Ein Foto muss eine Geschichte erzählen

WOLL im Gespräch mit Fotograf Sebastian Vollmert aus Schmallenberg

Sebastian Vollmert lebt und arbeitet seit 2000 als selbstständiger Fotograf in Hamburg. In Münster geboren und in Schmallenberg aufgewachsen, kommt Sebastian häufig zu Besuch ins Sauerland, um Familie und Freunde zu treffen. Wir haben mit dem 41-Jährigen über das perfekte Foto und über das Treffen mit Lionel Messi gesprochen.
WOLL: Sebastian, wie bist du zum Fotografieren gekommen?
Sebastian: Über die Faszination für die Fotografie. Sie war ganz früh da – schon mit zehn Jahren habe ich die legendären Bildstrecken im Magazin Stern verschlungen. Mit 14 Jahren fiel mir im Holland-Urlaub das World-Press-Photo-Award-Buch in die Hände, mit den aufregendsten und wirkmächtigsten Journalisten- Fotos des Jahres. Das hat mich nicht mehr losgelassen. Ich verstand, dass Fotos Geschichten erzählen, und begann, mich darin auszuprobieren. Diese Leidenschaft hat bis heute nicht nachgelassen. Familiär spielten sicherlich auch meine Tante und mein Onkel eine Rolle: Sie sind beide Fotografen.
WOLL: Wie lief deine Ausbildung ab?
Sebastian: Mit 18 Jahren bin ich nach Wissen an der Sieg gezogen und habe meine Ausbildung zum Fotografen begonnen. Die habe ich als Landessieger Rheinland-Pfalz und als 4. Bundessieger abgeschlossen. Aber ein Grundsatz der Fotografie ist: Auszeichnungen sind trügerisch, du musst dich immer weiterentwickeln, Neues ausprobieren, empathisch sein, deinen Blick für die besonderen Details schärfen. Deswegen habe ich begonnen, die Welt zu sehen. Während meiner Ausbildung bin ich zum Beispiel mit dem Rucksack für mehrere Wochen durch Afrika und Asien gereist. Nach dem Abschluss zog es mich nach Cajamarca in Peru. Dort habe ich im Rahmen des „Anderen Diensts im Ausland“ – einer Alternative zum Zivildienst – anderthalb Jahre an sozialen Projekten mitgewirkt, zum Beispiel in der größten Psychiatrie Limas und in kleinen Dorfgefängnissen. Das war eine fesselnde Erfahrung und eine inspirierende Zeit. Auch wenn ich heute fast ausschließlich für Unternehmen arbeite, so habe ich meine Leidenschaft für sozialkritische Themen und das Reisen doch nicht verloren.
WOLL: Auf deiner Website finden sich außerdem zahlreiche Fotos mit Menschen in Bewegung – was magst du daran?
Sebastian: Vielleicht liegt das daran, dass ich selbst ein eher rastloser Mensch bin. Ich mag die Dynamik und die Spontaneität, die bei solchen Fotos mit Motiven in Bewegung eine Rolle spielen. Ich finde es spannend, wenn die Protagonisten mit ihrer Umgebung interagieren.
WOLL: Apropos Protagonisten – was waren deine bisher aufregendsten Aufträge?
Sebastian: Meine Treffen mit dem argentinischen Fußballstar Lionel Messi. Jedes Mal hatte ich nur wenige Minuten Zeit, um das bestmögliche Foto zu schießen. Da musste alles passen. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das Flüchtige eines Hafenarbeiters in Marokko – das nur als Beispiel – ist häufig viel erfüllender und aufregender, denn im Gegensatz zu Prominenten sind diese Menschen nicht öffentlich auserzählt und in den Fotos liegen vielfältige Möglichkeiten für subjektive Interpretationen. Besonders stressig war einmal ein Auftrag für Borussia Dortmund: Wir wollten die Spieler kletternd an einer Felswand in der Nähe des Trainingslagers in Österreich ablichten. Der damalige Trainer Jürgen Klopp war einverstanden und wir bekamen drei Stunden Zeit. Voraussetzung war natürlich, die kleinste Schramme an den zehn Spielern zu vermeiden. Es galt also, spektakuläre Aufnahmen zu machen, die aber völlig sicher und nah am Boden stattfinden mussten – das war eine Herausforderung.
WOLL: Deine Aufträge bringen dich also nicht nur mit berühmten Sportlern zusammen, sie führen dich auch um die ganze Welt?
Sebastian: Genau, und diese Abwechslung gestaltet meinen Job so aufregend. In der einen Woche mache ich Aufnahmen für den Robinson Club und fotografiere Models am Strand in Thailand, zwei Tage später bin ich für Mercedes Benz in Lappland – bei minus 20 Grad – und fotografiere Trucks auf einem zugefrorenen See.
WOLL: Du hast schon für große Namen gearbeitet – wie bekommst du solche
Aufträge?
Sebastian: Ich habe eine sehr gute Agentin mit hervorragenden Kontakten zu namhaften Agenturen und Unternehmen. Ich bin aber auch selbst aktiv und stelle Organisationen oder Verlagen mein Portfolio vor.
WOLL: Wenn du einen Auftrag bekommen hast, wie gehst du vor, um genau das abzuliefern, was der Kunde sich wünscht?
Sebastian: Die meiste Arbeit findet vor dem Shooting statt, sehr gute Vorbereitung ist das Wichtigste. Das passende Casting, die richtige Location – am Tag des Shootings kann man eine Kulisse schließlich nicht mehr groß verändern. Deshalb muss das meiste im Vorfeld mit der Agentur und dem Kunden abgesprochen werden. Ich fungiere oftmals eher als Regisseur denn als Fotograf. Am Set selbst arbeite ich dann nicht selten mit 15 Personen zusammen. Werbefotografie ist absolute Teamarbeit.
WOLL: Was würdest du jemandem raten, der sich als Fotograf selbstständig machen möchte?
Sebastian: Zunächst einmal, keine Angst vor dem Scheitern zu haben – am meisten lernt man aus Fehlern. Eine gute Ausbildung oder ein Studium sind bestimmt wichtig,
aber es hat seinen Grund, dass so viele Fotografen Quereinsteiger sind. Heute ist die Beherrschung der Fototechnik einfacher geworden, es kommt also mehr denn je auf das „gute Auge“ an. Mut, Neugierde, Können, Kreativität und auch eine Portion Glück sind zentrale Zutaten.
WOLL: Für die Amateure unter uns: Was sind deine drei Tipps für ein gutes Foto?
Sebastian: Erstens, ändert die Perspektive und fotografiert nicht immer aus Augenhöhe. Zweitens, achtet auf Linienführung und den „Goldenen Schnitt“ – das bedeutet, dass das Bild gedanklich durch je zwei horizontale und vertikale Linien geteilt und so in neun gleiche Teile gegliedert wird. Das Hauptmotiv sollte an den Schnittpunkten oder entlang der gedachten Linien platziert werden. Und drittens, probiert euch aus und reift mit jeder Erfahrung. Für mich persönlich ist ein Foto perfekt, wenn es mich fängt und eine Geschichte erzählt.
WOLL: Wenn du ein Foto schießen müsstest, das deine Sauerländer Heimat am besten repräsentiert, was wäre auf dem Bild zu sehen?
Sebastian: Das Sauerland ist für ein einzelnes Foto zu facettenreich!
WOLL: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Lisa Mörchen.