Kühe und Pferde sind kein seltener Anblick im Sauerland. Doch die Vierbeiner, die unter den Bäumen auf der großen Wiese hinter dem Landhaus im Grund in Kickenbach stehen und neugierig beobachten, wer da „ihre“ Wiese betreten hat, sieht man nicht alle Tage. 15 Alpakas und Lamas sind hier zuhause – in braun, schwarz, gescheckt oder gepunktet.
„Erzähl mal, wieso du ein Alpaka haben wolltest!“, sagt Karin Simon. „Du wolltest doch eins haben“, sagt ihr Mann, Stefan. Beide überlegen eine Weile. Aber so ganz genau wissen sie nicht mehr, wie das alles angefangen hat. Der Grundstein für die jetzige Situation wurde im Urlaub gelegt – mehr oder weniger zufällig, erinnern sie sich. „Wir wollten eigentlich an der Nordsee Urlaub machen, da war aber das Wetter so schlecht, dass wir weiter an die Ostsee gefahren sind und dort standen hinter der Ferienwohnung Alpakas im Garten“, erzählt das Ehepaar. Spontan wurde eines davon gekauft – Flausch hieß es. „Flausch konnte natürlich nicht alleine stehen, deswegen haben wir noch ein weiteres aus dem Münsterland dazu geholt.“ Das war 2009. Inzwischen züchten sie jedes Jahr mehrere Fohlen. Die Stuten stehen in Meggen nahe der Sauerland-Pyramiden. In diesem Jahr sind drei Fohlen zur Welt gekommen. „Wir lassen den Hengst immer im Frühjahr oder Sommer zu den Stuten und dann schauen wir 11,5 Monate später, wie viele Fohlen wir bekommen. Da lassen wir uns überraschen.“ Insgesamt besitzt Familie Simon nun 35 Alpakas und Lamas.
Bananen und Speerspitzen
Die Tiere kommen gut klar mit dem Klima im Sauerland. Sowohl Alpakas als auch Lamas stammen aus den Anden und werden den Kamelen zugeordnet, Höcker haben sie jedoch beide nicht. Optisch kann man den Unterschied zwischen den beiden Arten recht gut erkennen. Die Alpakas stammen von den kleinen Vikunjas ab und sind daher mit einer Schulterhöhe von unter einem Meter nicht besonders groß. Die Lamas hingegen stammen von den deutlich größeren Guanakos ab und sind dementsprechend auch größer. Im Durchschnitt beträgt die Schulterhöhe etwa 1,20 Meter bei einem Gewicht von immerhin bis zu 130 Kilogramm. Der Körperbau der Lamas ist etwas gröber und eckiger, wohingegen die Alpakas deutlich leichter und feingliedriger gebaut sind. Besonders gut kann man den Unterschied auch an den Ohren erkennen: Während die Ohren der Lamas lang und leicht nach innen gebogen sind, ein wenig wie eine Banane, stehen die kürzeren Ohren der Alpakas gerade nach oben wie eine Speerspitze.
Ursprünglich wurden Alpakas mit ihrem lustigen Puschelkopf hauptsächlich zur Wollgewinnung gezüchtet. Ihr Fell ist dichter und feiner als das der Lamas – und außerdem antiallergen! „Die Alpakawolle lassen wir verarbeiten: Socken, Stofftiere, Bettdecken, Seife. Das alles verkaufen wir in unserem kleinen Selbstbedienungs-Hofladen“, erklärt Stefan Simon. Lamas haben ein dünneres Fell, mit recht dichter Unterwolle und deutlich gröberes, zotteliges Deckhaar. Aufgrund ihrer Größe wurden und werden Lamas daher eher als Lastentiere genutzt und nicht wegen ihrer Wolle gezüchtet – allerdings nicht bei Familie Simon.
Wandern mit Groß und Klein
An geführte Wanderungen hatten sie erst gar nicht gedacht. „Eigentlich haben wir die Tiere nur gekauft, weil sie so schön sind“, erklärt Karin Simon. Doch aufgrund ihres Charakters eignen sie sich hervorragend für Wanderungen der anderen Art: „Die Menschen, die mit auf unsere Wanderungen kommen, sind ganz bunt gemischt: von Kindergruppen bis zum 80-Jährigen, der die Wanderung zum Geburtstag geschenkt bekommen hat.“ Alpakas und Lamas eigenen sich einfach für jeden. „Diese Tiere sind so ruhig und lieb. Gerade für die Kinder sind sie ideal“, erzählt Karin Simon. „Auch wenn ich unsere kleine Tochter mitnehme, muss ich keine Angst haben.“ Ab welchem Alter ein Kind ein Alpaka führen kann, ist ganz unterschiedlich – fünf oder sechs Jahre, manchmal auch vier. „Die Kinder kommen oft besser klar als die Erwachsenen. Die haben oft mehr Durchsetzungskraft als die Erwachsenen“, so Stefan Simon. „Oft sind es Menschen, die wenig oder gar keine Erfahrung mit Tieren haben. Dann dauert es am Anfang einen kurzen Moment, bis Mensch und Tier einander kennenglernt haben. Dann geht es die ersten Meter schonmal etwas stockend voran, aber das legt sich sehr schnell.“ Familie Simon kennt die Persönlichkeiten mit ihren ganz individuellen Eigenarten der einzelnen Tiere, sodass die Tiere dann auch möglichst passend ihren Führern zugeteilt werden können.
Eine bis eineinhalb Stunden dauern die Wanderungen in der Regel, manchmal auf Wunsch auch länger. Start- und Zielpunkt ist das Landhaus am Grund in Kickenbach. Von dort aus geht es gemütlich durch den Wald. Maximal können fünfzehn Tiere können mitlaufen, wenn mehr Menschen mitlaufen, müssen sie sich abwechseln. Auch 40 Kinder und Betreuer waren schon auf einer Wanderung dabei. Dann nimmt Karin Simon eine Freundin als Verstärkung mit. „Aber die hätte ich gar nicht gebraucht. Die Tiere sind einfach so entspannt“, erklärt sie. „Wenn die Kinder zu hibbelig sind, dann läuft es nicht gut, dann gehen die Alpakas auf Abstand. Das merken die Kinder aber schnell und werden dann auch ruhig. Und: Je ruhiger die Kinder, desto ruhiger sind auch die Tiere.“ Und darüber freuen sich auch viele Eltern: ‚Endlich mal eine Wanderung ohne Gequengel‘, heißt es oft, weil die Kinder mit den Tieren einfach besser vorangehen.
Die Ausbildung der Tiere, die ja zunächst erst lernen müssen, geführt zu werden, übernimmt Familie Simon selbst. „Eigentlich war es nur bei den ersten etwas schwieriger. Die Jüngeren schauen sich alles von den Älteren ab“, erklärt Stefan Simon und erinnert sich: „Mit den ersten haben wir am Anfang einmal oben im Wald gestanden und kamen nicht weiter. Da saßen die eine halbe Stunde im Wald und sind dann irgendwann wieder aufgestanden, dann ging‘s weiter.“ Seine Frau fügt schmunzelnd hinzu: „Die sind halt sehr gemütlich.“
Ach ja: Spucken tun sie beide – Lamas und Alpakas. Angst haben, dass man angespuckt wird, muss man aber nicht. „Das machen die eigentlich nur untereinander, wenn sie Ärger haben, wenn sie futterneidisch sind. Dass man als Mensch mal was abbekommt, ist dann eher Pech, weil man zwischen den Streithähnen steht.“
von Sonja Nürnberger