Ein klares Bekenntnis für den ländlichen Raum

Landratskandidat Thomas Grosche im Gespräch mit WOLL

Im diesem Jahr wird ein neuer Landrat für den Hochsauerlandkreis gewählt. Der langjährige Amtsinhaber Dr. Schneider wird nicht mehr antreten. Gute Aussichten sein Nachfolger zu werden, hat der langjährige Medebacher Bürgermeister Thomas Grosche, der von der CDU als ihr Kandidat benannt wurde. Mit dem in Küstelberg geborenen und aufgewachsenen überzeugten Sauerländer sprachen Rainer Mohrmann und Hermann-J. Hoffe.

WOLL: Freuen Sie sich auf Ihre neue Tätigkeit?
Grosche:
Neue Herausforderungen sind immer spannend!

WOLL: Was kann getan werden, um das aktuelle Niveau der medizinischen Versorgung im HSK zu halten?
Grosche:
Wichtig ist zum einen die stationäre Situation: dass die Entfernungen im ländlichen Bereich nicht zu groß werden und genügend Krankenhäuser für die Grundversorgung vorhanden sind. Auf der anderen Seite brauchen wir die Fachkliniken, in denen Spezialfälle kompetent versorgt werden. Da stellt sich die Frage, wie man auch kleine Häuser kompetent weiterführen kann. Wichtig ist hier die Fachärztesituation: Wie kriegen wir gut ausgebildete, junge Ärztinnen und Ärzte mit Bleibe-Perspektive ins Sauerland? Es gibt schon gute Projekte wie etwa „Komm aufs Land. Arzt.“ oder das Stipendium für Winterberg. Ein interessanter Aspekt ist natürlich auch die Telemedizin. Da kann man in der Zusammenarbeit mit größeren Häusern in der Diagnostik und in der Therapie zu guten Ergebnissen kommen. Wobei das natürlich nie den Menschen ersetzen kann. Das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärztin oder Arzt ist durch nichts zu ersetzen.

WOLL: Halten Sie die Telemedizin für so tragbar, dass sie sich im großen Rahmen durchsetzen wird?
Grosche:
Ich glaube, dass die technische Entwicklung in bestimmten Bereichen der Telemedizin zur Durchsetzung verhilft. Es braucht aber immer eine kompetente Person vor Ort.

WOLL: Halten Sie das Winterberger Krankenhaus in der Zukunft für tragbar?
Grosche:
Als Portal-Klinik auf jeden Fall. Es ist aus meiner Sicht schlichtweg unmöglich, das Winterberger Krankenhaus auszublenden und die gesetzlich vorgegebene Zeit, die bis zur nächsten Betreuung gebraucht wird, einzuhalten.

WOLL: Sind Rettungsdiensteinsätze im Zeitlimit für die Zukunft gewährleistet?
Grosche:
Im Moment sind sie nicht gewährleistet. Deshalb ist der Rettungsbedarfsplan beim HSK in der Umsetzung. Ich bin froh, dass man hier Fehler behebt und für Hallenberg und Medebach zwei eigene Rettungswachen etabliert, die die Eintreffzeiten in erträgliche Bereiche bringen.

WOLL: Wie können wir, besonders für die ältere Bevölkerung, Fahrten zur ärztlichen Behandlung oder zum Einkaufen durch den ÖPNV absichern?
Grosche:
Der ÖPNV ist im ländlichen Raum hochdefizitär. Ich glaube, dass wir uns auch auf den Individualverkehr fokussieren müssen, etwa mit Bürgerbus-Modellen, die in einigen Kommunen schon erfolgreich, zumindest in Kombination mit dem ÖPNV, eingesetzt werden. Auch innerstädtisch wären Quartierbusse eine Lösung. Ich denke auch an Möglichkeiten, sich ein Fahrzeug zu teilen, oder an Bring- und Lieferdienste.

WOLL: Das muss ja auch finanziert werden. Ist das kostendeckend?
Grosche:
Kostendeckend wird es nie sein. Wir haben aber jetzt schon ein hohes Defizit im ÖPNV, was sich in den nächsten Jahren noch steigern wird. Ob hier im Sauerland, bei unserer Topografie und unseren Witterungsverhältnissen und allem, was dabei berücksichtigt werden muss, der Umstieg auf Elektromobilität für Busse das richtige ist, kann ich mir schwer vorstellen.

WOLL: Früher gab es in fast jedem Dorf einen sogenannten Tante-Emma-Laden, der die Bevölkerung mit Grundbedarf versorgt hat, darüber hinaus mit Dingen des täglichen Lebens. Wie kann man das Leben in Dörfern reaktivieren?
Grosche:
Ich habe mir ein Projekt angeschaut, bei dem ein Container für den Erwerb von Grundbedürfnissen und Nahrungsmitteln bereitsteht, wo aber auch einen halben Tag der Friseur und die Fußpflege anzutreffen ist. Reicht das Engagement dafür nicht, kann man über die Sicherstellung bestimmter Dinge durch Lieferdienste nachdenken.

