotel Störmann. Und so wurde im Jahr 1993 dieser historische Ort zur Gründungsstätte der „Christine-Koch-Gesellschaft“, zu einem Ort für das Wort im Sauerland.

Und diese literarische Gesellschaft ist dann zu einem kulturellen Glücksfall geworden; zum Glücksfall für diese ländliche Region im Süden Westfalens. Denn nun wagten literarische Talente, die hier einen Bezugskern fanden, sich in der Öffentlichkeit schriftlich zu äußern. Und so wuchs diese neue Gesellschaft im Wort in relativ kurzer Zeit bis auf 300 Mitglieder an! Eine Mitgliederzahl, um die sie manche viel älteren Literaturgesellschaften Westfalens beneiden konnten.

So schrieb dann auch, diese ehrenamtliche kulturelle Leistung anerkennend, der Landrat des Hochsauerlandkreises, Dr. Karl Schneider: „Die Christine-Koch-Gesellschaft leistet einen wesentlichen Beitrag als literarischer Botschafter des Sauerlandes.“

Und nun sind seit Gründung dieser literarischen Gesellschaft drei Jahrzehnte vergangen; 30 Jahre erfolgreichen Wirkens für das literarische Wort im Sauerland und bis in das Sieger- und Wittgensteiner Land und die Soester Hellweg-Region hinein. Ja, sogar bis zu den europäischen Nachbarn Frankreich und Polen. Hier aus dem Sauerland wurde eine Hand nach Westen gereicht und die andere nach Osten; im grenzüberschreitenden Wort und in Freundschaft und Frieden.

Der Mensch, dieses einzige „Lebewesen“ unseres Planeten, hat sich mit dem geschriebenen Wort, mit der Literatur, verankert im Alphabet, selber ein großes Geschenk gemacht. Dieses Geschenk gilt es zu schützen und zu verbreiten, jetzt und für die Zeiten, die nach uns kommen werden.

In unserem Leben sind drei Jahrzehnte ein beachtlicher Zeitraum. Und nichts auf dieser Welt ist bekanntlich von Dauer. So ist auch die „Christine-Koch-Gesellschaft“, vor 30 Jahren im Sauerland geboren, inzwischen dem Fluss der Geschichte folgend für immer im Hafen der Zeit versunken. Über die Gründe zu schreiben wäre jetzt müßig.

Geblieben jedoch sind Erinnerungen an manche Menschen, an das literarische Schreiben aus regionaler Erfahrung und an zahlreiche Begegnungen im Wort – über Grenzen hinaus. Und an den biblischen Satz: „Im Anfang war das Wort“.

Herbert Somplatzki, im April 2023