Ein Dreiklang aus Natur, Fachwerk und Gastfreundschaft

5 Fragen auf der WOLL-Bank an einen Stammgast im Landhotel Schütte: Jürgen Wilhelm

WOLL: Wie haben Sie bei Ihrem allerersten Aufenthalt das Sauerland empfunden? Erinnern Sie sich noch?
Jürgen Wilhelm:
Ich war früher schonmal im Sauerland, in Winterberg und Willingen. Zu dem Zeitpunkt war ich viel in den Bergen unterwegs, in Südtirol. Als ich dann in die ruhigeren Jahre kam, 80, meinte meine Schwägerin, die jahrelanger Stammgast bei Schüttes war: „Wenn ihr überhaupt ins Sauerland geht, kommt für euch nur das Haus Schütte in Frage.“ Und als wir 2016 den ersten Besuch hier machten, habe ich zu meiner Frau gesagt, das ist ein Dreiklang. Es ist einerseits die Natur in der Umgebung, diese heile Welt. Dann das Fachwerk und das gepflegte Haus, mit unzähligen Möglichkeiten. Auch der Kurpark und die gepflegten Speisen sind erwähnenswert. Und der dritte Punkt ist die Persönlichkeit von Karl Anton Schütte und seiner Ehefrau. In einer Zeit, wo Nobelhotels seelenlos aus dem Boden gestampft werden, kann man hier noch eine gewachsene Gastfreundschaft erleben. Wir fühlten uns direkt gut aufgenommen und dadurch kam auch der persönliche Kontakt.

WOLL: Abgesehen vom Landhotel Gasthof Schütte, wie gefällt Ihnen das Schmallenberger Sauerland insgesamt?
Jürgen Wilhelm: Das Schmallenberger Sauerland ist sehr schön, man findet hier ein Stück heile Welt vor. Das konnten wir auf unseren Wanderungen hier entdecken. So sieht man es ja auch im WOLL-Magazin. Ich bin im Bildungsbürgertum groß geworden, wo ein gefüllter Bücherschrank zu Hause und der persönliche Kontakt noch etwas galten.

WOLL: Sie waren während Ihrer Lehrzeit in Nuttlar, und sind seit 2016 wieder regelmäßig hier. Wie hat sich das Sauerland verändert?
Jürgen Wilhelm:
Ich habe festgestellt, dass es sehr viele Industriestandorte im Sauerland gab, die auf eine gewachsene Mitarbeiterschicht zurückgreifen konnten. Die waren alle bodenständig und hatten Besitztum. Dadurch war das hier nie so ein Arm und Reich, sondern eine angewachsene Bürgerschaft. Die Forstwirtschaft ist natürlich auch ein Begriff, die Weihnachtsbäume aus dem Sauerland. Wenn ich das WOLL-Magazin lese, komme ich immer wieder auf das Bürgerliche, wie viel Mitbürgerschaft hier ist. Dieses Gewachsene findet man in vielen Großstädten nicht. Sie können darauf stolz sein, es gibt in dem Sinne keine sozialen Spannungen. Ich kann mir vorstellen, bei einem Schützenfest hier, da feiern Jung und Alt noch zusammen.

WOLL: Sie halten Ihre Erinnerungen gerne in Gedichtform fest. Machen Sie das schon immer so?
Jürgen Wilhelm:
Mein älterer Bruder Klaus war mein großes Vorbild, ich habe zu ihm aufgeschaut. Mein Vater wurde 39 eingezogen, da war ich gerade sechs Jahre alt. Dann wurde Klaus einberufen, und er kam mit einem Splitter im Oberschenkel aus dem Krieg zurück. Er hat sich sein Bein nicht abnehmen lassen und der Fremdkörper wanderte. Mein Bruder wurde Journalist, Feuilletonredakteur und schrieb tolle Gedichte. Als Journalist schrieb er dann über Professor Paul Niehans, damals eine Koryphäe auf dem Gebiet der Frischzellentherapie. Mein Bruder hat sich daraufhin einem Bonner Arzt anvertraut. Aber das war ein Pfuscher und Klaus starb mit 29 Jahren. Darum habe ich eben angefangen – nach dem Vorbild meines Bruders – kleine Gedichte zu machen. In unserer Herforder Zeitung, erste Lokalseite oben rechts, hatte ich eine kleine Spalte, in der ich schreiben durfte. Kleine Glossen. Das war eine Möglichkeit, sich zu artikulieren. Mein Büchlein „Lyrische Jahreszeit“ habe ich Klaus gewidmet.

WOLL: Für das WOLL-Magazin spielen Sauerländische Begriffe eine große Rolle. Was sagt Ihnen das Wort woll?
Jürgen Wilhelm: Woll ist für mich eine Bekräftigung. Mein Sohn lebt in der Schweiz, dort sagen sie oder nach jedem Satz, oder gell. Dieses Wort gehört zum Sauerland. Sauerländer sind wunderbare, originelle, liebevolle Leute. Zu den Eigenarten dieser Menschen muss man natürlich einen Draht haben. Jemandem in Berlin- Kreuzberg fällt das vielleicht schwerer. Aber ich bin dem Konservativen noch sehr verhaftet. Weil ich selbst Gedichte mache, erkenne ich die menschlichen Zwischentöne von Karl Anton Schütte, das ist ein Typ, der das Sauerland verkörpert. Der ist so verwachsen in der ganzen Sache, hält mit zig Querverbindungen alles aufrecht, aber ist immer sehr ausgleichend. Der ist immer so freundlich, wenn er um die Tische geht, so ist der wahrscheinlich auch im kommunalen Gemeinwesen. Das begeistert mich.

WOLL: Wie kommt es, dass Sie sich Ihre Gedichte so wunderbar merken können?
Jürgen Wilhelm:
Das alles fließt nicht einfach so aus der Feder. Das Schreiben ist eine harte Geburt, der Entstehungsprozess dauert etwas. Ich bin dem lieben Gott dankbar, dass ich dazu in der Lage bin. Meine Kniescheiben sind durch diese Kletterei und Wanderei in Mitleidenschaft gezogen worden. Aber im Kopf ist es noch so, dass ich Ihnen einen einstündigen Vortrag mit Kästner-Gedichten und Tucholsky halten könnte. Durch den Lions-Club durfte ich Vorträge in anderen Clubs halten: in Herford, in der Schweiz, in Deventer in Holland und Fredericia in Dänemark. Das ist sicherlich eine Gabe, wie andere Klavier spielen oder fotografieren können. Dafür muss man dankbar sein.

Ein Gedicht von Jürgen Wilhelm:

Ausspann
Wenn man den Weg in diese Landschaft wählt,
wird man von ihr zum Schauen eingeladen
Die tausend Berge hat zwar niemand nachgezählt,
doch jeder lockt mit aussichtsreichen Pfaden.
Hier ist der Mensch allein mit der Natur.
Bei Sonnenschein und selbst beim Regenschauer
schenkt Wald- und Wiesenduft Erholung pur.
Im Sauerland – da wird wohl niemand sauer.
Wenn man die schmucken Fachwerkdörfer sieht,
wo manches eine Goldmedaille schmückt,
dient Heimatliebe stets als Bindeglied:
Ein Stückchen heile Welt ist hier geglückt.
Am Wirtshaustisch, bei der ersehnten Rast
da streckt man seine wandermüden Glieder
und aufmerksam bedient spürt jeder Gast:
Dort, wo man „WOLL“ sagt, lass Dich ruhig nieder!