WOLL: Können Sie sich vorstellen, in den Dörfern Bildungsoffensiven für Senioren aber auch für junge Menschen jenseits der Klassiker Fremdsprachen oder Basteln anzubieten?
Grosche:
Ich kann mir das sehr gut vorstellen, aber weiß natürlich auch, dass dafür auch qualifizierte Dozenten gefunden werden müssen. Es gibt neben der staatlichen Erwachsenenbildung, die man in der Fläche weiterentwickeln sollte, auch örtlich organisierte.

WOLL: Was kann noch getan werden, um die Bildungslandschaft Hochsauerland weiter zu verbessern?
Grosche:
Aus meiner Sicht haben wir ein gut aufgestelltes Schulsystem, was eine qualitativ hochgestellte Bildung sicherstellt. Für den HSK sind die Berufskollegs natürlich die wichtigen Bereiche, weil der Kreis Schulträger ist. Man kann den jungen Menschen neben dem Abitur auch schon eine Praxisorientierung mitgeben. Wir werden weiter darauf hinwirken müssen, dass wir mehr Menschen in eine Ausbildung bekommen. Da ist es wichtig, die Berufsschulbereiche in repräsentativer Nähe zu haben.

WOLL: In Meschede sind die Zahlen der Studierenden wegen des demografischen Wandels rückläufig, vielleicht aber auch, weil die jungen Menschen lieber woanders studieren – und dann vielleicht auch nicht wiederkommen. Muss der HSK da aktiv werden?
Grosche:
Ich glaube, dass man Gutes immer noch besser machen kann. Der HSK arbeitet an diesem Thema und stellt mit Marketingkampagnen dar, dass Meschede ein attraktiver Studienstandort ist.Ich habe es in Medebach erlebt, dass die jüngeren Menschen gegangen sind und erstmal an ihrem Studienort geblieben sind, dann aber an dem Punkt, an dem sie Familien gründen, überlegt haben, ob ihr Kind in einer Großstadt aufwachsen soll und ob sie hier einen einigermaßen günstigen Bauplatz bekommen könnten. Weiter sind Kindergartenplätze und Schulen Faktoren, die für sich sprechen.

WOLL: Welche Wirtschaftsbereiche planen Sie künftig hierherzuholen?
Grosche:
Ich glaube, dass dieser Mix von Weltmarktführern bis hin zu den Handwerksbetrieben, den Dienstleistern und den Land- und Forstbetrieben das Sauerland ausmacht. Ich halte es für schwierig, sich auf einen Bereich zu fokussieren, weil wir dadurch zu eindimensional würden und das nicht unserem Wesen entspricht.

WOLL: Gibt es Bereiche, in denen der Regierungspräsident Zuschüsse zahlt, um grenzübergreifend Affinitäten herzustellen?
Grosche:
Was wir im Auge behalten müssen, sind die technologischen Entwicklungen. Deshalb finde ich es gut und richtig, dass wir im HSK an der Breitband-Entwicklung weiterarbeiten. Dass wir es schaffen, in jeder Firma, in jeder Kommune, in jedem Haushalt diese schnellen Bandbreiten mit Glasfaseranschlüssen zu haben. Das bietet für die Zukunft Möglichkeiten, die wir bisher nicht hatten. Der nächste Autobahnanschluss oder die nächste Bahnverbindung sind weit weg, aber bei der Datenautobahn gibt es durchaus Zuschüsse, sodass man die Möglichkeit hat, neue Ansiedlungen zu schaffen.

WOLL: Was halten Sie von Photovoltaik-Flächen, die teilweise entstehen oder geplant werden?
Grosche:
Ich bin aufgrund des Flächenverbrauchs und der Flächenkonkurrenz kein Freund von großflächigen PV-Anlage in der Landschaft. Ich kenne die Sorgen der Landwirtschaft, dass über großflächige PV-Anlagen die Flächenkonkurrenz noch größer wird. Wo ich PV nachvollziehen kann, ist da, wo wir Dachflächen in Gewerbegebieten haben und wo es zum Eigenbedarf genutzt werden kann.

WOLL: Kann der Kreis die finanziellen Forderungen der Migrationspolitik erfüllen?
Grosche:
Auf lange Sicht wird das in dieser Form nicht mehr funktionieren, weil die Belastung der Sozialsysteme immer höher wird. Ich sehe aber jetzt erstmals seit Jahren ein Verständnis dafür in der Bundespolitik.

WOLL: Eine Frage zum Abschluss: Wie soll die Wasserversorgung in den Kommunen gesichert werden?
Grosche:
Wir haben unsere Wasserversorgung auf drei Beine gestellt: Eigenversorgung unter dem Dach der Stadtwerke, Zukauf über den Wasserverband Hochsauerland und auch übe die Grenzen hinweg ins Hessische. Ich glaube, dass die Lösung für den HSK die interkommunalen Verbünde sind.

WOLL: Vielen Dank für das interessante Gespräch!