Ein beliebter Pilgerort bekommt eine neue Bedeutung

Der Wilzenberg hütet auch archäologisch einige Geheimnisse

Dass sich auf dem Wilzenberg zwei Ringwälle befinden, ist bekannt und deutlich sichtbar. Jedem Ringwall ist ein Annex, eine Art Anbau, angeschlossen. Die Ringwälle stammen aus der Eisenzeit (ab dem 3. Jahrhundert v.Chr.) und dem Frühmittelalter (9. bis 10. Jahrhundert n.Chr.) und belegen, dass der Berg schon früh von militärischer Bedeutung war.

Auch der Teich unterhalb des äußersten Annex war wahrscheinlich schon in dieser Zeit angelegt. Zwischen den zwei ineinanderliegenden Wallburgen befinden sich die als Ziel vieler Pilger beliebten Wallfahrtsstätten: die Marienkapelle aus dem Jahr 1633, die Kreuzwegstationen, ein Freialtar mit drei Kreuzen sowie ein im Jahr 2015 neu errichtetes Hochkreuz. Dass der Berg aber noch viele weitere „Schätze“ beherbergt, das ahnte bis vor drei Jahren noch niemand.

Dr. Manuel Zeiler

Ein Zufallsfund mit Folgen

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es erste Ausgrabungen, doch erst durch einen Zufallsfund beim Bau eines Pavillons 1950 konnten wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. Zwei Lanzen- und zwei Speerspitzen, eingewickelt in zwei Schwerter, wurden damals ausgegraben und so konnte anhand dieser Fundstücke eine zeitliche Zuordnung der älteren Wallanlage erfolgen. Bei einer erneuten Begehung im Jahr 2013 wurde lediglich ein „Tüllenbeil“ gefunden. Das führte zu der Annahme, dass es hier wohl keine größeren, interessanten Funde geben würde. Bis zum Jahr 2018.

Matthias Dickhaus aus dem benachbarten Winkhausen entdeckte seine große Leidenschaft vor etwa fünf Jahren aus einer Laune heraus. Im Internet stieß er auf die Arbeit mit einem Metalldetektor. Da man nicht ohne Genehmigung damit arbeiten darf, nahm er Kontakt zum LWL auf und bot eine Zusammenarbeit an. Nach der Entdeckung einer eisenzeitlichen Fibel in Grafschaft und eines Armreifes auf einem Feld bei Winkhausen beschloss er, den Wilzenberg als kulturelles Erbe und Bodendenkmal genauer unter die Lupe zu nehmen – ein Suchauftrag des LWL Archäologie für Westfalen lag vor.

Matthias Dickhaus

Kurze Zeit später begann Dickhaus zwischen den Ringwällen mit der Suche, ausgerüstet mit seinem Metalldetektor, GPS-Gerät und dem nötigen Werkzeug. Wäre ihm dabei nicht ebenfalls ein interessanter Zufallsfund gelungen, wer weiß, ob er die Suche derart intensiv fortgesetzt hätte. Denn weder die Mitarbeiter vom LWL in Olpe noch er selbst hätten anfangs geglaubt, dass der Wilzenberg diese Vielzahl an Überresten einer langen Geschichte hütet. Eine bisher sehr selten gefundene Pferdetrense, die sogenannte „Hofheim-Trense“, in der Humusschicht des Bodens führte dazu, dass sein persönliches Interesse wuchs und er die Suche intensiv fortsetzte.

Eine Frage der Geduld

Doch Geduld brauchte es auch. Denn Matthias Dickhaus fand neben unzähligen Bomben- und Granatsplittern aus dem Zweiten Weltkrieg auch Kronkorken vergangener Feiern und modernen Schrott. Aber Geduld zahlt sich aus und so traten nach und nach neben Schmuck, Münzen, Gürtelhaken, einer Gewandspange, Pferdegeschirrteilen und Bruchstücken von Schildbuckeln auch ein Messer sowie jede Menge eisenzeitliche Waffenteile und Ausrüstungsstücke der damaligen Krieger zutage. Alle Objekte lagen in einer Tiefe von 20–25 Zentimetern zwischen Humus und Unterboden.

