Quelle: Hochsauerlandkreis
Meschede./Hochsauerlandkreis. „Verzweifelt, traurig, wütend, handlungsbereit – alles in einem“: die Einblicke in ihre derzeitige Gefühlswelt, die die in Wien lebende Ukrainerin und mehrfach ausgezeichnete Autorin Tanja Maljartschuk bei ihrer Lesung am Dienstag (22.03.) im Bürgerzentrum „Alte Synagoge“ in Meschede gewährte, waren berührend. Entsprechend herzlich und langanhaltend war der Applaus der über 30 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer.
Das beim Hochsauerlandkreis angedockte Kulturbüro Sauerland hatte den Abend organisiert, lange bevor mit dem 24. Februar und dem Angriff auf die Ukraine eine Zeitenwende eingeläutet wurde. Jetzt standen kleine Spenden-Boxen für die Ukraine gleich am Eingang des Veranstaltungssaals und Kulturbüro-Leiter Wolfgang Meier sprach auch von dem festen ursprünglichen Vorhaben, mit dem sich die Autorin Tanja Maljartschuk mit ukrainischen Wurzeln im Rahmen des Literaturprogramms stadt.land.text. NRW 2022 erfolgreich als Residenz-Autorin für die Kulturregion Sauerland beworben hatte. Ihre Idee sei es, der Erinnerung und dem Leben der ehemaligen jüdischen Gemeinden im Sauerland nachzuspüren und auch den Blick auf die Geschichte der ehemaligen osteuropäischen Zwangsarbeiter zu lenken. Die Wirklichkeit seit der militärischen Eskalation in der Ukraine sei aber eine andere geworden und man wird sehen, wie sich das zunächst beabsichtigte literarische Projekt für die Region in den kommenden Wochen entwickelt.
Ukraine und Sauerland
Die allgemeine Betroffenheit wich im Laufe des Abends zunehmend einem Verständnis und lebhaften Interesse an ihren Texten und Arbeiten. Maljartschuk las mit tiefbewegter Stimme selbst und berichtete über ihre Kontakte zu Freunden und Verwandten: Ja, die Ukrainer hätten sich – vor allem im letzten Jahrzehnt – an die neuen Freiheiten gewöhnt, sie sind in einem Krieg aufgewacht, von dem sie es nicht gewagt hätten, zu denken, dass dieser zerstörerische Akt tatsächlich begonnen wurde. „Jetzt bin ich Schriftstellerin und eigentlich bin ich es nicht mehr“, sagt sie.
An neue Freiheiten gewöhnt
Dass sie es tatsächlich noch ist und Literatur vor dem Hintergrund der eigentlich unaussprechlichen Geschehnisse in der Ukraine entstehen lässt, beweist sie beispielsweise in der Schilderung einer mutigen Frau, die mit in Gläsern konservierten Sauergurken imstande sei, Drohnen abzuschießen. Auf die Frage, wie das mit Gurken möglich sei, antwortete die Frau: „Mit Gurken geht das auch nicht, es waren eingelegte Tomaten.“ Da mischt sich zur Literatur, zur Fiktion oder auch Wahrheit – wer weiß das im Krieg schon? – noch der große Humor in schlimmster Zeit, das sei eine liebenswerte Mentalität ihrer Landsleute, die Tanja Maljartschuk an diesen Abend immer wieder hervorhebt: Ihre Trauerrede zur Beerdigung der Großmutter vor drei Jahren lässt die Zuhörer dann doch einmal vom Krieg ablenken.
Kreisheimatpfleger Hans-Jürgen Friedrichs gelang es in der Moderation des Abends, den Draht zur Autorin zu finden. Auch Simone Schiffer, die das Kulturbüro Münsterland vertrat, war extra angereist und hatte auch ein paar Begrüßungsworte gesprochen. Sie wird der Kulturregion Sauerland diese zu Recht mit Preisen überhäufte Autorin gönnen. Das Sauerland kann sich glücklich schätzen, mit Tanja Maljartschuk eine Residenzautorin zu haben, die eine nahbare wie auch intellektuell brillante Literaturpersönlichkeit ist. Mehr zu dem Projekt stadt.land.text unter www.stadt-land-text.de