„Durch das örtliche Gericht bleibt die Rechtsprechung bürgernah“

Vor dem Amtsgericht Warstein: (v.l.) Dr. Thomas Schöne, Bürgermeister der Stadt Warstein, Sophie Charlotte Freifrau von Lüninck, Direktorin des Amtsgerichts, Peter Weiken, Bürgermeister der Stadt Rüthen

Quelle: E. Feldmann

Das „neue“ Amtsgericht Warstein wurde vor 55 Jahren eingeweiht 

Vor gut 55 Jahren, am 27. Januar 1966, wurde etwas außerhalb des Stadtzentrums das neue Gebäude des Amtsgerichts Warstein in der Bergenthalstrasse 11 offiziell eingeweiht. Es ist nicht nur für die Stadt Warstein, sondern auch für die Stadt Rüthen örtlich zuständig. Die Direktorin des Amtsgerichts, Sophie Charlotte Freifrau von Lüninck, stellt das Amtsgericht Warstein heute und in einem historischen Rückblick vor.

Das Amtsgericht Warstein im Jahr 2021

Das Amtsgericht Warstein ist zuständig für die ca. 38.000 Bewohner und Bewohnerinnen der Städte Warstein und Rüthen, einem ca. 316 Quadratkilometer großen Gerichtsbezirk.

Die sachliche Zuständigkeit des Gerichts umfasst u.a. Zivil-, Straf- und Familiensachen. Amtsgerichte sind aber nicht nur für die Streitschlichtung zuständig, sondern auch beispielsweise für die Erteilung von Grundbuchauszügen und Erbscheinen. Ein Schwerpunkt der Tätigkeit des Amtsgerichts Warstein liegt auf der Zuständigkeit für die LWL-Klinik, um dort den Rechtsschutz der Kranken und Menschen mit Behinderung zu gewährleisten.

Insgesamt sind knapp 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei dem Amtsgericht Warstein tätig, darunter zwei Gerichtsvollzieher. Außerdem stehen sechs von den Räten der Städte Warstein und Rüthen gewählte Schiedspersonen für die außergerichtliche Streitschlichtung zur Verfügung.

Die historisch gesehen hohe Anzahl der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass sich hierunter zahlreiche Teilzeitkräfte befinden. „Auch bestätigt sich in Warstein der generelle Wandel von einer „Männerdomäne“ hin zu einer zunehmend weiblichen Justiz. Während erst durch Gesetz vom 11. Juli 1922 Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege zugelassen wurde, bin ich – 100 Jahre später – nach meiner langjährigen Vor-Vorgängerin Direktorin Heine bereits die zweite weibliche Behördenleiterin“, so Sophie Charlotte Freifrau von Lüninck.

„Durch ihre unterschiedlichen Aufgaben sind die Gerichte im ländlichen Raum attraktive Arbeitgeber, nicht nur für Richter. Insbesondere bildet die Justiz selbst aus – Diplom-Rechtspfleger (FH), Mitarbeiter der Geschäftsstellen und im Wachtmeisterdienst sowie als Gerichtsvollzieher“, meint die Direktorin.

Zwar kann das 55-jährige Jubiläum coronabedingt nicht gefeiert werden. Freifrau von Lüninck: „Doch es gibt Anlass für die Feststellung, dass es dank der kurzen Wege ein gutes Verhältnis zwischen dem Amtsgericht und den Städten Warstein und Rüthen sowie zur örtlichen Rechtsanwaltschaft, Polizei sowie Leitung der LWL-Klinik gibt. Die bevorstehende Digitalisierung der Justiz wird das persönliche Gespräch nicht ersetzen können. Daher ist es zu begrüßen, wenn durch das örtliche Gericht die Rechtsprechung bürgernah bleibt und gerade im Sauerland der Gang zum Amtsgericht nicht zur Tagesreise wird.“

Rückblick auf die Historie des Amtsgerichts Warstein

Vor 1850 war die Gerichtsbarkeit der Städte Warstein und Rüthen sowie den kleinen Ortschaften – wie überall im ehemaligen Herzogtum Westfalen – nicht klar getrennt vom sonstigen Handeln der Obrigkeit. Neben der weltlichen Gerichtsbarkeit gab es auch die geistliche Gerichtsbarkeit, es kam vielfach zu Zuständigkeitsüberschneidungen. Auch das angewandte Recht unterschied sich von Ort zu Ort – so wurde im Mittelalter in Warstein „Rüthener Recht“ angewandt, denn die Stadt Rüthen war damals die bedeutendere Ortschaft.

Unter der hessisch-darmstädter Herrschaft in den Jahren 1806 bis 1815 wurden die vormaligen Gerichte Körbecke, Allagen und Belecke, die Städte Warstein und Hirschberg, die Kommende Mülheim sowie das Patrimonialgericht Mellrich zum „Justizamt Belecke“ zusammengefasst. Provisorischer Amtssitz wurde die Kommende Mülheim. Aber auch dieses war nicht auf Dauer – von 1839 bis 1849 war die Gerichtsbarkeit der Stadt Warstein dem mit drei Richtern besetzten Land- und Stadtgericht Rüthen zugeordnet.

Nachdem Warstein und Rüthen bereits seit 1815 zum Königreich Preußen gehörten, beginnt die Geschichte eines eigenen Gerichts für die Stadt Warstein im Jahre 1850, als die Warsteiner „Gerichtskommission“ ihren Sitz im Erdgeschoß des neuerbauten Rathauses bezog. 1879 wurde aus der Gerichtskommission das „Königlich-preußische Amtsgericht Warstein“, das nach 1904 auch das Obergeschoß des Gebäudes bezog. Das Amtsgericht Warstein gehörte damals wie heute zum Landgerichtsbezirk Arnsberg sowie dem Oberlandesgerichtsbezirk Hamm.

Besetzt war das Gericht im Jahre 1888 mit einem Richter, vier Beamten, einem Gerichtsdiener und einem Kanzlisten. Anfang des 20. Jahrhunderts umfasste der Gerichtsbezirk neben der Stadt Warstein auch die Landgemeinden Allagen, Belecke, Hirschberg, Mülheim, Sichtigvor, Waldhausen mit ca. 10.000 Bewohnerinnen und Bewohnern. Im Jahr 1933 stieg diese Zahl auf ca. 15.000 sog. „Eingesessene“. Hintergrund war die Angliederung der Gemeinde Suttrop im Jahre 1921 aufgrund des Baus der Provinzialheilanstalt.

Nach den dunklen Jahren des Nationalsozialismus, in denen die Unabhängigkeit der Justiz in Frage stand, wuchsen die Aufgaben des Amtsgerichts in der Nachkriegszeit beständig. Die räumliche Enge im alten Gebäude am Marktplatz führte 1960 zur umfangreichen Planung eines Neubaus. 1965 wurde das neue Gebäude in der Bergenthalstraße bezogen, 1969 wechselten auch die Akten und die Zuständigkeit für den aufgelösten Amtsgerichtsbezirk Rüthen hierher. Im Jahre 1979 war das Gericht mit drei Richtern, fünf Rechtspflegern, sechs Beamten des mittleren Dienstes sowie weiterer Mitarbeiter besetzt. Die Geschichte des Amtsgerichts stellte 1979 ein Mitarbeiter des Gerichts, Erich Schulte, aus Anlass des 100-jährigen Bestehens in einer kleinen Festschrift zusammen.