Dr. Manuel Zeiler vom LWL, der für die Funde auf dem Wilzenberg zuständig ist und in den vergangenen Jahren immer mal wieder hier zu tun hatte, ist begeistert. „Es handelt sich hier um den größten eisenzeitlichen Waffenhortfund in NRW“, erklärt er. „30 bis 40 Krieger hätten mit den gefundenen Waffen ausgerüstet werden können.“ Aber es sind nicht nur die einzigartigen Fundstücke, die interessant sind. Das Spannende für jeden Archäologen sind die Erkenntnisse, die sich daraus ergeben. „Die Funde lassen die Anlage neu bewerten“, erklärt Dr. Zeiler. „Wissenschaft ist ein Prozess, ein Fund ohne Kontext ist wertlos.“

Waffen als Kriegstrophäen

Die meisten gefundenen Waffen stammen aus der jüngeren Eisenzeit, ein paar wenige sind etwas älter. Man geht aber davon aus, dass an dieser Stelle direkt keine Kämpfe stattgefunden haben, denn die hat man zur damaligen Zeit auf dem freien Feld ausgetragen. Doch die Wallanlage war militärisch gut angelegt und das wirft die Frage nach deren Funktion auf. Auf jeden Fall erforderte das Bauwerk ein Höchstmaß an gesellschaftlicher Organisation. Auch ist für die Wissenschaftler klar, dass der Wilzenberg an dieser Stelle kein Siedlungsareal war, denn dann hätte man bei den Ausgrabungen Scherben finden müssen. Eine weitere Besonderheit lässt sich am Zustand der Objekte ablesen. Dr. Zeiler erklärt: „Alle gefundenen Waffen weisen markante Zerstörungen auf. Erkenntnisse über die Zerstörung gab es schon seit hundert Jahren, aber nicht in der Intensität.“ Man geht davon aus, dass es sich um die Waffen der unterlegenen Gegner handelt und diese wie eine Art Trophäe behandelt wurden. Als Zeichen des Sieges wurden sie bewusst und mit viel Aufwand zerstört. Zwei Fragen werfen sich dabei auf: Gehören die Fundstücke zusammen und wenn ja, warum lagen sie so verstreut? Unklar ist, ob die Waffen alle von einem Ereignis stammen oder ob sie im Laufe von Jahrhunderten immer wieder hier angesammelt wurden. Und unklar ist auch, ob ein Zusammenhang zwischen den Funden an der Wallburg Kahle bei Lennestadt-Meggen und denen am Wilzenberg besteht. Bei Meggen wurden zwar überwiegend Handwerks-Geräte gefunden, dennoch lässt eine Gewandspange, die der vom Wilzenberg sehr ähnlich ist, den Schluss zu, dass ein Zusammenhang gut möglich ist.

Dr. Zeiler erklärt, dass durch die Funde weitere Türen geöffnet wurden, die einen Einblick in die Geschichte des Wilzenbergs geben. „Die Erkenntnisse setzten sich aus vielen kleinen Puzzleteilchen zusammen.“ Die Arbeit von Matthias Dickhaus hat zu diesen Erkenntnissen wesentlich beigetragen: „Matthias hat von Anfang an sehr professionell gearbeitet“, erklärt Dr. Zeiler. „Er hat systematisch alles dokumentiert: Lage, Anordnung, Ausrichtung. So kann alles räumlich auf einer Karte angezeigt werden.“ Ein Hobby-Sondengänger, der so akkurat vorgeht, ist für den LWL von großer Bedeutung. Knapp 1.200 Stunden hat Dickhaus in den letzten zwei Jahren auf dem Wilzenberg verbracht und dabei etwa 120 verwertbare Stücke freigelegt. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter in Olpe hätten diese Vielzahl an Arbeitsstunden niemals aufwenden können. Es ist eine win-win-Situation, denn auch für den Winkhauser war die Arbeit erlebnisreich und von besonderer Bedeutung. „So etwas zu finden ist eine Herausforderung“, sagt er mit Überzeugung. Und der Erfolg gibt ihm recht.

Nicht ohne Risiko

Aber: Man muss sich schon gut auskennen. Wenn der Metalldetektor ausschlägt, hört Matthias Dickhaus schon am Klang, um welche Art von Metall es sich handelt und in welcher Tiefe es sich befindet. „Man muss immer wissen, was man vor sich liegen hat“, fügt er hinzu. Einmal ist er in der Nähe der Kapelle auf eine Granate aus dem Zweiten Weltkrieg gestoßen. Das rief umgehend Ordnungsamt und Kampfmittelräumdienst auf den Plan. Die Suche hier oben auf der Kuppe des Wilzenbergs ist abgeschlossen, die aufwendige und fachmännische Restauration könnte aber noch bis Mitte des nächsten Jahres laufen. Dann ist auch eine Ausstellung geplant, denn diese interessanten Funde mit ihrer Jahrhunderte alten Geschichte soll den Grafschaftern und allen anderen Interessierten nicht vorenthalten werden. Zudem soll es eine Dokumentation seitens des LWL geben.

Matthias Dickhaus wird seiner Leidenschaft weiter nachgehen, das ist für den gebürtigen Olper klar. Aber an welchem Ort er dann zu finden ist und auf welche weiteren geschichtsträchtigen Funde er hofft, das verrät er uns nicht. Auf dem Wilzenberg wird es jedenfalls nicht sein. „Hier ist jeder Quadratzentimeter von rechts auf links gedreht, hier wird man nichts mehr finden.“