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80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist eine besondere „Kriegswunde“ in der Stadt Zülpich verheilt: Das an Heiligabend 1944 schwer getroffene Weiertor ist wiederaufgebaut. Auch der jüngste der vier Zülpicher Karnevalsvereine, die Hovener Jungkarnevalisten, hat damit sein Stammlokal in einem der vier erhaltenen mittelalterlichen Stadttore, gefunden. Und die Römerstadt eines ihrer Wahrzeichen zurückbekommen.
Die jecke Nutzung ist dabei nicht nur auf die in jede Himmelsrichtung ausgehenden Stadttore in der „Römerstadt“ beschränkt. In Blankenheim hat der Karnevalsverein das Georgstor schon seit Jahrzehnten zum „Karnevalsmuseum“ umgebaut, in Bad Münstereifel wird das stolze Orchheimer Tor schon seit 18 Jahren als Privatwohnung genutzt, und in Kronenburg gibt es die „Galerie im Nordttor“. Die Beispiele zeigen: Leben in historischen Wehranlagen erfreut sich großer Beliebtheit.
Es war Anfang Oktober, für die Stadt Zülpich das Ende einer denkwürdigen Woche. Zu deren Beginn war das von der Manfred-Vetter-Stiftung und der Stadt geschaffene neue Museum für Zülpichs bekanntesten Maler Hubert Salentin (1822-1910) in der Innenstadt eröffnet worden. Die Woche endete mit dem, was alte Zülpicher nicht mehr für möglich gehalten hätten, weil es nach 80 Jahren geschah: Das Weiertor, einst größtes der vier mittelterlichen Stadttore, ist nach knapp zweieinhalbjähriger Bauzeit wieder aufgebaut. Der Hauptturm mit auf zwei Geschossen über 42 Quadratmeter ausgebauter Nutzfläche steht wieder am oberen Ende des Zwingers, die beiden kleinen Vordertürme über dem unteren Torbogen sind ebenfalls saniert, das gesamte Mauerwerk ausgebessert und aufgemauert.

„Die Menschen haben eines der Wahrzeichen ihrer Stadt zurückbekommen“, so Ina Scharrenbach, Landesministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung in Nordrhein-Westfalen in ihrem Grußwort bei der Eröffnungsfeier. Und in diese Richtung gingen auch die Worte von Zülpichs Stadtbürgermeister Ulf Hürtgen, der daran erinnerte, dass das Weiertor „eigentlich das strategisch unbedeutendste der vier Stadttore Zülpichs war.“ Es führte zur Feldseite der Stadt. Doch als einziges wurde es beim Luftangriff der Alliierten an Heiligabend 1944 schwer beschädigt.
80 Jahre lang war das Weiertor dann Teilruine. Mit Fördergeldern waren in den 1970er Jahren nur die beiden Vordertürme gesichert und wieder aufgemauert worden. Doch der Hauptturm blieb bis auf die Decke über dem Torbogen zerstört. Erst 2019 änderte sich das, als der Zülpicher Architekt Karl-Josef Ernst, der seiner Heimatstadt bis zu seinem Tod 2021 immer sehr verbunden war, auf Basis weniger erhaltener Fotos des Vor-Kriegszustands des Tores – Planzeichnungen gab es keine – es riskierte, einen maßstabgerechten Wiederaufbau des wuchtigen Bauwerks zu planen. „Ernst wollte seiner Heimatstadt einfach was Gutes tun, und hat uns die Pläne und Zeichnungen mehr oder weniger geschenkt“, so Gerd Wallraff, Präsident der Hovener Jungkarnevalisten (HJK) und Hausherr des Tores, dankbar. Der Verein wurde 1963 gegründet und hat 270 Mitglieder.
Die HJK sieht sich nun endlich am Ziel: Auch sie können, wie schon Zülpichs Blaue Funken, die Prinzengarde und die Zölleche Öllege eines der vier Stadttore aus dem Ende des 14. Jahrhundert als Stammlokal beziehen.
Rund 670.000 Euro teuer sollte die Rekonstruktion allerdings werden. Die HK planten, den einstigen Zwinger zu überdachen, um so mehr Platz für Vereinszwecke zu haben. Beides kam nicht wie geplant: Corona und steigende Baukosten sollten am Ende die Preise explodieren lassen, vermutlich stoppte der Denkmalschutz die „Zwingerüberdachung“.
Nach dem Tod von Karl-Josef Ernst 2021 führte dessen Sohn Markus, wie sein Vater Architekt in Zülpich, die Pläne fort. Ein glücklicher Zufall erleichterte das Vorhaben: „Die Stadt gab uns den Tipp, uns um eine Förderung aus dem Heimat-Topf bei NRW-Ministerin Scharrenbach zu bewerben“, so Wallraff. Mit Erfolg. 2021 reiste Scharrenbach wie jetzt zur Einweihung aus Düsseldorf an und überbrachte den Förderbescheid.
„Der Spaß hat am Ende 1,18 Millionen Euro alleine für den Wiederaufbau des Haupttores gekostet, von denen 1,06 Millionen das Ministerium übernahm, 117.000 Euro blieben als Eigenanteil bei den Hovener Jungkarnevalisten“, so Bürgermeister Ulf Hürtgen in seiner Festansprache. Dazu kamen rund 60.000 Euro an Kosten für die Innenausstattung auf die Hovener zu. Zudem wurde seitlich ein neuer Treppenaufgang an den Hauptturm gebaut. „Da waren einige tausend Arbeitsstunden ehrenamtlicher Arbeit nötig, in denen wir das gestemmt haben“, so Gerd Wallraff.

Seit dem 4. Oktober 2024 ist nun das, was seit 80 Jahren eine Kriegswunde war, geheilt.
Weitere rund 720.00 Euro wurden zudem von der Stadt in die Sanierung des Altbestandes an Mauerwerk investiert, von denen wiederum 117.000 Euro von der Denkmalförderung des Landes und 140.000 Euro von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz übernommen wurden. „Und 510.000 Euro haben wir ja auch gerade in die Sanierung der Stadtmauer zwischen Weiertor und Landesburg gesteckt, auch mit Zuschüssen kofinanziert“, so der Rathauschef. „Zöllechs ahle Muure“, wie es im Titel der Stadthymne heißt, sind den Römerstädtern schon immer viel wert gewesen.
Im Ergebnis ist nun das Ensemble zwischen Landesburg, Wallgraben-Park, Weiertor und weiteren Grünanlagen geschlossen. Was dank der Fördergelder im Zuge der Landesgartenschau 2014 begann, ist dank des Engagements der Hovener Jungkarnevalisten, der Stadt und der Gelder aus dem NRW-Heimatministerium vollendet. „Das Kleeblatt ist endlich vollständig“, so Bürgermeister Hürtgen. Er war voller Lokalstolz: „Welche vergleichbare Stadt hat schon vier aktiv genutzte mittelalterliche Stadttore, eine Landesburg und eine in großen Teilen noch erhaltene Stadtmauer?“
