„Ein liebenswerter Wirtschaftsstandort im Grünen“

Foto: Jürgen Eckert

Christof Bartsch, ein Bürgermeister mit Zukunftsvisionen

Brilon: Erfolgreicher Wirtschafts- und Gesundheitsstandort, Kneippheilbad, Stadt des Waldes, Hansestadt, beliebter Freizeit- und Tourismusstandort, geschätzter Lebensmittelpunkt zum Wohnen und Arbeiten. Was macht Brilon zu dem, was es ist? Fragen an den ersten Mann der Stadt, Bürgermeister Dr. Christof Bartsch.

WOLL: Herr Dr. Bartsch, was fällt Ihnen spontan zu „Brilon – ein Erfolgsmodell“ ein?

Dr. Bartsch: Es freut mich, denn so etwas hat mit Wahrnehmung zu tun. Ich kann es unterschreiben, weil ich es selbst so sehe. Eine meiner Visionen, die ich seit langem vertrete: Brilon – ein liebenswerter Wirtschaftsstandort im Grünen.

WOLL: Was zählt für Sie zu den Hauptpunkten, die heute das Erfolgsmodel Brilon prägen?

Dr. Bartsch: Es ist das Ineinandergreifen unterschiedlicher Stellschrauben in der Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Dazu zählen die Industrie genauso wie das Handwerk, Tourismus, Handel und Gastronomie, aber auch das Freizeitangebot und die kulturellen Angebote. Genauso wie der Gesundheitsstandort. Und auch, wenn wir uns im Moment in der größten Waldkrise der Nachkriegszeit befinden, sind wir die Stadt des Waldes und stehen jetzt vor einem ungeahnten Umbruch. Um all diese Punkte in die richtigen Bahnen bringen zu können, ist Bildung das höchste Ansinnen. Unsere Schullandschaft vor Ort – mit der Förderung in den Kindergärten bis hin zu verschiedenen Schulabschlüssen – ist ein Grundstein, der maßgeblich zum Erfolg unserer Stadt beiträgt. Nicht zu vergessen ist das Wohnen und Leben im Grünen. Leben besteht nicht nur aus Arbeit. Für die Fachkräftegewinnung mit dauerhafter Bindung, gemeinsam mit ihren Familien, ist dies ein ganz wichtiger Faktor

WOLL: Wann und wie hat diese Entwicklung begonnen?

Dr. Bartsch: Entscheidend waren die 80er Jahre. Wir können in der Rückschau ganz klar von einer Depression sprechen. Es begann mit der Schließung großer Firmen sowie massivem Stellenabbau in weiteren Briloner Unternehmen. Ich nenne da als Beispiel Nolte Möbel, Degussa oder Dominit, was vielen älteren Brilonern sicher noch in Erinnerung ist. Die Arbeitslosenquote lag in unserer Stadt damals bei 18,6 Prozent. Aber die Entscheider in dieser Zeit sind positiv damit umgegangen.

WOLL: Was hat Brilon zu dem gemacht, was es heute ist. Welche Faktoren waren wegweisend bzw. ausschlaggebend?

Dr. Bartsch: Neue Wege wurden gesucht und neue Industriestandorte ausgewiesen. Die

Flächen- und Stadtentwicklungspolitik hat eine wichtige Funktion in den Wirtschaftsangelegenheiten angenommen. Das Ergebnis ist heute deutlich sichtbar und im Gewerbesteueraufkommen auch messbar. Wir haben als Stadt des Waldes viele Unternehmen im Cluster Holz, aber auch in den Bereichen Kunststoff, Elektrotechnik und weitere. Allesamt innovativ und zukunftsweisend geprägte Bereiche, die sich in Brilon angesiedelt haben. Ich nenne stellvertretend für die Vielzahl der erfolgreichen Briloner Unternehmen die Firma EGGER mit rund 1.100 Mitarbeitern oder Oventrop mit ca. 600 Mitarbeitern. Diese große Bandbreite macht einen Wirtschaftsstandort weniger anfällig für Schwankungen. Beim Thema Schwankungen ist der Briloner Stadtwald zu nennen. Bisher als Wirtschaftswald eine feste Einnahmequelle für die Stadt, stehen wir durch die hinreichend bekannten Probleme vor einer bedauerlichen Entwicklung im Wald. Aber auch da sind wir auf dem Weg, mit unseren Forstexperten zukunftsweisende Lösungen zu finden. Unser Wald ist auch eine touristische Größe. Gerade im Hinblick auf den sanften Tourismus mit Wanderwegen, Ruhe und Erholung als Gegenpart zu dem Eventtourismus, der uns umgibt. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Gesundheitssektor in Verbindung mit dem Gesundheitstourismus. Wir sind Kneippheilbad, haben ein stadteigenes Krankenhaus mit nicht nur stationärer und ambulanter Behandlung, sondern auch Prävention, Prophylaxe, Reha und Pflege. Das Gesamtheitskonzept ist der richtige Weg, den wir gehen müssen.

Foto: Jürgen Eckert
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WOLL: Wie hat man auf Rückschläge reagiert? Aus welchen Fehlern gelernt?

Dr. Bartsch: Es ist nicht richtig, im Nachhinein über das zu urteilen, was gemacht worden ist. Zu jeder Zeit werden Entscheidungen getroffen, die dem Wissen eben dieser Zeit geschuldet sind. Ich nenne als Beispiel die Fichten in unserem Stadtwald. Es ist immer gutes Holz gewesen und jahrzehntelang ein Erfolgsmodell. Somit kann man den damaligen Entscheidern keinen Vorwurf machen, auch wenn wir heute umdenken müssen. Ob diese jetzigen, gut überlegten Entscheidungen die richtigen sind, wird auch hier wieder erst die Zukunft zeigen.

WOLL: Wird seitens der Unternehmen und der Bevölkerung auf die Stadt zugegangen?

Dr. Bartsch: Der Erfolg ist auch dem guten Miteinander geschuldet. Seien es die regelmäßigen Gespräche mit Firmen und Unternehmen, aber auch mit den Bürgern, die ein Feedback geben, was sie in ihrer Stadt bewegt. Die schönsten Gespräche sind übrigens die, wenn man sich auf der Straße begegnet und es dann heißt: „Ach, wo ich Sie gerade sehe…“. Genau so muss das sein!

WOLL: Was wünschen Sie sich persönlich als Stadtoberhaupt für Ihre Heimatstadt?

Dr. Bartsch: Die Ebene des Miteinanderseins. Wir als Brilon. Die wichtigen Aufgaben, die anstehen, können wir nur gemeinsam lösen. So etwas geht nur in einer breitflächigen Mentalität aus Gemeinsinn, der Solidarität und dem Geist des wechselseitigen Vertrauens.