Ein (fast) ganz normaler Ostwiger

Carl Ferdinand Freiherr von Lüninck 

Die von Lünincks – ein niederrheinisches Adelsgeschlecht, das urkundlich zuerst im 15. Jahrhundert erwähnt wird. Ein Zweig der Familie ist seit 1777 im sauerländischen Ostwig ansässig. Wir haben den heutigen Freiherrn Carl Ferdinand von Lüninck besucht.  

Der Wald ist seine Welt – und die schönste Freizeitgestaltung 

Er öffnet selbst die Eingangstür und führt uns ins große, mit antiken Möbeln bestückte Zimmer. Den Tag hat Carl Ferdinand von Lüninck im Wald verbracht.  Holz ist seine Welt. Der Forstwirt bewirtschaftet nicht nur Wälder auf Bestwiger Territorium, sondern auch in Brandenburg. Seine Augen leuchten, wenn er versichert, dass seine berufliche Tätigkeit für ihn gleichbedeutend mit Freizeitgestaltung ist. „Die Natur zu bewahren, trotz Augenmerk auf wirtschaftliche Erfordernisse – für mich ist das eine lohnende Aufgabe. Ich tüftle gern, probiere neue Baumarten aus und bin mir auch nicht zu schade, gute Ideen von befreundeten Fortwirten einzuholen.“ 

Erzogen als der Erbe- mit Ostwiger Wurzeln 

Der Weg als Titelträger und Unternehmer wurde ihm in die Wiege gelegt. Als ältester Sohn war es seinerzeit entschiedene Sache, dass er seinem Vater und den Vorfahren folgen würde, also wurde er als der Erbe erzogen. Mit 12 gings von zuhause fort ins Internat. Bundeswehrzeit und Studium folgten, dann der Aufbau des ostdeutschen Betriebszweiges.  

 „Natürlich hatte ich währenddessen immer auch Kontakte nach Ostwig“, erinnert er sich.  Kleine Besuche gab es beispielsweise zum Schützenfest. „Im Jahr 1997 habe ich sogar den Vogel abgeschossen. Da ich seinerzeit noch keine Freundin hatte, die ich zur Königin hätte machen können, wählte ich dafür mein früheres Kindermädchen Hildegard“, lächelt er, und er verrät: „Die liebe Hildegard, die auch in Ostwig lebt, ist immer noch bei uns im Haus Ostwig tätig. Sie kümmert sich tageweise um unseren Haushalt und darum, dass es uns gut geht.“ Mit ‚uns‘ sind neben ihm selbst seine Ehefrau Sophie, die vier Kinder Carl-Anton (18), Anna (16) Marie-Theres (14) und Otto (13), seine Tante Tia sowie deren Pflegerin gemeint.  

„Für uns ist das Umfeld wichtig“ 

„Als ich im Jahr 2008 mit meiner Familie zurück nach Ostwig kam, um mich in die Geschäfte meines Vaters einzuarbeiten, wollten wir uns einen Ankerpunkt schaffen, weil uns unser Umfeld wichtig ist“, erinnert sich der Freiherr. „Dieses Fleckchen Erde und seine herzlichen Bewohner haben uns definitiv gefallen. Ist doch klar, dass wir uns engagieren.“  

‚Kumm rin‘ – eine Erfolgsstory 

Nach der 30-jährigen Abwesenheit fiel Carl Ferdinand allerdings auch auf, was sich hier verändert hatte: „Es gab keine Treffpunkte mehr für die Menschen – eine große Gefahr für das Gemeinschaftsgefühl. Dem wollte ich unbedingt entgegenwirken. Direkt auf unserem Gelände, gleich gegenüber der Kirche, stand ein Viehstall seit Jahren leer. Mit viel Holz aus meinen eigenen Wäldern und der fleißigen Unterstützung der Helfer aus dem Ort haben wir ihn zur Ehrenamtskneipe ‚Kumm rin‘ umgebaut.“ 

Die feierliche Eröffnung am zweiten Weihnachtstag 2011 wurde legendär. „Ich erinnere mich daran, dass ich am nächsten Morgen aus meinen Schlafzimmerfenster blickte und dort Menschen sah. ‚Die machen ja schon sehr früh sauber’, wunderte ich mich. Aber nein, die Ostwiger waren immer noch am Feiern. Da wusste ich, dass eine Erfolgsstory begonnen hatte. Ich freu mich über jeden Euro Gewinn, der dem Ort und dessen Vereinen zufließt.“ Wirklichen Dank dafür will er nicht. „Seien wir ehrlich, ich war in der glücklichen finanziellen Lage, es mir für meinen Ort leisten zu können. Und ich mag halt Bier!“, sagt er und lacht.   

Das „Kumm rin“

Familienleben und gesellschaftliche Verpflichtungen 

Und wie lebt ein Sauerländer Adeliger sonst so? „Wir haben im Prinzip den gleichen Tagesablauf wie andere Familien auch“, versichert der Freiherr.  „Der Wecker klingelt um 05:30 Uhr, damit die Kinder Frühstück bekommen und es rechtzeitig zum Schulbus schaffen. Das ist meine erste Aufgabe des Tages, damit sich meine Frau auf Ihren Arbeitstag als Direktorin im Amtsgericht Warstein vorbereiten kann. Aber dann … ja, ja …  die schönste Freizeitgestaltung im Wald!  

„Natürlich haben wir auch gesellschaftliche Verpflichtungen. Treffen mit der Familie oder mit Mitgliedern von befreundeten Adelshäusern sind obligatorisch. So habe ich seinerzeit meine Frau, die als Baroness von Mirbach aufgewachsen ist, kennengelernt, was nicht nur für mich selbst ein Glücksfall war, sondern auch meine Eltern sehr gefreut hat“, berichtet. „Für meine Frau und mich wäre es aber in Ordnung, wenn sich unsere Kinder einmal für bürgerliche Partnerinnen oder Partner entscheiden sollten. Es muss halt passen.“ 

Und wenn wir schon über unsere Kinder sprechen – deren Wohlergehen und ihre Entwicklung sind uns als Eltern sehr wichtig. Unser Großer wird wohl mal mein Nachfolger werden, doch falls er lieber einen anderen Weg ergreifen möchte, dann hätten wir auch kein Problem damit, wenn eine der Töchter oder der jüngere Sohn einspringt. Da ticken wir doch moderner als die Generationen vor uns“, lacht er.  

Hohe Akzeptanz im eigenen Dorf 

Modern und in die Zeit passend – so scheint das auch die Ostwiger Bevölkerung zu sehen. Man spricht mit Hochachtung über ihn, ist aber auch voller Dankbarkeit hinsichtlich des ‚‘Kumm rin‘. Sympathisch, natürlich, freundlich und humorvoll – das sind die anerkennenden Attribute, die ihm die Dorfbewohner zuschreiben – und dass er „irgendwie mittendrin“ ist. Ein (fast) ganz normaler Ostwiger halt.